Texte behandeln in Geschichte/GL Hauptschulniveau?

Fragen & Antworten zu didaktischen Problemen, methodische Kniffe für den nächsten Unterrichtsbesuch usw.
maxdachs
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Registriert: 04.03.2018, 17:59:34

Texte behandeln in Geschichte/GL Hauptschulniveau?

Beitrag von maxdachs »

Hallo,
ich fürchte, der Titel ist nicht so griffig/genau. Hoffentlich meldet sich trotzdem wer. Ich habe folgendes Problem: nach mittlerweile -zum Glück- bestandenem Referendariat bin ich an einer Schule gelandet, die wohl vom Niveau her eine Hauptschule ist. Habe mein Referendariat am Gymnasium gemacht und auch da schon gemerkt, dass ich ich nicht so die Didaktikbombe bin und bei den Schülern immer irgendwie mehr vorausgesetzt habe, als wirklich da war, so dass die Beteiligung immer recht mager war.
An der neuen Schule habe ich jetzt zudem das Problem, dass die Schüler a) unfassbar faul und unmotiviert sind und b) starke Defizite in jeder Hinsicht haben (Lesen, Schreiben, Sprache....).
Die Art und Weise, wie am Gymnasium gearbeitet wurde, also weitgehend eigenständiges Lernen, ist hier eh nicht möglich, ich weiß aber grad echt nicht, was ich noch machen soll und habe den Eindruck, dass Textarbeit hier beinahe unmöglich ist. Aber man muss im Geschichtsunterricht ja lesen - also an der Sonderschule vielleicht nicht, aber rein auf dem Papier ist das eine Gesamtschule, an die sich auch mal ein "Gymnasiast" verirren könnte, ich kann die ja nicht nur mit Bildern/Folien unterrichten..

Ich beschreibe hier mal mein aktuelles Vorgehen:
- Einstieg über Bild, Anknüpfung an letzte Stunde etc., um Stundenfrage zu klären und weiteres Vorgehen zu erläutern
- anschließend wird in der Regel ein Text gemeinsam gelesen und zwischendurch unklare Wörter "geklärt" - die Schüler haben natürlich nie Fragen, obwohl sie nichts raffen
- dann gibt es schriftliche Arbeitsaufträge zu den Texten
- die "guten" Schüler fangen dann irgendwann an zu schreiben. Meist Dinge, die sie sich einfach so überlegen, ohne noch mal ins BUch zu gucken. Die anderen "guten" Schreiben einfach irgendeinen Satz 1:1 ab. Die "sehr guten" finden den Satz, in dem die Antwort steht, und schreiben diesen 1:1 ab
- Anschließend werden die Antworten verglichen.
Ich brauche nicht extra erwähnen, dass keiner auf die Idee kommt, seine Antworten zu korrigieren oder sonstiges. Auch unbekannte Begriffe, die ich an der Tafel erkläre, werden selbst nach Aufforderung nur selten abgeschrieben und auch wenn doch, weiß es in der nächsten Stunde keiner mehr. Ich weiß nicht, wie oft ich jetzt schon die Begriffe "Heer" und "Heerführer" erklären musste....
Naja, ich frage mich jetzt, wie andere das machen? Habe an meiner Schule schon viel hospitiert und sehe oft ein ähnliches Vorgehen wie bei mir - mit ähnlichen Resultaten.
Was kann ich tun, damit die Schüler besser mitkommen?
Ich habe jetzt mal angefangen, den Text schon während des gemeinsamen Lesens nach einzelnen Abschnitten immer rekapitulieren zu lassen, sprich: die später schriftlich zu beantwortenden Fragen schon "gemeinsam" mündlich zu beantworten. Außer, dass wir noch langsamer vorankommen und ich das Vorgehen persönlich sehr ermüdend finde, tut sich da aber nicht viel: es arbeiten trotzdem nur die "starken" mit, die anderen gucken mich an wie ein Auto und gucken nicht mal in den Text....

Über konstruktive Kritik wäre ich sehr dankbar

Viele Grüße
Max

JimJupiter
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Registriert: 30.09.2015, 19:01:44

Re: Texte behandeln in Geschichte/GL Hauptschulniveau?

Beitrag von JimJupiter »

Wenn die herkömmliche Textarbeit bei deinen Schülern v.a. Demotivation mutmaßlich wg Misserfolgsangst auslöst, dann iist es definitiv keine sinnvolle Vorgehensweise. Es ist ja vielmehr self-fulfilling prophecy...

Also, Vorschlag: Für mind. einen mittelfristigen Zeitraum Didaktik und Methodik total ändern. Textarbeit raus. Interesse am Fach wecken. Unausgesprochenes Arbeitsbündnis langsam und behutsam aufbauen. Dann, nach vllt. 2 Monaten, eine Stunde kurz gemeinsam auf die Metaebene gehen. Was ist der Unterschied früher und heute? Warum habe ich den Unterricht radikal geändert? Warum war mir früher die Arbeit mit Texten so wichtig? ... Dann -ausgesprochen- das Arbeitsbündnis belastem: Ansagen, dass nun wieder Texte kommen würden. Weniger als zu Beginn, aber hin und wieder. Begründen, weshalb es dir wichtig ist. Aufzeigen was sie davon haben werden. Sie werden mitziehen, weil sie merken, dass sie dir wichtig sind und dass dir das Thema wichtig ist.

Allerdings, die Sache hat einen großen Haken: Dich und deine aktuelle Haltung! Es trieft aus jeder Silbe, dass du eine sehr negative Haltung gegenüber diesen Schülern, gegenüber der Schule, vielleicht gegenüber dem ganzen Stadtviertel hast. Du hast hier offensichtlich in vielerlei Hinsicht benachteiligte Jugendliche vor dir sitzen, die selbst und familiär schon eine Menge Stigmata und Misserfolge mitgemacht haben. Diese Jugendlichen haben eine unglaubliche Sensorik entwickelt und spüren sehr genau, wenn du sie verachtest. Und das tust du aktuell, Zitat "natürlich nie Fragen, obwohl sie nichts raffen." - Gleich drei ziemlich böswillige Verallgemeinerungen: natürlich, nie, nichts raffen. Wenn du in dieser arroganten Haltung bleibst, wirst du scheitern. Mach dir also die alte Weisheit zu nutze: Je belasteter eine Schülersxhaft, umso wichtiger, tragfähiger und ehrlicher sollte die Beziehungsebene sein.

Glück auf
Hamburg, Abteilungsleiter an weiterführender Schule Sek I und II

CaraM.
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Re: Texte behandeln in Geschichte/GL Hauptschulniveau?

Beitrag von CaraM. »

Da kann ich mich meinem Vorredner nur anschließen.

Du klingst schon genervt und wie auch immer... das merken SuS.

Ich würde es anders angehen. Ganz textfrei geht es ja nun mal im Geschichtsunterricht nicht. Meistens zumindest.

Z.B. könnte man eine Doku arbeitsteilig auseinandernehmen. Mehrere SuS bekommen einen kurzen Quellenabschnitt und müssen beim Dokufilm schauen, ob das mit der Information übereinstimmt.

Oder man nimmt vier kurze Quellenabschnitte und lässt sie per Placemat-Verfahren im T-P-S- Verfahren etwas arbeitsteilig herausarbeiten und anschließend bündeln.

Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass die SuS durch das Entwerfen einer Zeitleiste zu besseren Ergebnissen kommen, weil sie sonst im Dunklen wandern und dadurch auch Zusammenhänge nicht verstehen.

Also ich würde ihnen medienmäßig mehr bieten.

Max_Cohen
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Re: Texte behandeln in Geschichte/GL Hauptschulniveau?

Beitrag von Max_Cohen »

Wenn Textarbeit "unmöglich" ist, dann ist im Zusammenhang mit deiner Klientelschilderung doch die naheliegendste Erklärung, dass schrift- und bildungssprachliche Kompetenzen ebenso wenig vorhanden sind wie angemessene Arbeitstechniken. All das führt man grundsätzlich per Direkter Instruktion ein.
Dazu brauchst Du als Grundlage mindestens das neue Buch zur Direkten Instruktion von Brüning und Saum (kaum ein Lehrer in Deutschland kann Direkte Instruktion, sodass man hier ganz neu effektives Lehrerhandeln erlernen muss), sowie einschlägige Literatur zur Sprachförderung. In diesem Zusammenhang kann ich einen DaZ-Kurs für Lehrer der Sekundarstufe beim Goethe-Institut empfehlen.

Freigeist
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Re: Texte behandeln in Geschichte/GL Hauptschulniveau?

Beitrag von Freigeist »

Ich habe ebenfalls bemerkt, dass Schüler mit Texten überfordert sind bzw. schon eine Abwehrhaltung haben und sobald sie ein AB mit vielen Buchstaben sehen, gleich jammern. Das habe ich auch in der 10.Klasse, wobei ich mich manchmal auch frage, ob sie nur eine Szene machen oder tatsächlich einfach "lesefaul" sind.

Ich habe die Arbeit mit Texten gesenkt (wobei das wahrscheinlich auch nicht gut ist) und habe jetzt ganz oft A, B, C, D... usw. auf den ABs stehen. Jeder hat dann nur einen Ausschnitt oder Teilaspekt und am Ende müssen sie es mit Hilfe der anderen Partner ergänzen und es wird gemeinsam an der Tafel besprochen.

MarlboroMan84
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Re: Texte behandeln in Geschichte/GL Hauptschulniveau?

Beitrag von MarlboroMan84 »

Immer Text lesen und dazu Arbeitsaufträge ist halt auch nicht der Knaller. Das finden die am Gymnasium auch nicht spannend, aber sie machen es halt.
Du musst halt anders arbeiten. Kürzere Texte, abwechslungsreichere Aufgaben (Lückentexte, Fehlertexte, selber Fragen überlegen, andere Medien, viel Textverständnisarbeit usw) - sprich dich mit den erfahrenen Gesamtschulkollegen ab.

maxdachs
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Re: Texte behandeln in Geschichte/GL Hauptschulniveau?

Beitrag von maxdachs »

Hallo zunächst mal vielen Dank für die vielen Antworten.
Leider bin ich in letzter Zeit nicht wirklich zum Antworten gekommen, zu dem einen oder anderen Beitrag möchte ich aber gerne eine Rückmeldung geben.
JimJupiter hat geschrieben: Textarbeit raus. Interesse am Fach wecken. Unausgesprochenes Arbeitsbündnis langsam und behutsam aufbauen.
Glück auf
Tja, das ist leider leichter gesagt als getan. Zunächst mal weiß ich nicht wirklich, wie ich mehrere Stunden ohne Textarbeit füllen soll. Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass ich weder ein Smartboard noch einen Projektor zu Verfügung habe.

JimJupiter hat geschrieben: Allerdings, die Sache hat einen großen Haken: Dich und deine aktuelle Haltung! Es trieft aus jeder Silbe, dass du eine sehr negative Haltung gegenüber diesen Schülern, gegenüber der Schule, vielleicht gegenüber dem ganzen Stadtviertel hast. Du hast hier offensichtlich in vielerlei Hinsicht benachteiligte Jugendliche vor dir sitzen, die selbst und familiär schon eine Menge Stigmata und Misserfolge mitgemacht haben. Diese Jugendlichen haben eine unglaubliche Sensorik entwickelt und spüren sehr genau, wenn du sie verachtest.


Sorry, aber das ist ja wirklich lächerlich. Eine absolute Fehleinschätzung der Situation. Ich habe vor dem Referendariat schon an einer ähnlichen Schule gearbeitet und danach das Gymnasium während des Vorbereitungsdienstes gehasst. Für mich stand von vorneherein fest, dass ich nie wieder ans Gymnasium will, ich habe mich eigeninitiativ an meiner jetzigen Schule beworben und bin dort im Großen und Ganzen ziemlich zufrieden, mein Verhältnis zu den Schülern ist auf keinen Fall schlecht. Weder denke ich schlecht über sie noch umgekehrt. Im Gegensatz zu Gymnasiasten halten meine Schüler mit ihrer Meinung nicht hinter'm Berg. Wenn die'n Problem haben, sagen sie das.
Vielleicht lehne ich mich jetzt zu weit aus dem Fenster, so wie du, aber was du hier geschrieben hast, klingt für mich nach'nem typischen Gymnasiallehrer, der schwierige Schüler und generell die Menschen, von denen du da sprichst, nur aus der Zeitung oder dem Fernsehen kennt und meint, er wäre der Superpädagoge, der alles in den Griff kriegt und wenn irgendwas im Unterricht nicht richtig läuft, nimmt man seine schlauen Bücher in die Hand und sucht Methode x und Didaktik y und schon ist das Problem gelöst..
So einfach ist das nicht, geh du doch mal an so'ne Schule und guck dir das mal an. Wir haben hier bei knapp 500 Schülern mehrere Klassenkonferenzen die Woche, die schubsen sich vor den Bus, fast jede Pause gibt's Kloppereien, ich meine wirkliche Kloppereien, von Schwänzen, Beleidigungen gegenüber Lehrern etc. gar nicht zu sprechen. Ich will mich hier jetzt nicht rausreden. Dass mein Unterricht nicht der Hit ist und dass man Dinge besser machen kann, ist mir klar, darum frage ich ja. Du brauchst aber nicht zu denken, dass die Schüler einfach nur falsch/unzureichend angesprochen werden und sobald der wertschätzende Superpädagoge mit seinen schülernahen Methoden um die Ecke kommt, sind alle happy und machen mit. Das gibt's vielleicht im Fernsehen, aber nicht in der Realität.

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