Kunst im Chaos. Hilfe!

Was tue ich, wenn ....?
Kleinfinchen
Beiträge: 5
Registriert: 14.05.2014, 15:05:24

Kunst im Chaos. Hilfe!

Beitrag von Kleinfinchen »

Hallo meine LIeben,
brauche unbedingt mal einen Rat oder Tipp.
Bin noch Student und hatte gestern im Praktikum meine erste Kunstdoppelstunde in einer Realschule, 8.Klasse mit 30+ Schülern, alle mit Migrationshintergrund und 2/3 Jungs. Die Jungs zeigen etwas "respektloses" Verhalten, nicht alle, aber die große Mehrheit. Es sind zwar keine großartigen Dinge vorgefallen, aber die Klasse ist sehr unruhig, da der Unterricht vor allem durch die Jungs dauernd gestört wird, dazwischengespochen, Arbeit verweigert, Unlust geäußert bei Einzelarbeit, mit Nachbarn am quatschen, gegenseitiges Ärgern usw.
Nun war das meine erste Stunde, und ich musste gleich zu Beginn einige Schüler immer wieder ermahnen. Da ich keine Namen kannte, gestaltete sich das als schwierig, außerdem den Überblick zu behalten, da es keinen "Einzeltäter" gab. Vor die Tür setzen daher auch schwierig....
Nachdem ich Ruhe in die Klasse bekam und nach kurzer Zeit wieder gestört wurde, da ich etwas aufbauen musste und meinen Blick von der Klasse abwendete, schritt schon die Lehrerin ein (peinlich für mich), verwies einen Schüler an einen anderen Platz und meinte sie haben jetzt einen Klassenbucheintrag. Schien diese Schüler aber nicht sonderlich zu beeindrucken....
Die praktische Arbeit beinhaltete dann abstrakte vorgezeichnete Teile aus DIN A3 Blättern auszuschneiden, anzumalen und zu einer Landschaft zusammenzulegen, bzw. auf ein weiteres Blatt zu kleben. Bei der Schneidearbeit waren fast alle gut dabei, es wurde sogar zwischenzeitlich sehr ruhig, die meisten verzichteten in die 5min. Pause zu gehen. Beim Anmalen wurde der Lärmpegel dann immer lauter, Arbeitsanweisung gab ich nochmal durch um MIssverständnisse vorzubeugen, aber entweder nahmen es Schüler sehr genau..vor allem die Mädchen und brauchten daher lange, oder sie hatten schlichtweg keine Lust!! Die Schüler, die sich verweigerten, sprach ich direkt an, daraufhin wurde zwar etwas gemacht, aber in Zeitlupe. Gegen Ende der Stunde zeichnete sich also ab, dass der Großteil der Klasse mit der Arbeit nicht fertig wird.
Die Lehrerin meinte, das ginge so nicht und ich solle noch mehr Druck machen, selbst nachdem ich schon zweimal gegen Ende durch die Klasse "brüllte" dass sie sich ins Zeug legen sollen und eine genaue Zeitansage machte..einzelne zum Fertigen machen aufforderte usw.
Es war aber zeitlich nicht mehr oder nur schwer machbar, was natürlich auch an der vorangegangenen Undiszipliniertheit lag.
Das Druck machen kam wohl zu spät und ich hatte das Gefühl ich wurde nicht wirklich ernst genommen, auch zuvor schon. Viele wurden dann zwar noch fertig, bei anderen war allerdings die Farbe noch nicht trocken, so dass sie (meiner Meinung) nach nicht kleben konnten, was auch in 2 MIn. wohl mehr schlecht als recht geworden wäre. Ich meinte also zu den einzelnen sie können ihre unfertige Arbeit zum Trocknen hinlegen, sollen aber dann in der nächsten Stunde weitermachen. Anscheinend kam das wohl gar nicht gut, da inkonsequent? und gleichzeitig sollte ich aber zum Aufräumen auffordern, die Bilder noch besprechen und nicht überziehen. Aber wie geht das?!?! Vor allem in Kunst weiß ich damit nicht so recht umgehen!? Auch wenn es mal etwas unruhiger wird (in er praktischen Phase meiner Meinung nach ja auch in Ordnung). Wie verschaffe ich mir wieder Gehör ohne rumschreien zu müssen um auf das Ende der Stunde zu verweisen?
Ich hab mich dadurch selbst ziemlich unter Druck gefühlt und hinzu kam dass die Schüler alle am aufräumen waren kurz vorm Klingeln. Aber eine Besprechung und einen Abschluss zu haben war mir wichtig. Die fertigen Arbeiten hingen bereits an der Wand. Also forderte ich "über den Lärmpegel" hinweg die Schüler auf, alles stehen und liegen zu lassen um die Bilder zu besprechen. Da nicht alle gleich reagierten, sprach ich die fehlenden Schüler auch persönlich an, die lieber weiter aufräumen wollten. Ich wurde wieder ignoriert!! Also ignorierte ich den Gong und ließ die Schüler, die bereits um mich standen auch nicht in die Pause gehen, sondern wartete ab. Tatsächlich war es dann auch so, dass die fehlenden Schüler von den anderen herbeigerufen wurden... und es auch nochmal richtig still wurde. Ich habe dann kurzes Feedback gegeben und auch meinen Unmut zur Arbeitshaltung einiger (allgemein) geäußert.
Jedenfalls merkte ich, wenn die Lehrerin zur Unterstützung in die Klasse rief, was leider am Ende beim Aufräumen, Malen so war, wurde größtenteils reagiert, meine Ansagen dagegen zurvor größtenteils ignoriert, oder erst nach einer Wiederholung darauf eingegangen. Obwohl ich genauso laut wurde...
Das Problem ist vielleicht auch, dass mir das auch gar nicht liegt, bin eher der ruhige Typ, und das dann irgendwie nicht authentisch rüberkommt?
Inhaltlich war die Std wohl gut vorbereitet, aber einzelne Schüler tanzten mir auf der Nase herum und am Ende war ziemliches Chaos!! Jetzt frage ich mich ob das nicht an meiner Persönlichkeit liegt und ich nicht gänzlich für diesen Beruf ungeeignet bin. Mir wurde auch gesagt dass man meine Unsicherheit gegen Ende doch angemerkt hat (hatte allerdings keine Schweissausbrüche, Angst oder dergleichen, fühlte mich aber etwas hilflos). Ich habe, zum Teil körperlich bedingt, eine schlechte Körperhaltung..hängende Schultern etc. und wirke wohl wenig bestimmend. Ich glaube ich habe null Durchsetzungskraft wenn ich das so sehe. :( Bin jetzt total deprimiert und weiß nicht wie ich dieses Problem überhaupt in den Griff bekommen soll. Ich befürchte diese Disziplinschwierigkeiten sind für mich ein riesen Problem. Srry für den Roman, wusste nicht wie ich das kürzen soll...

Fränzy
Moderator
Beiträge: 6797
Registriert: 20.11.2005, 16:17:06
Wohnort: BW, Berufsbildende Schule (VAB, BEJ, BF)

Re: Kunst im Chaos. Hilfe!

Beitrag von Fränzy »

Hallo,

zuerst einmal, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Es war deine ERSTE Stunde überhaupt, richtig? Dann noch dazu in einer sehr großen Klasse. Lass mich raten - Stufe 7-10?

Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen Deinen ersten Gehversuch (und das ist es ja) in einer kleineren Klasse, mit einer Teilklasse oder meinetwegen nur einen Teil der Stunde zu machen.

Wo Konflikte beginnen, welche Schüler warum und wann unruhig werden und zu stören beginnen, das erkennen auch alte Hasen nicht immer. Kann man nicht. Was man lernen kann (und ja, das kann man) ist seine Stunden so zu planen, dass STörungen minimiert werden (z.B. durch eindeutige Regeln, Rituale, klare Ziele, klare Arbeitsaufträge, Beziehungsarbeit) und man lernt mit der Zeit auch, wie man eingreifen kann, wenn es dann doch passiert.

Dass die Lehrerin sich in ihrer eigenen KLasse besser durchsetzen kann, ist doch klar. ZUm Glück ist das so. Die Schüler kennen sie einfach, akzeptieren sie als Autorität, sie kennt die Klasse, weiß wie sie reagieren und wie man sie ansprechen muss. sie verbringen mehr Zeit miteinander, kennen sich länger. Kurz: Sie haben eine Beziehung und Lernen und auch Gehorsam hat viel mit Beziehung zu tun und sie gibt auch Noten. Du bist nur ein Student.

Lass dich nicht entmutigen.

Grüße

Franzi
שָׁלוֹם

france
Beiträge: 90
Registriert: 01.03.2010, 18:05:58
Wohnort: Sachsen/Frz, Eth

Re: Kunst im Chaos. Hilfe!

Beitrag von france »

Also, mein erster Gedanke war: cool down, du machst ein Praktikum. Die sind dafür da, um dich überhaupt erstmal ein bisschen in die praktische Arbeit an der Schule einzuführen und bestimmt nicht, um perfekt zu sein ;)
Natürlich ist es gut, wenn du dir Gedanken machst, wie du es das nächste Mal besser machst, auch dafür ist das Praktikum ja da - ich meine nur, große Selbstzweifel à la ob du überhaupt ne Lehrerpersönlichkeit hast, sind an der Stelle gar nicht relevant, du lernst noch!

Da ich es bei einem Praktikum schwer finde, sich "einzuarbeiten", nur mal ein paar Überlegungen, die vielleicht im Praktikum aber schwer umzusetzen sind:
-wie wäre es mit akustischen Signalen, um Anfang und Ende einer Arbeitsphase (v.a. einer praktischen Arbeit wie in deinem Fall) zu signalisieren? Kommt besser als rumschreien müssen. -wenn du dir sicher bist, dass die praktische Arbeit in der Zeit zu schaffen gewesen wäre, dann lass diejenigen, die rumtrödeln, doch nachmittags antreten (bzw. sollte das vielleicht deine Mentorin mit durchsetzen, aber die Forderung sollte von dir kommen)
-diejenigen, die ordentlich gearbeitet haben und entsprechend fertig geworden sind, sollte man vielleicht belohnen? Aber wenn das bei deiner Mentorin nicht üblich ist, geht das natürlich schlecht.
-klare Regeln ansagen, wer sich nicht dran hält (zB nach zwei oder dreimal Ermahnen), legt die praktische Arbeit weg und darf nen schnöden Text oder so abschreiben (über die Theorie halt).
Die praktische Arbeit wird dann natürlich nachmittags nachgeholt.

krabappel
Beiträge: 2329
Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Kunst im Chaos. Hilfe!

Beitrag von krabappel »

Hey, ruhig Blut, alles ist ganz normal verlaufen : - )

Stimme den anderen beiden zu, das ist reine Übungssache und dass der Klassenlehrer eingreift und sich besser durchsetzen kann ist selbstverständlich.

Lass dir als erstes von der Lehrerin einen Sitzplan geben oder von einer "braven Schülerin" einen erstellen. Stell dich auf beide Füße, versuche jeden zu sehen und lege mit dem Erklären erst los, wenn alle nach vorne schauen und die Klappe halten. "Max, Füße unter den Tisch" "Tom, der Mund ist jetzt zu".
Keine Panik, wenn du den Stoff nicht schaffst. Überlege dir, wenn du Zeit hast, was passieren soll, wenn einige nicht fertig sind oder andere besonders schnell arbeiten. Sage Ihnen das vorher.

Am wichtigsten ist, dass dich jeder einzelne sieht und wahrnimmt. Was du schon versucht hast, ist richtig: wenn du merkst, dass dich keiner mehr wahrnimmt und du irgendwas vergessen hast, zu erklären, lass sie alle nochmal hinsetzen, alles hinlegen, nach vorne schauen usw. erst wenn dir alle zuhören bringt deine Ansage etwas. Das kostet erstmal Zeit, die aber wesentlich wichtiger ist, als das pünktliche Bastelende.

krabappel
Beiträge: 2329
Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Kunst im Chaos. Hilfe!

Beitrag von krabappel »

Als Erinnerung: Im Klassenzimmer bist du nicht "Kleinfinchen" sondern Lehrerin und Expertin für Bildende Künste.

Kleinfinchen
Beiträge: 5
Registriert: 14.05.2014, 15:05:24

Re: Kunst im Chaos. Hilfe!

Beitrag von Kleinfinchen »

Huhu zusammen, vielen Dank für euer Feedback und eure aufbauenden Worte!
Es war leider nicht mein erster Unterricht, ich hatte schon vor dem Studium etwas Praxiserfahrung auf eigene Faust gesammelt, dann im Studium ein Einführungspraktikum (1xpro Woche ein Semester lang) und ein 3-wöchiges Blockpraktikum gehabt. Allerdings waren das eher Schulen aufm Land ;) Jetzt habe ich gerade ein Tagespraktikum.
Ich glaube das war es auch, was mich jetzt so frustriert hat. Denn bereits im Blockpraktikum hatte ich in einer Kunststunde Teile des Unterrichts so gemacht wie vorgestern, aber halt mit besserem Ausgang! ;P Jedenfalls hatte die Lehrerin damals nicht soo viel zu bemängeln, aber dort auch wieder den Punkt "Disziplin", wobei die Klasse damals eine viel ruhigere war.
Das ist bereits mein Zweitstudium und ich bin nicht mehr die jüngste, vielleicht mache ich mir deswegen auch so den Kopf, weil ich denke alleine was mein Alter angeht müsste ich mich besser durchsetzen können und ich kanns mir eigentlich auch nicht leisten nochmal zu studieren und am Ende zu merken, das isses nicht.
Und ich bin wirklich von der Art her sehr ruhig. Manche Lehrer meinten das muss nicht unbedingt schlecht sein, und anscheinend hat es auf manche Schüler eine positive Wirkung, aber ich bin auch schnell verunsichert, was natürlich nicht so toll ist. Wobei das auch immer Tagesform abhängig ist. Nunja, ich zeifle also selbst ob ich nicht zu labil bin, und einfach nicht streng sein kann, man mir die Unsicherheit anssieht usw. Das ist natürlich schon doof. Und wenn das im Referendariat auch so ist?! Wobei ich auch denke, dass man mit einer fremden Klasse auch nicht so umgehen kann wie mit einer eigenen, wo die Namen, Klassen- und Schulregeln klar sind. Trotzdem bin ich da nicht wirklich selbstbewusst, ich hab schon mitbekommen dass andere einfach ihre eigenen Regeln dann aufstellen und richtig durchgreifen können, nach dem Motto "lieber mal zu streng.." und ich hab immer eher die Befürchtung ich mach was falsch und mach dann nichts ...so in der Art etwa.
Natürlich machts mir auch Spaß..sonst würd ich mir das nicht noch antun ;)

PS: Wollen jetzt dann wirklich einen Sitzplan erstellen! Das ist bestimmt net verkehrt.

france
Beiträge: 90
Registriert: 01.03.2010, 18:05:58
Wohnort: Sachsen/Frz, Eth

Re: Kunst im Chaos. Hilfe!

Beitrag von france »

Ein eher ruhiger Typ sein und die Klasse im Griff haben, muss doch kein Widerspruch sein, eigentlich hat beides doch nicht soviel miteinander zu tun. Das mit dem Selbstbewusstsein wohl eher ;)
Obwohl ich am Ende des Refs bin, kämpfe ich auch noch an der Disziplinfront und lerne da auch momentan noch sehr viel. Was mir total hilft: WENN ich klare Regeln aufstelle und einhalte, dann läufts auch. Das ermutigt mich echt sehr, zu wissen: ich KANN das ja und ich habe etwas in der Hand! Es sind nicht die ach-so-verquatschten Schüler allein, auch ich habe da meinen Anteil.
Würde ich das Ref jetzt nochmal anfangen (Gott bewahre^^), dann würde ich da von Anfang an konsequenter sein.
Ruhig sein - wie gesagt, kein Problem. Sei freundlich und gehe in jede Stunde mit erhobenen Haupt und am besten mit einem Lächeln rein. Verurteile nicht die Schüler, sondern lediglich manche Verhaltensweisen an ihnen. Aber genau das musst du eben dann auch durchdrücken!
Ich glaube, sowas nennt man dann Professionalität (und genau die erarbeite auch ich mir noch, selbst am Ende des Refs...vielleicht fängt man sogar da erst an, wenn man nicht mehr den Seminarleuten alles Recht machen muss)

Antworten