Schülerklientel Gesamtschule

Was tue ich, wenn ....?
Gesamtschule
Beiträge: 9
Registriert: 08.10.2005, 13:42:04

Schülerklientel Gesamtschule

Beitrag von Gesamtschule »

Hallo, ich fange im Feb mein Ref an einer Gesamtschule an. Wollte mal nachfragen, ob die Schüler dort größtenteils echt so schlimm sind, oder gibt es viele Vorurteile? Würede mich freuen, von euren Erfahrungen zu hören, DANKE

neo
Beiträge: 47
Registriert: 11.10.2005, 12:45:34

Beitrag von neo »

Kommt drauf an, wo die Schule ist. Ich war im Ref. an einem Gymnasium und kam dann im Februar 05 mit meiner ersten Anstellung an eine eher ländliche Gesamtschule. Die Gangart ist etwas anders als am Gymnasium, doch ich schätze die Direktheit der Schüler. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie es einen sofort ziemlich schonungslos merken lassen, wenn ihnen was nicht passt, aber so kann man sofort drauf reagieren. Was ich auch sehr schätze, ist dass die Schüler weniger "abgehoben" sind, wie es an vielen Gymnasien der Fall ist, sondern bodenständiger; so verhält es sich auch mit den Eltern. Dass viele ausländische Schüler da sind, empfinde ich nicht so sehr als Problem, eher als Bereicherung, zum Beispiel, wenn am Muttertag Karten auf Deutsch, Englisch, Türkisch, Chinesisch und Russisch gebastelt werden, oder wenn ein Moslem einem Katholiken erklärt, was es mit dem Fest Ramadan auf sich hat. *g*
Das Kollegium an meiner Schule hält sehr eng zusammen; es wird sehr sehr viel im Team gearbeitet, was ich sehr angenehm finde, und es finden viele fächerübergreifende Projekte statt. Dieser Aspekt ist jedoch vermutlich von Schule zu Schule unterschiedlich.
Man kann nicht verleugnen, dass das Leistungsniveau - zumindest bei uns - natürlich nicht dem eines Gymnasiums entspricht. Die sehr weit gefächerte Heterogneität empfinde ich als Problem, dennoch finde ich es spannend nach Wegen zu suchen, dieses Problem zu lösen.
Ich kann nur sagen, freu dich auf die Gesamtschule, es ist zwar zunächst sehr anders, aber ich würde sagen, dass ich nicht zum Gymnasium zurückmöchte, und das durchaus auch wegen der Schüler, die so schlimm nicht sind, wenn man sie richtig zu nehmen weiß. ;-)
Tschau

neffets
Beiträge: 610
Registriert: 20.08.2005, 20:36:58

Beitrag von neffets »

was der vorredner sagte, ist sehr einseitig. sicher kann man es so sehen, man kann alles positiv wenden. feststeht, an fast allen gesamtschulen herrscht kein gymnasiales niveau. dort sind vor allem schüler, die sonst kaum einer will, wenn es in der umgebung gymnasien gibt. ich war an einer gesamtschule, habe einen abschluss mit "sehr gut" dort gemacht. ich kam mit den schülen aus und kann trotzdem sagen: wenn ich es vorher gewusst hätte, dass ich für 2 jahre an eine gesamtschule komme, hätte ich meine arbeit in der freien wirtschaft weitergemacht. dass ich an der gesamtschule so erfolgreich war, kam nur zustande, da ich mich voll auf die zielgruppe einstellte. spass machte mir das keinen, auch wenn es nach aussen so wirkte. wenn es nach mir gehen würde, würde ich sowieso die gesamtschulen ausräuchern, indem es leistungsvergleiche mit gymnasien geben würde. dann würde fast jeder gesamtschule der garaus gemacht werden. hört sich hart an, aber ... :-)

neo
Beiträge: 47
Registriert: 11.10.2005, 12:45:34

Beitrag von neo »

"applaus* Herzlichen Glückwunsch zu einem "sehr gut" an einer Gesamtschule, wo du dich so mühsam durchgerungen hast ... also, wenn ich sowas wie oben lese kommt mir die Galle hoch!
Wenn ich das schon höre, "Gesamtschulen müsste man ausräuchern". - DAS finde ich einseitig!
Natürlich ist das Leistungsniveau nicht mit Gymnasien zu vergleichen, sagte ich auch oben (genau hingucken!). Und um ehrlich zu sein sind die leistungsfähigeren Schüler tatsächlich an Gymnasien. Trotzdem fragt es sich, ob das ein Grund ist, die Gesamtschulen abzuschaffen, denn: dieses System kann hier nicht funktionieren, WEIL es die anderen Schulformen noch gibt, und weil Gymnasien die leistungsstarken Schüler abziehen.
- Leider hat Gesamtschule hierzulande noch ein schlechtes Image, so dass tatsächlich keiner seine Kinder dorthin schickt, wenn es sich vermeiden lässt.
Dennoch haben auch die Kinder aus ausländischen und sozial benachteiligten Familien das Recht auf den besten Abschluß, was an der Gesamtschule eben möglich ist. Eine meiner Schülerinnen in der 12 kommt aus dem Libanon und sagt es sei eine Ehre, dass sie als erstes Mädchen in der Familie die Möglichkeit hat Abitur zu machen.
Ach, und Neffets, falls es noch nicht vorgedrungen ist: es gibt inzwischen zentrale Leistungsvergleiche. ;-)

Füchsin
Beiträge: 10
Registriert: 15.09.2005, 13:43:36
Wohnort: Niedersachsen
Kontaktdaten:

Beitrag von Füchsin »

Mich ärgert Neffets Beitrag auch, einfach unglaublich vom "Ausräuchern" zu sprechen. Wie berurteilst Du wohl dann Kinder, die nicht die schulischen Leistungen erbringen (bzw. die nicht die Beurteilung von ihrem Grundschullehrer erhalten haben), die ihnen einen Gymnasialbesuch ermöglichen?
Mein erstes Praktikum habe ich an einer Gesamtschule gemacht, die ein sehr hohes Niveau und schnelles Lerntempo hatte. Interessant fand ich vor allem im Vergleich zu dem Gymnasium, an dem ich später war, wie eigenständig die Schüler Aufgaben gelöst haben und sich gegenseitig unterstützt haben. Gerade der Umgang der Kinder untereinander (vor allem auch mit Kindern, die durch eine Behinderung oder durch ihre Herkunft leicht Außenseiter sein könnten) hat mich beeindruckt. Die Lehrer an dieser Schule haben sehr hart an dem Sozialverhalten der Kinder gearbeitet und das zählt mehr als bloßes Fachwissen. Auch die Atmosphäre im Kollegium war sehr angenehm. Es ist vielleicht nicht jedermanns Sache, an einer Gesamtschule zu arbeiten, die stark auf Teamarbeit setzt, und sich in das Team einzufinden. Auch kann es sein, daß man durch die Heterogenität der Schüler überfordert ist, und deshalb dort nicht so gerne arbeitet.
Aber derartig fies von allen Gesamtschulen zu sprechen, unmöglich. Für viele Kinder ist die Gesamtschule eine Chance mehr zu erreichen, als ihnen noch in der Grundschule (und zumeist wird ja nach der 4. Klasse sortiert) zugetraut wurde. Gerade diese Schule, an der ich war, hat doppelt so viele Anmeldungen, wie sie Schüler pro Jahr aufnehmen kann, obwohl es eine riesiges gymnasiales Angebot in der Umgebung gibt (Und zumeist müssen die Kinder mit Gymnasialempfehlung abgelehnt werden, da sie eine überproportionale Menge an Anmeldungen darstellen, die Schule aber jeweils zu Dritteln annimmt). Die Probleme der Gesamtschulen (die es gerade in Ballungsgebieten gibt) liegen bestimmt nicht in der prinzipiellen Konzeption dieser Schulen, sondern häufig auch daran, daß sie an sozialen Brennpunkten liegen. Für die Probleme, die die Kinder von zu Hause mitbringen, können diese Schulen nichts, im Gegenteil, dort wird sehr hart daran gearbeitet, den Kindern zu helfen und ihnen eine Chance zu geben.

Und, nur weil Dich an der Gesamtschule nicht wohl gefühlt hast, kannst Du noch lange nicht den Stab über alle Gesamtschulen brechen. Vielleicht liegt das auch daran, daß Du einfach dort nicht zurecht gekommen bist, da kann dann auch keiner etwas dafür.

Lysander

Beitrag von Lysander »

Moin!

Was die Qualität der Gesamtschule angeht, so kann man beispielsweise im Focusbericht zu den letztjährigen Pisa-Ergebnissen einiges erfahren.

Die Gesamtschule lag im Ranking zwischen Haupt- und Realschule, alle drei Schulen weit abgeschlagen vom Gymnasium.
Wenn ich diese Ergebnisse nüchtern betrachte, dann ist die Gesamtschule von ihrem Gesamtniveau offenbar nicht wesentlich besser als die Hauptschule aber schlechter als die Realschule. Unter dem Aspekt der Bildungsqualität scheint die Gesamtschule also nicht wirklich etwas zu bringen.

Das Gesamtschulkonzept in NRW ist meines Erachtens gescheitert, weil die Gesamtschule Alibifunktion hat. Wer nicht sozial gebrandmarkt werden möchte bzw. sich so fühlen möchte, schickt sein Kind auf die Gesamtschule, um es nicht auf die Hauptschule schicken zu müssen.
Die Anforderungen des Zentralabiturs in NRW wurden zugunsten der Gesamtschule reduziert (das erfuhren wir in einer Infoveranstaltung zum Thema Zentralabitur).

Alles in allem wird man an der Gesamtschule sicherlich Schüler aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten finden - von "quasi asozial" bis "gut betucht". Dadurch, dass hier junge Menschen unterschiedlichster Herkunft aufeinandertreffen, gibt es natürlich einiges an Konfliktpotenzial.
Langfristig ließe sich das nur über ein Credit-Point-System und ein bundesweites Gesamtschulkonzept lösen, welches den elitären Gedanken im Schulwesen sowie das Klassendenken aufgibt.
In einem Land mit deutlich weiter auseinanderklaffender sozialer Schere wie den USA scheint das grundsätzlich zu funktionieren, wenngleich dafür andere Probleme massiver auftreten als bei uns.

Gruß
Lysander

neffets
Beiträge: 610
Registriert: 20.08.2005, 20:36:58

Beitrag von neffets »

ich will da niemand persönlich beleidigen. aber der einzige unterschied scheint zwischen einigen und mir zu sein, dass sie mir in der diagnose zustimmen, aber diese dinge anders bewerten. ich sehe es eben nicht als positiv an, wenn jeder zum abitur geschleppt wird.

leider ist es auch nicht der maßstab des deutschen bildungssystems, dass eine iranerin zur familienehre das abitur erwerben kann.



"Vielleicht liegt das auch daran, daß Du einfach dort nicht zurecht gekommen bist, da kann dann auch keiner etwas dafür."
>>nun wirds auch noch abenteuerlich und persönlich ;-) also ich kann dich beruhigen. ich könnte jetzt einiges aus den ausbildungsgutachten zitieren, aber sage dir erstmal, dass deine vermutungen völlig falsch sind: mein zurechtkommen mit schule und schülern und kollegen wurde als hervorragend bezeichnet, so war es auch. trotzdem ändert das nichts an meiner einschätzung: die meisten gesamtschulen müsste man-wenn mn das dreigliedrige schulsystem beibehält-schließen.

Antworten