verpflichtende Zusatzaufgaben - zulässig?

Was tue ich, wenn ....?
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MaryPoppins
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verpflichtende Zusatzaufgaben - zulässig?

Beitrag von MaryPoppins »

Ich arbeite an einer Gesamtschule in NRW und unterrichte einen E-Kurs in der 9. Klasse.

Unser Lehrwerk peitscht alle Zeitformen in den Klassen 5-7 durch und am Ende der 7 sind die Schüler mehr als verwirrt. Das Lehrwerk selbst setzt ab Klasse 8 aber sämtliche Zeitformen voraus.

Das komplette letzte Schuljahr habe ich viel Unterrichtszeit darauf verwendet den Schülern der Klasse 8 die englischen Zeiten nahe zu bringen. Alles noch mal wiederholt, Stationenlernen, Lerntheke, Lernplakate, Schaubilder, die überall in der Klasse hingen... Freiwillige Zusatzangebote und AGs im Nachmittagsbereich (wurde beides natürlich nicht bzw. fast nicht genutzt).
Am Ende des Schuljahres ging es mit den Zeiten dennoch einigermaßen gut.

Nun kam nach 6 Wochen Sommerferien in der 1. Unit der Klasse 9 das Thema indirekte Rede dran und die Schüler mussten alle Zeiten auf einmal erst in der direkten Rede erkennen (schwer genug) und dann für die indirekte Rede eine andere Zeit nutzen.
Die Klassenarbeit war eine Katastrophe. Ein Großteil der Schüler hat Zeiten gebildet, die es gar nicht gibt (She said I has had beening... He added he would to been asked..).

Die Lehrer der E-Kurse in Klasse 10 und die Oberstufenlehrer melden ein gleiches Bild zurück. Texte sind Kraut und Rüben, weil willkürlich existente oder auch frei erfundene Zeiten verwendet werden.

Ich ziehe daraus den Schluss, dass wir mehr Zeiten üben müssen.
Problem: Englisch wird bei uns in der 9 nur zweistündig unterrichtet. Und das Praktikum steht auch vor der Tür.
Ich kann nicht eine von 2 Stunden für die Wiederholung der Zeiten verwenden. Dann komme ich mit dem Lehrwerk vorne und hinten nicht hin.

Ich würde gerne Übungsmaterialien für meine Schüler zusammenstellen, mit denen sie in ihrer Freizeit die Zeiten üben müssen.
Freiwillig geht das aber nicht (hat sich ja auch letztes Jahr gezeigt).
Mein Plan wäre also die Materialien (Erklärungen sowie Übungsaufgaben) in kleine Portionen teilen, bei Moodle hochladen, mit Abgabedatum versehen, alle 2 Wochen die jeweils fällige Portion einsammeln, korrigieren und bewerten.
Wahlweise auch nur auf Vollständigkeit kontrollieren und dann beizeiten eine Lernzielkontrolle über die Inhalte der jeweiligen Portion schreiben (wie gesagt, es wären reine Wiederholungen. Die SuS müssten nichts komplett Neues selbstständig erarbeiten) und diese dann bewerten, weil HA, was diese Aufgaben streng genommen ja wären, nicht benotet werden dürfen.

Jetzt meine Frage: Ist sowas zulässig? Darf ich die SuS nötigen neben den normalen Hausaufgaben (die sind in der Regel überschaubar) verpflichtend alten Lernstoff zu wiederholen? Und vor allem die Anfertigung der Aufgaben bewerten?
Der Hausaufgabenerlass verlangt ja, dass HA aus dem Unterricht erwachsen müssen und dort auch thematisiert werden. Das würde nicht direkt passieren. Natürlich braucht man beinahe jede Zeit mal für die ein oder andere Textproduktion. Aber dass wir dann hinterher die Hausaufgaben von 2 Wochen noch mal im Unterricht durchkauen, wird nicht passieren. Dafür haben wir mit 2 Stunden Englisch pro Woche einfach keine Zeit.

Das Erstellen und Kontrollieren der Materialien und Lernzielkontrollen wäre ungleich viel mehr Aufwand für mich, den ich aber für sinnvoll halte.
Jetzt befürchte ich ein bisschen, dass ich das alles vorbereite, angehe und sich dann nach den ersten 2 Abgabeterminen Anrufe entrüsteter Eltern häufen, die sich bei der Abteilungsleitung über zu viele Englischhausaufgaben beklagen. Weil die Kinder natürlich nicht sagen, dass sie 2 Wochen dafür Zeit haben und dann am letzten Tag vor der Abgabe 3 Stunden an den Arbeitsblättern sitzen.
Erfahrungsgemäß reagiert die Abteilungsleitung sehr elternfreundlich auf Beschwerdeanrufe. Man wird mir - sollte es zu solchen Anrufen kommen - versuchen wollen das Projekt auszureden.
Mir ist das Thema so wichtig, dass ich mich durchaus auf Diskussionen mit dem Abteilungsleiter einlassen würde. Aber dann muss ich mich rechtlich auch auf sicherem Boden bewegen, sonst habe ich keine Chance.

Könnt ihr mir da weiterhelfen? Habe ich irgendeine Tücke des Hausaufgabenerlasses missverstanden oder vergessen, die mein Vorhaben auf dünnes Eis verlegt?

Stark
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Re: verpflichtende Zusatzaufgaben - zulässig?

Beitrag von Stark »

Ich bin nicht in deinem Bundesland, habe aber vor einigen Jahren dort mal unterrichtet. Mein schulrechtliches Wissen ist also rudimentär, aber ich persönlich sehe kein Problem in deinem Vorgehen. Die Grundgrammatik ist in Sprachen ja immer Teil des aktuellen Unterrichts, alleine schon aufgrund des zielsprachlichen Unterrichts. Und die Notwendigkeit zu diesen Übungen hat sich ja auch aus deinem aktuellen Unterricht ergeben, somit sollte dem Erlass genüge getan sein.
MaryPoppins hat geschrieben: Jetzt befürchte ich ein bisschen, dass ich das alles vorbereite, angehe und sich dann nach den ersten 2 Abgabeterminen Anrufe entrüsteter Eltern häufen, die sich bei der Abteilungsleitung über zu viele Englischhausaufgaben beklagen. Weil die Kinder natürlich nicht sagen, dass sie 2 Wochen dafür Zeit haben und dann am letzten Tag vor der Abgabe 3 Stunden an den Arbeitsblättern sitzen.
Erfahrungsgemäß reagiert die Abteilungsleitung sehr elternfreundlich auf Beschwerdeanrufe. Man wird mir - sollte es zu solchen Anrufen kommen - versuchen wollen das Projekt auszureden.
Mir ist das Thema so wichtig, dass ich mich durchaus auf Diskussionen mit dem Abteilungsleiter einlassen würde. Aber dann muss ich mich rechtlich auch auf sicherem Boden bewegen, sonst habe ich keine Chance.
Ich würde an deiner Stelle vorher mit dem Abteilungleiter reden, ihm die Situation schildern und ihn sozusagen im Vorfeld ins Boot holen. Wenn deine Kollegen das Problem ebenfalls haben, könnt ihr ja vielleicht sogar geballt als Fachschaft auftreten. Wenn er dem Projekt seinen Segen gegeben hat, kann er sich nicht so einfach auf die Seite der Eltern schlagen, so diese denn Probleme bereiten.
Außerdem würde ich, wenn ich Widerspruch von Elternseite erwarte, das Vorgehen in einem Elternbrief erläutern und darum bitten, dass die Eltern ein Auge darauf haben, dass die SuS die Arbeit kontinuierlich und nicht erst auf den letzten Drücker machen. Auch hier würde es helfen, wenn das Vorgehen als Fachschaftsentscheidung verkauft werden könnte und nicht als Einzelprojekt.

krabappel
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Re: verpflichtende Zusatzaufgaben - zulässig?

Beitrag von krabappel »

Vorher thematisieren fände ich auch sinnvoll. Wenn ichs richtig verstehe, ist ein E-Kurs etwas für die Fitteren, die auf einen Abschluss hinarbeiten. Dann kann man davon ausgehen, dass die Eltern halbwegs interessiert sind?
Kannst es ja so erläutern, wie hier: wir müssen etwas Neues probieren, ansonsten schaffen die Kids ihren Abschluss nicht.

Was ich mich noch frage: wird in den Abschlussprüfungen denn so sehr auf den Zeiten rumgeritten? ich erinnere mich v.a. ans Texteverstehen und sich-ausdrücken-können, dafür braucht man vor allem Vokabeln.
Und wenn ja, bringt mehr Überei wirklich den gewünschten Effekt? oder könnte es helfen, sich eine Zeit lang mit anderen Themen auseinanderzusetzen, Stichwort "Ähnlichkeitshemmung". Kann mir vorstellen, dass es eben gerade verwirrt, wenn man ständig parallel isoliert die Zeitformen paukt.

MaryPoppins
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Re: verpflichtende Zusatzaufgaben - zulässig?

Beitrag von MaryPoppins »

Ich habe heute mit der Abteilungsleitung gesprochen und sie stehen hinter meiner Idee. Anrufe entrüsteter Eltern werden an mich weitergeleitet.
Ich habe aber vor direkt vorsorglich einen Elternbrief rauszuschicken, in dem ich den Ablauf dieser Aufgaben erkläre (sodass sie zumindest wissen, dass das Langzeitaufgaben sind).

Für das Schreiben von Texten sind die Zeiten schon nicht unwichtig.
Ich verlange nicht, dass sie das Past Perfect Progressive oder das Futur 2 in allen Feinheiten anwenden können. Das braucht man wirklich äußerst selten, zum Verfassen von Texten.

Aber die grundlegenden Zeitformen simple present, present perfect, past perfect und simple past, sowie verschiedene Möglichkeiten auf die Zukunft zu verweisen, sollten sie schon haben, weil man diese Zeiten je nach Textsorte, die sie produzieren müssen, auf jeden Fall brauchen.

Von stumpfen Einsetz-Übungen halte ich auch nichts. Das können sie im Zweifelsfall auch.
Aber damit ist es ja nicht getan.
Erkennen in welcher Zeit ein Satz steht, ist z.B. schon schwieriger. Das kriegen die meisten Schüler bei Hauptsätzen noch hin. Aber dass "The speech is given by Mr. Kingsley" einfach nur eine Passivform des simple present und keine eigene Zeit ist, schaffen von meinen 32 Schülern vermutlich keine 5.
Oder wenn man einen Satz mit einem Gerundium indirekt wiedergeben will nichts an der Gerundiumsform ändert, obwohl es ein Verb ist, ist schwierig, wenn man sich freut, dass man überhaupt ein Verb gefunden hat.
Gleiches gilt für Infintitivkonstruktionen in Sätzen. Die werden von meinen Schülern in den seltensten Fällen als solche erkannt. Bei der Umformung in indirekte Rede werden sie dann wie finite Verben behandelt und in eine andere Zeit gesetzt.
Sowas zu lernen halte ich durchaus sinnvoll, wenn es darum geht Texte zu schreiben, in denen man Fremdaussagen vergleichen oder wiedergeben möchte.

Gerade die indirekte Rede ist meiner Meinung nach in den zentralen Prüfungen immer wieder wichtig, wenn man in der letzten Teilaufgabe des Schreibteils einen comment schreiben soll. Und da muss man im Zweifelsfall jede Zeit können, um die indirekte Rede anwenden zu können.

Sie bestehen die ZAP auch mit grottigen Grammatikkenntnissen. So viele Punkte gibt es für die sprachliche Gestaltung nicht. Aber mein Anspruch an einen E-Kurs, in dem potentielle Oberstufenschüler sitzen, ist schon, dass sie halbwegs sprachlich richtige Texte verfassen können.

sabbel
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Re: verpflichtende Zusatzaufgaben - zulässig?

Beitrag von sabbel »

Ich antworte jetzt mal als Mutter und nicht als Lehrerin:
Ich würde alles andere tun als Dich entsetzt anzurufen. Aus Muttersicht finde ich Dein Vorhaben total gut, denn ich finde es jetzt schon blöd (mein Sohn ist in der 6.Klasse, Gymnasium), dass es so schnell geht mit den einzelnen Grammatikthemen und er wirklich Schwierigkeiten hat (und er ist nun wirklich nicht blöd) dies alles zu verstehen. Ich bin aber nicht immer in der Lage (ich selbst bin Sonderpädagogin) die geeigneten Zusatzübungen für ihn zu finden.

Also "Daumen hoch"!

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