In der Masse sind Schüler stark

Was tue ich, wenn ....?
Char
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Re: In der Masse sind Schüler stark

Beitrag von Char »

Vielen Dank für eure Tipps zum Arbeitstempo, ich fürchte nur, das mache ich schon,
sie nehmen aber nichts an, obwohl jetzt schulintern Maßnahmen abgestimmt sind,
is das Halbjahr bald rum und es ist noch wenig umgesetzt worden vom Stoff her auch.
Methoden (GA, Spiele, Songs) kaum ausprobierbar, in der Fremdsprache ein Verhängnis.
Wie kann ich am besten in dem Unterrichtsentwurf die Situation, auch das
schlechte Vorankommen im Stoff begründen?
Wie lege ich die Situation der lernschwachen Klasse mit Disziplinproblemen dar?
Jemand Erfahrungen dazu?

Vielen Dank, ihr seid super! :P

krabappel
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Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: In der Masse sind Schüler stark

Beitrag von krabappel »

Thisbe hat geschrieben:@kecks: Finde ich super, was du geschrieben hast!
ich auch : - )
Char hat geschrieben: Wie lege ich die Situation der lernschwachen Klasse mit Disziplinproblemen dar?
Ich würde den Lernstand (auch den sozialen) möglichst objektiv und differenziert beschreiben, so dass kein Zweifel aufkommt, ob du nicht vielleicht doch selbst verantwortlich dafür bist. Das Ganze darf nicht wie eine Rechtfertigung klingen sondern dein Unterrichtsaufbau ist ein logischer Schluss aus dem, was du da vorfindest.

Etwa in die Richtung: "Max, Paul und Kevin können etwa 6 min. konzentriert einem Unterrichtsgespräch folgen. Nach dieser Zeitspanne folgt eine Textarbeit..." "Sophie und Melanie bearbeiten die Aufgabe in Partnerarbeit, da sie bereits die (neben der Tafel visualisierten) Regeln zur Partnerarbeit anwenden können." "Hans und Grete werden vertiefend... da sie die Vokabeln bereits beherrschen." "Im gezeigten Unterricht werden bei Disziplinproblemen folgende in der Klassenkonferenz abgesprochene Maßnahmen durchgesetzt werden..."

So würde ich das zumindest machen. Dann ist klar, dass du einen unkontrolllierbaren Haufen hast, die Kinder aber gut im Blick behältst und dich nicht beschwerst, dass mit denen ja leider nicht mehr zu machen war.

Sokrates2011
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Re: In der Masse sind Schüler stark

Beitrag von Sokrates2011 »

Char hat geschrieben: Wie lege ich die Situation der lernschwachen Klasse mit Disziplinproblemen dar?
genau so, wie Du es beschreibst: "es ist eine lernschwache Klasse mit vielen disziplinarischen Problemen, z.B. [...]

Ich hatte auch mal sinngemäß in einem Entwurf stehen, dass eine erziehungsschwierige Schülerin nicht am Unterricht teilnimmt und im Trainingsraum gesonderte Aufgaben bearbeitet.

Grundsätzlich weiß ich auch keinen richtig guten Rat.

Ich erinnere mich dunkel an einen Ratgeber von einem Lehrer, der fast ausschließlich mit solchen Schülern arbeitet. Eins seiner Rezepte war glaube ich: Zu Beginn der Stunde liegen auf allen Plätzen Aufgaben mit Einzelarbeit; nur wer ruhig ist, darf überhaupt in den Klassenraum rein und wer stört, fliegt sofort wieder raus, evtl. auch in ganzen Gruppen. Am Ende wird das Ergebnis bewertet. Der Gedanke wäre also: Die Störer fahren sich automatisch auf der Sechs fest und stören die anderen nicht mehr beim Lernen.

Ich hab damals lange über diesen Rat nachgedacht (habe sowas aber noch nie selbst umgesetzt). Zumindest juristisch ließe sich vermutlich ziemlich viel gegen dieses Vorgehen einwenden, z.B. Aufsichtspflicht (zumindest Trainingsraum wäre nötig). Die Frage ist aber, welche realistischen Alternativen man hat. Im Nachhinein finde ich die Idee nicht ganz so doof, zumal sie sich immer noch mit Nacharbeit etc. kombinieren lässt.

Was denkt Ihr darüber?

Fränzy
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Re: In der Masse sind Schüler stark

Beitrag von Fränzy »

Wir arbeiten auch hauptsächlich mit solchen Schülern und ich finde den Rat entsetzlich.

Wir arbeiten mit Ritualkarten, wir machen 2 Wochen nur Sozialtraining und im Bedarf auch sonst immer wieder. Wir machen ständig erlebnispädagogische Aktionen. Wir arbeiten mit Freiarbeitsmaterial, das extra auf unsere Schule zugeschnitten ist. Wir arbeiten mit Paravents, wenn Schüler stören. Wir haben einen abgetrennten Auszeitraum in jedem Klassenzimmer, der Schüler ist nicht mehr sichtbar, hört aber noch zu. Wir sprechen klare Ansagen aus, in fairem Ton und sind dabei transparent. Wir haben regelmäßig Elterngespräche und machen Hausbesuche.
Wir haben Selbstbeobachtungsbögen.
Wir setzen uns einmal wöchentlich zur Teamsitzung zusammen und besprechen dort auch Schwierigkeiten mit bestimmten Schülern. Zur Not vermitteln wir in "Praktikum statt Schule" freiwillig oder im Rahmen von §90.

Wir arbeiten eng zusammen mit anderen Einrichtung, Jugendamt, psy. Beratungsstelle, Polizei, Jocenter usw.

Letztlich wirken wir aber alle vor allem als Personen, mit unseren Ecken und Kanten, mit Humor, Sponatität und geben den Schülern das Gefühl, dass wir sie wichtig nehmen.
שָׁלוֹם

Sokrates2011
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Re: In der Masse sind Schüler stark

Beitrag von Sokrates2011 »

Fränzy, ich stimme Dir 100% darin zu, dass es schöner ist, wenn es auch anders geht. Ich frage mich nur:
Fränzy hat geschrieben: Wir arbeiten mit Paravents, wenn Schüler stören. Wir haben einen abgetrennten Auszeitraum in jedem Klassenzimmer, der Schüler ist nicht mehr sichtbar, hört aber noch zu. Wir sprechen klare Ansagen aus, in fairem Ton und sind dabei transparent.
diese Vorgehensweisen gehen immer vom "störenden Schüler" aus, d.h. vom Einzelfall innerhalb einer Klasse, die "eigentlich" funktioniert. Was macht man nun in Klassen, die schlechthin nicht funktionieren? 20 Leute in den Auszeitraum?
Fränzy hat geschrieben:Wir haben regelmäßig Elterngespräche und machen Hausbesuche.
Wir haben Selbstbeobachtungsbögen.
Wir setzen uns einmal wöchentlich zur Teamsitzung zusammen und besprechen dort auch Schwierigkeiten mit bestimmten Schülern. Zur Not vermitteln wir in "Praktikum statt Schule" freiwillig oder im Rahmen von §90.
Kriegen diese Unterstützung auch Referendare, und zwar schnell und unkompliziert? An meiner Ausbildungsschule gab es viele dieser Konzepte auch, aber im Unterricht war der einzelne Referendar in solchen Lerngruppen dann wieder komplett sich selbst überlassen.
Fränzy hat geschrieben: Letztlich wirken wir aber alle vor allem als Personen, mit unseren Ecken und Kanten, mit Humor, Sponatität und geben den Schülern das Gefühl, dass wir sie wichtig nehmen.
Hilft es einem überforderten Junglehrer wirklich weiter, wenn die Klasse ihn null respektiert, er dann einfach mal humorvoll und spontan ist und den Schülern sagt, dass er sich wichtig nimmt? Dafür müssten sie diesen Satz zumindest akustisch wahrnehmen können.

Versteh mich bitte nicht falsch, ich finde Euer Konzept ganz toll. Meine Sorge ist nur, dass der Referendar / Junglehrer dann immer denkt "es liegt an mir, ich muss noch fairer / humaner / humorvoller / verständnisvoller ... werden" - und das natürlich in der Stresssituation nicht hinbekommt, abgesehen davon, dass es auch nicht besser wird.

Abgesehen davon braucht eine Schule auch erst mal die Ressourcen, um die Maßnahmen, die Du beschreibst, zu stemmen. Klar spart sie am falschen Ende, wenn sie das nicht tut - aber dem Referendar hilft dieses Wissen auch nicht weiter.

Fränzy
Moderator
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Re: In der Masse sind Schüler stark

Beitrag von Fränzy »

Refs bekommen diese Hilfe auch, klar. Refs sind bei uns sowieso vollwertige Kollegen und da würde auch niemand auf die Idee kommen, denen den Peter zuzuschieben, wenn eine Klasse schwierig wird.

Ich meine mit dem Wichtig nehmen ausdrücklich nicht, dass man das so direkt sagt. Die Schüler müssen es im Tun, in der Ansprache, in deinem "Sein" als Lehrer erfahren.

Wir haben auch einen Auszeitraum nach Arizona, wir haben allerdings in den hochproblematischen VAB Klassen hinten im selben Klassenraum den Auszeitbereich. Und da gehen locker 5 Leute hinein. Meist reicht es, wenn einer drin sitzt, und evtl. noch einer im Paravent (die Maßnahmen sind alle übrigens aus dem Bereich Päd. der Erziehungshilfe.

Unsere Klassen bestehen mehrheitlich aus Schulverweigerern, E- und L-Schülern - einfach Leuten, die eine wahnsinnige Belastung - oft familiärer Natur - mitbringen. Ich kann nur sagen, es funktioniert mit 80-90% der Schülern. Von 10-20 Schülern müssen wir uns trennen. Stichwort Probezeit bis in den November, flankiert mit vielen Gesprächen zum Stand, zur ENtwicklung und zur Verhaltensmodifikation. Die meisten bekommen sich, zumindest phasenweise in den Griff und fehlen z.B. nur noch 1 mal alle zwei Wochen.

Man braucht übrigens nicht soo viele Ressourcen dafür. Man braucht ein Team, das längere Zeit zusammenarbeiten darf und die gleichen Ziele hat und Partner im System. Und weil die ganze Stadt vor einem immensen Integrationsvorhaben stand, haben alle zusammengearbeitet. Hätten wir das nicht getan, dann wären wir untergegangen. Wir können heute mit Stolz sagen, dass die Kuh vom Eis ist, auch wenn es keine Insel der Glückseligkeit ist.

Die Einrichtung der Zimmer wurde bezahlt, auch eine Küche. Sport- und Spielgeräte haben wir über Drittmittel aktiviert und wir haben im Kollegium für unser Team geworben und Leute gewonnen, die auch mal nachmittags dann eine andere Sache anbieten, außer Unterricht. Und ja, das wird deputiert.

Referendare dürfen übrigens bei uns mitarbeiten, sie müssen es aber nicht.
שָׁלוֹם

steve63
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Re: In der Masse sind Schüler stark

Beitrag von steve63 »

Fränzy hat geschrieben:Wir arbeiten mit Paravents, wenn Schüler stören.
Wir haben einen abgetrennten Auszeitraum in jedem Klassenzimmer, der Schüler ist nicht mehr sichtbar, hört aber noch zu.
Das klingt interessant.
Kannst du das genauer beschreiben.
Wie schaut das im Klassenzimmer konkret aus?

Wie groß sind eure Zimmer und wie viele Schüler habt ihr in einer Klasse?

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