Darf ich vorstellen ...
Falls es da irgendwie noch Defizite gab - spätestens jetzt, einen Monat nach Beginn des Referendariats, kann ich im Schlaf, blitzschnell und in leserlichen Druckbuchstaben meinen Namen an die Tafel schreiben. Schon mal was gelernt. Jetzt muss ich mir nur noch die Namen der anderen merken.
Im Seminar haben wir als erstes eine Namenmerktrainingsphase eingelegt: Schreiben sie in der Stunde die Namen der Lernenden mit und notieren sie eine Eigenschaft! So sind die Unterrichtsmitschriften gespickt mit Bemerkungen wie: Anne (Brille), Stefan (Segelohren), Anja (Kasachstan), Tanja (Gothic), Andreas (roter Pullover) ... Mein Leben füllt sich im rasanten Tempo mit Menschen, die ich vorher noch nie gesehen habe. Da wären, in der Reihenfolge ihres Erscheinens:
... der Schuldirektor, der schon die Namen der Neuen kennt, eine halbe Stunde richtig Zeit für uns hat und sonst nur als flitzender Kondensstreifen in der Schule wahrzunehmen ist.
... die Sekretärin, die die Schlüssel für uns rausgelegt hat und sogar noch einen Bonus – ein Schließfach im Lehrerzimmer! – zugibt.
... der Schulassistent, der im Handumdrehen ein Kopierkonto einrichtet und uns die Angst vor den vielfältigen technischen Errungenschaften der Schule nimmt.
... der Lehrer, der mit Engelsgeduld die futuristischen Fach-Lehrer-Raum-Kürzel auf den Stundenplänen (GAGA, Mai, N217 = Gastronomie Grundstufe A, Maier, Neubau, zweite Etage, Raum 17)
... die Lehrerin, die mit einem milden Lächeln bemerkt, dass die Stunde nicht wie vermutet 8.45, sondern 8.40 beginnt. Zu spät!
... die Mitreferendarin in der Halbzeitkrise, die alle Anfragen mit einem abwesenden „Wie bitte?“ kontert.
... die Seminarleiterin, die ihre wöchentlichen 1½ Stunden Pädagogik mit garantiert pointenfreien Anekdoten aus ihrer Junglehrerinnenzeit ausfüllt.
... etwa 20 Millionen Lernende, die viel zu schnell herausfinden, dass mein Musikgeschmack gnadenlos veraltet ist. Ich also auch.
Nächstes Projekt: Herausfinden, wie man im Lehrerzimmer an einen Kaffee kommt, ohne dabei Lehrer As Tasse zu entwenden und Lehrerin Bs wohlgehütetes Kaffeepulver zu missbrauchen. Vielleicht sollte ich einfach mal fragen. Wie hießen sie noch gleich?
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