Welche Sanktion/Konsequenz angemessen?

Was tue ich, wenn ....?
krabappel
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Re: Welche Sanktion/Konsequenz angemessen?

Beitrag von krabappel »

Lenka hat geschrieben: Darf ich den Schüler - rechtlich gesehen - überhaupt dazu verdonnern, nach der Stunde noch mit mir zu sprechen?
:shock: Na aber hallo, wer soll dir denn das verbieten?

Nur so als Eindruck von außen: dass der Junge massiv auffällig ist, ist nicht nur dein persönliches Empfinden. Das Kind verhält sich nicht nur störend, grenzüberschreitend und nervt dich und die anderen Kinder sondern behindert sich selbst massiv. Du kannst sicher sein, dass die Grundschule 4 Jahre lang mit ihm und seiner Familie gekämpft hat.

Neben Nachsitzen etc. (irgendwann muss er ja mal den Stoff aufholen...) sind Elterngespräche deswegen sinnvoll, weil das Kind zu Hause die Probleme hat. Weißt du etwas über die Familie? Eltern getrennt? Besuche beim Psychologen erfolgt? bereits über Medikation gesprochen? Gewalt? Missbrauch? Das Verhalten lässt sich sicherlich nicht nur auf Inkonsequenz zurückführen. Auch wenn du zunächst nicht mehr weißt und ggf. als Fachlehrer auch nichts erfahren wirst, hilft es, zu wissen, dass das Kind nicht nur ein Problem mit dir hat sondern deutlich in seiner Entwicklung gefährdet ist.

Erzähle den Eltern zunächst was Nettes über das Kind, was du an ihm magst und was es gut kann. Schildere dann die Sorgen, die du dir machst und frag sie, was bisher gut funktioniert hat (zu Hause, bei Konflikten, wie Hausaufgabenanfertigung, in der Grundschule etc.). Höre ihnen zu und lass sie nicht eher gehen, als bis klar ist, wie ihr gemeinsam daran arbeiten wollt, dass er angemessen lernen kann.

Wie sind denn die Noten? wenn er versetzungsgefährdet ist, kannst du dich informieren, wie das in eurem Bundesland gehandhabt wird. Wenn du den Eltern z.B. sagst, dass er das Schuljahr vermutlich wiederholen muss, seine Auffälligkeiten schlimmer werden und dann die Überprüfung auf Förderschulempfehlung laufen wird, sehen sie spätestens dann, dass sie handeln müssen. Mögliche Angriffe à la "erst seit er an dieser Schule ist..." "nur bei Ihnen im Unterricht"... ruhig aufnehmen und rückfragen, wie die Eltern das meinen. Oder ob sie beispielsweise eine Schweigepflichtentbindung für die Grundschule ausstellen würden, damit du dich mit der ehemaligen Klassenlehrerin absprechen kannst.

Grundhaltung: ich will ihrem Kind nichts Böses und auch wenn Sie hier dicht machen, wird das Kind Probleme haben, nicht ich. Und das ist schade.

Lenka
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Re: Welche Sanktion/Konsequenz angemessen?

Beitrag von Lenka »

Danke nochmal für eure Rückmeldungen - mein PC hat den Geist aufgegeben und ich musste erstmal Ersatz organisieren, daher die späte Antwort.

Ich habe in der vergangenen Woche ein wenig zielführendes Gespräch mit der Mutter geführt, die das Problem nicht wirklich nachvollziehen konnte und auf meine mangelnde Fähigkeit verwies, ihren Sohn zur Ruhe zu bringen. Sie könne da nichts zu sagen und nicht behilflich sein, zu Hause würde er ja auch kaum hören. Öhm ja. Ich habe diesen Widerspruch mal so zur Kenntnis genommen, mir meinen Teil gedacht und versuche nun, das Beste aus der Situation zu machen. Wir haben gemeinsam Umgangsregeln miteinander vereinbart und bisher funktioniert das erstaunlicherweise halbwegs gut. Der Schüler hat außerdem einen Termin zur Nacharbeit erhalten, bei der Ankündigung zwar noch einen Wutanfall inkl. Federmappenschmeißen bekommen, ist aber tatsächlich erschienen und hat gearbeitet. Damit ist die Sache für mich jetzt erstmal erledigt. Er ist im Unterricht immer noch massiv auffällig und nervtötend, weil er einfach die Schnüss nicht halten kann und permanent laut vor sich hin spricht, aber es gab zumindest keine Respektlosigkeiten mehr und das ist ja schonmal was :)

Für den Unterrichtsraum habe ich inzwischen einen zusätzlichen Tisch organisiert bekommen und nun auch endlich die Möglichkeit, störende Schüler abseits zu "parken". Vielen vielen Dank nochmal für den Tipp, das erscheint mir nach den ersten Tagen doch sehr sinnvoll, um Problemsituationen schnell und relativ unkompliziert zu "entzerren".


@krabappel
Über die familiären Hintergründe weiß ich nichts, außer dass die Eltern selbst anscheinend auch "auffällig" sind. Es bestehen Fehden mit den Eltern zweier anderer Mitschüler, die bis zum gegenseitigen Zerstechen von Autorreifen und solchen Scherzchen gehen. Wenn sowas zu Hause vorgelebt wird... naja, was soll man dazu sagen, die Verhältnisse könnten sicher kultivierter sein.. ;)

@Fränzy
Das freut mich für dich, dass du an der für dich passenden Stelle gelandet bist - auch wenn du das vielleicht vorher selbst nicht erwartet hättest.

@Illi-Noize
An die härtere Notengebung muss ich mich irgendwie noch gewöhnen, das war an meiner Refschule ein no go in Klasse 5. Du hast aber absolut Recht - wer mangels Teilnahme am Unterrichtsgeschehen nichts weiß, kann auch ruhig offen zurückgemeldet bekommen, dass die Leistung für die Stunde sich aktuell im 6er Bereich bewegt. Ich werde da definitiv deutlicher werden.

Fränzy
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Re: Welche Sanktion/Konsequenz angemessen?

Beitrag von Fränzy »

Das klingt doch sehr gut :)

Es wäre evtl. sinnvoll dem Schüler bald zurückzumelden, wo er sich schon verbessert hat (und wenn es nur Winzschritte sind).

Ja, ich bin an der richtigen Schule. Ich wollte auch ganz gezielt dorthin, aber zu Beginn des Refs hätte ich mir im Leben nicht gedacht, dass ich das später einmal möchte und auch kann. Will heißen, das Repertoire eines jeden steigt mit der Erfahrung.
שָׁלוֹם

Lenka
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Re: Welche Sanktion/Konsequenz angemessen?

Beitrag von Lenka »

Oh ja, Rückmeldung bekommt er definitiv! Er hat einen Selbstbeobachtungsbogen bekommen und wir sprechen nach jeder Stunde ganz kurz darüber. Ich melde dann natürlich auch zurück, was ich toll fand. Ob das alles auf Dauer der richtige Ansatz ist, weiß ich nicht, aber die 5 Stunden in dieser Woche waren zumindest ein deutlicher Fortschritt.

Dass Erfahrung eine Rolle spielt, glaube ich auch! Und vielleicht muss man auch sein Selbstverständnis umdefinieren. Ich hab mich immer vor allem als Wissensvermittler gesehen, nicht als Erzieher oder Pädagoge. Und ehrlich gesagt widerstrebt es mir immer noch sehr, davon abzurücken. Ich würde am liebsten wirklich einfach nur Fachwissen weitergeben und alles andere von mir weisen. Das ist aber natürlich praxisfremd und die Realität sieht in der Schule ganz anders aus. So langsam dämmert mir das auch und ich fange an, mich zu arrangieren und meine Einstellung (und damit auch mein Handeln) zu ändern.

krabappel
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Re: Welche Sanktion/Konsequenz angemessen?

Beitrag von krabappel »

Lenka hat geschrieben: die 5 Stunden in dieser Woche waren zumindest ein deutlicher Fortschritt.
Wow, herzlichen Glückwunsch! *weiter Daumen drück*

krabappel
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Re: Welche Sanktion/Konsequenz angemessen?

Beitrag von krabappel »

Wie läufts denn inzwischen bei dir? Hatte selbst einen Nervtag und brauche Erfolgsmeldungen, um nicht aufzugeben :mrgreen:

Drops
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Re: Welche Sanktion/Konsequenz angemessen?

Beitrag von Drops »

Ich schließe mich an, Krabappel. Heute war definitiv nicht der Tag der richtigen Berufswahl... :cry:

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