Stagnation in schwierigen Klassen

Was tue ich, wenn ....?
donaldinho
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Stagnation in schwierigen Klassen

Beitrag von donaldinho »

Hallo Leute, hier mal folgendes Anliegen. Unterrichte an einer berufsbildenden Schule. Läuft zu ca 70% prima, die anderen ca 30% habe ich in drei Klassen in denen ich mittlerweile wirklich das Gefühl habe da ist Hopfen und Malz verloren.

Das fängt schon jedes mal mit dem Unterrichtsbeginn an. Komme ja schon extra kurz vor dem Vorklingeln um die Jungs&Mädels dann zum Unterrichtsbeginn irgendwie auf ihre Plätze zu navigieren (das ist da keine Selbstverständlichkeit, ohne Einwirken des Lehrers würden die glaube bis zum Stundenende Pause machen). Sitzen die, dann geht das weiter: erst ist man damit beschäftigt, dass die Leute ihre Snacks einpacken (Chips, Süßigkeiten und so einen Mist), danach ist man mit den Smartphones beschäftigt. Dann sind meist schon die ersten 6, 7 Minuten rum.

Dann geht das aber in der Stunde eh weiter da dauernd jemand sein Smartphone auspackt, isst, pennt oder Blödsinn labert. (Betrifft nicht alle aber einen großen Teil der Klasse)

Klar sind die Schüler aufgedreht,schütten sich ja auch zu Hauf mit Cola und Monster Energie zu aber trinken ist ja laut Hausordnung gestattet. Teilweise denke ich mir, fangen die Probleme aber schon bei den Ernährungsgewohnheiten Pringles in der Pause und Energiegesöff im Unterricht - wie soll man da leistungsfähig sein) an.

Bei Aufgaben zur selbstständigen Bearbeitung dann das nächste Problem: da machen viele einfach mal nix. Es sei denn ich renn immer wieder hin und versuche die Schüler zu motivieren.

Natürlich habe ich die üblichen Dinge auch schon oft genug durchgezogen: rausschicken (was wir vermeiden sollen), in den Betrieb schicken, Unterlagen einsammeln und bewerten (was wir eigentlich nicht machen sollen) usw usf.... Gespräche mit den Betrieben gab es auch aber, so scheint mir, scheinen die den Azubi dann doch ebenfalls vorrangig als billige Arbeitskraft zu sehen und geben nicht sonderlich viel darauf, welche Probleme "wir" in der Schule mit den Schülern haben.

So langsam bin ich auch an nem Punkt an dem ich darüber grübel, ob es nicht einfach das Sinnvollste wäre die Leute einfach machen zu lassen. Manchmal denke ich mir, lass sie doch mit dem dämlichen Smartphone spielen denn dann sind sie wenigstens ruhig.

Ist ja auch nicht im Sinne des Erfinders, permanent große Teile der Klasse vor die Tür zu schicken (wie sieht denn das auch aus), andererseits halten dauernde Ermahnungen und Diskussionen den Unterrichtsbetrieb auf. Habe in den Klassen wirklich das Gefühl, dass einfachste Verhaltensnormen nicht wirklich existent sind.

Das Problem ist ebend auch, dass in jeder Klasse natürlich noch ein paar Wenige sitzen, die wirklich wollen und die mir in Gesprächen schon mitgeteilt haben unter dem allgemein unterirdischen Lernklima zu leiden. Außerdem käme mir meine Tätigkeit dort vorne dann auch irgendwie sinnlos vor.

So langsam weiss ich aber auch nicht mehr weiter da mich die Stunden einfach enorm viele Nerven kosten und ich zunehmend selbst gestehen muss schon in eine "Null-Bock" Stimmung zu verfallen. Viele Kollegen sagen halt, die machen in den Klassen dort vorne ihr Ding und ignorieren das drumherum. Aber ist das der Weg!? Am Ende denke ich mir dann auch wieder, isses ja kein Wunder wenn ich mit meinem Smartphoneverbot auf Granit stoße wenn andere wieder drüber hinwegsehen.

Andererseits - klar - sind viele Schüler der Klasse auch schon weit über die Volljährigkeit hinaus, machen zum Teil bereits die zweite Ausbildung etc. Was kann man wohl noch zur Erziehung eines 20jährigen beitragen der sich benimmt wie 12?

Und klar ist das verführerisch: Schüler, die lieber facebooken wollen können sich still in die hinteren Reihen setzen, ihre Kalorien zu sich nehmen solange keine Tüten rascheln und Schüler die lernen möchten kommen nach vorne. So wie an der Uni. Da hätten die paar Wissbegierigen ihre Ruhe, der Unterricht wäre für die Interessierten produktiver und der Lehrer schont seine Nerven.... mehr oder weniger da ich dieses "Phubbing" (Rumgespiele mit dem Smartphone in der Öffentlichkeit), sich mit Fraß vollstopfen etc ja wirklich kaum angucken kann - das ist doch der reinste gesellschaftliche Verfall.

Wie seht ihr das? Ähnliche Erfahrungen in der Altersklasse? Welche Kniffe könnten Wirkung zeigen, wo könnte man den Hebel ansetzen? Bin für Tips dankbar :)

Fränzy
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Re: Stagnation in schwierigen Klassen

Beitrag von Fränzy »

Ich denke, das Problem gibt es auch bei anderen Kollegen, oder? Setzt euch zusammen, überlegt eine gemeinsame Strategie. wie z.B.

- In den Betrieb schicken (ab wann, wievielter Vorfall)
- Einrichtung eines Trainingsraums
- Tage zum sozialen Lernen (z.B. nach Konfliktkultur, da kommt dann auch die schweigende Mehrheit zu Wort, die es wahrscheinlich stört)
- Belohnungen (Ja, Token funktionieren auch in der BBS noch, z.B. Hausaufgabenfreigutscheine - wenn es denn welche gibt)
- Entzug von Vergünstigungen
- Viel Schreiben/ viel Stillarbeit/ rödeln lassen
- Ausbilder zu runden Tischen (alle oder im Einzelfall) mit AL

Welches Fach hast Du? Wenigstens was berufliches LBT? Oder Reli, Deutsch, GkG?
שָׁלוֹם

kecks
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Re: Stagnation in schwierigen Klassen

Beitrag von kecks »

...mach genau das: unterricht für die willigen vorn und ruhe und nicht nerven für die unwilligen hinten. man kann das pferd nicht zum saufen zwingen und du kannst alleine auch nicht die ganze klasse erziehen, wenn das kollegium resigniert hat.

Fränzy
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Re: Stagnation in schwierigen Klassen

Beitrag von Fränzy »

Dann sollen sie wenigstens in den Betrieb. Die kriegen schließlich Geld fürs Arbeiten und nicht fürs nichts tun und stören. Arbeit ist da sinnvoller. Und verpassen tun sie ja dann auch nichts. Sie hätten ja eh nicht aufgepasst.
שָׁלוֹם

donaldinho
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Re: Stagnation in schwierigen Klassen

Beitrag von donaldinho »

Prinzipiell ist das richtig, im Endeffekt erscheint mir die Zeit in der BS auch als vergeudete Zeit auf Kosten derer, die Interesse am Unterrichtsstoff haben.

Als problematisch sehe ich es auch (allgemein) an, das störende Schüler dem Lehrer ja auch einen Großteil der Aufmerksamkeit rauben die eigentlich besser in die Lernwilligen investiert wäre.

krabappel
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Re: Stagnation in schwierigen Klassen

Beitrag von krabappel »

Fränzy hat geschrieben: Setzt euch zusammen, überlegt eine gemeinsame Strategie.
Ich glaube auch, dass ist das einzige, was dir gerade helfen kann. Haben denn alle anderen aufgegeben?

Wenn alle Konsequenzen "nicht so gern gesehen werden", was willst du auch machen? Ich würd die Energydrinks in der Hausordnung verbieten, wenn das Trinken im Unterricht schon offiziell erlaubt ist. Und was gibt euer Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmenkatalog im Schulgesetz her? Ihr könnt doch sicher mal welche komplett 2 Wochen ausschließen etc. pp.? Mein Gott, manchmal denke ich, dass immer diejenigen Schulleiter werden, die sich selber nicht durchsetzen können und froh sind, nicht mehr permanent diese Grabenkämpfe austragen zu müssen :roll:

Ansonsten bleibt wohl tatsächlich nur diese Abmachung, die ich dann aber als meine bewusste Entscheidung so ansagen würde:
kecks hat geschrieben:...mach genau das: unterricht für die willigen vorn und ruhe und nicht nerven für die unwilligen hinten...
Viel Kraft dir für die 70% netten Klassen :|

donaldinho
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Re: Stagnation in schwierigen Klassen

Beitrag von donaldinho »

danke, die habe ich und trotz allem auch sehr viel spaß im beruf :)

nehme die beschriebenen probleme ja auch nicht persönlich - im endeffekt sind die jungs & mädels volljährig und schaden sich mit ihrem verhalten ja größtenteils selber. bin auch nicht wirklich zornig auf die schüler/innen - im endeffekt resultiert deren verhalten ja auch aus gesamtgesellschaftlichen fehlentwicklungen. fängt ja bei den ernährungsgewohntheiten an, ich wäre glaube auch nicht aufnahmefähig bei dem "speisenplan". nichtsdestotrotz würde ich auch niemanden von seiner eigenverantwortung freisprechen.


schulausschluss etc geht nur über den weg --> verweis --> überweisung in eine andere klasse --> androhung schulausschluss --> 4 wöchiger schulausschluss.

im endeffekt - ja - theoretisch könnte es mir wirklich egal sein. wenn die betreffenden schüler/innen mit dem smartphone spielen dürfen sind sie ja ruhig. dann macht man halt nur zu zehnt unterricht. andererseits frage ich mich dann natürlich auch welche entwicklung das nehmen soll. irgendwann steht man dann vielleicht wirklich die hälfte der zeit vor 25 menschen die auf ihr smartphone gucken. dann wäre der job wohl ziemlich inhaltslos.

betrifft aber nicht nur die schule - unimitarbeiter/dozenten im freundeskreis können auch ein lied davon singen :lol: (denen isses halt wirklich wurscht da die erziehung von studenten ja nun wirklich nicht in deren aufgabenbereich fällt)

"phubbing" und naschsucht sind halt psychische abhängigkeiten, wenn auch gesellschaftlich toleriert :roll:

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