Liebesbrief an älteren Lehrer

Was tue ich, wenn ....?
Lysander
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Re: Liebesbrief an älteren Lehrer

Beitrag von Lysander »

MariaMagdalena hat geschrieben:dann müsste man doch eigentlich ausreichend abgesichert sein. und dann finde ich es schon wichtig, dass der lehrer mit dem mädchen spricht, damit sie einen schlusstrich ziehen kann. sie einfach zu ignorieren ist meiner meinung nach menschlich falsch und feige. für mich ist das so, als ob man sich aus der verantwortung stiehlt. und der lehrer weiß ja schließlich auch nicht, wie das mädchen reagieren wird, wenn er sie ignoriert.
Das ist die finale Bestätigung dafür, dass der Lehrer, ganz gleich wie er reagiert, schon im Vorfeld verloren hat.

Hier wird vom Lehrer verlangt, dem Mädchen zu ermöglichen, einen emotionalen Schlussstrich zu ziehen.
Hier wird verlangt, dass er sich der Verliebtheit des Mädchens stellt und so sein Verantwortungsbewusstsein zeigt.

Kurzum: Hier werden Erwartungen selbstverständlich formuliert, ohne deren Legitimation zu hinterfragen.

Ich halte einmal dagegen:

Gerade wenn ich als Lehrer ein gesundes Nähe-Distanz-Verhalten im Rahmen meiner Professionalität an den Tag lege, bin ich nicht für emotionale Wallungen eines Mädchens verantwortlich.
Das Mädchen weiß offensichtlich, dass ihr Verliebtsein keinen Erfolg haben kann, und dennoch schreibt es einen Brief. Dass dieser übrigens nicht ordinär verfasst ist, das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Ansonsten wäre dieser Brief mit Sicherheit bei der Schulleitung gelandet.

Als Lehrer kann ich im Falle einer direkten Erwiderung auf den Brief je nach emotioaler Disposition des Mädchens ebenso nur verlieren wie bei einem schlichten Ignorieren desselben. Letzteres kann ich im Sinne eines Konzentrierens auf das Kerngeschäft und die maßgebliche Beziehung zwischen dem Mädchen und dem Lehrer - nämlich ein normales, gesundes Schüler-Lehrer-Verhältnis - durchaus verstehen.

Der Lehrer bewegt sich hier in einem Minenfeld - ganz gleich, wohin er tritt, er kann dabei verlieren. Je nach Grad der (Ir)rationalität der Reaktion des Mädchens auf Ignoranz oder auf ein wie auch immer geartetes Gespräch kann das für den Lehrer sehr unangenehm werden.

Ich bin als Lehrer für vieles verantwortlich, aber ich bin nicht verantwortlich für Gefühlslagen eines Mädchens, die ich durch mein (unprofessionelles) Verhalten nicht unmittelbar provoziert oder evoziert habe.
Gruß
Lysander

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sabbel
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Re: Liebesbrief an älteren Lehrer

Beitrag von sabbel »

Danke Lysander, du hast die richtigen Worte gefunden.

Drops
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Re: Liebesbrief an älteren Lehrer

Beitrag von Drops »

Ich unterschreibe jedes Wort, Lysander.

Auch wenn es an den Haaren herbeigezogen ist (und nicht der Ausgangslage entspricht), aber dreht den Spieß doch mal um: 45-jähriger Lehrer schreibt 16-jährigem Mädchen einen "rationalen" Liebesbrief... Da stünden nicht nur Schulleiter, Eltern, Anwälte auf der Matte (zu Recht!), aber wenn es umgekehrt läuft, muss der Lehrer Professionalität zeigen, keine Ignoranz, pädagogisches Mitgefühl, Toleranz, etc.
Ein Minenfeld.
Wenn der Lehrer, an den der Brief der Threadsteller-Nichte nun ging, dieses Mädchen gut genug einschätzen kann, dann ignoriert er diesen Brief und bleibt distanziert-professionell.

MariaMagdalena
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Re: Liebesbrief an älteren Lehrer

Beitrag von MariaMagdalena »

Ich finde nicht, dass "ignorieren" pädagogisch professionelles handeln ist.

User65
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Re: Liebesbrief an älteren Lehrer

Beitrag von User65 »

Hier wird viel zu viel über die Befindlichkeit des Mädchens diskutiert. Es ist nicht die Aufgabe des Lehrers, in irgendeiner Form auf seine emotionalen Liebeswallungen einzugehen. Mir ist auch nicht ganz klar, weshalb es an dieser Schule eine Atmosphäre in der Schüler-Lehrer-Beziehung gibt, in der es von einer Schülerin überhaupt gewagt wird, einen Lehrer mit so einem Brief zu belästigen. Der Lehrer sollte das Geschmiere der Schulleitung zeigen, und diese sollte sich dann um die weiteren pädagogischen Maßnahmen kümmern und eventuell auch Kontakt mit den Eltern aufnehmen. Sollte eine überzogene irrationale Reaktion der Schülerin dazu führen, dass sie diese Schule nicht weiter besucht, ist das Problem auch gelöst. Je kleiner die Lerngruppe ist, desto besser lässt sich unterrichten.
MariaMagdalena hat geschrieben:und der lehrer weiß ja schließlich auch nicht, wie das mädchen reagieren wird, wenn er sie ignoriert.
Richtig! Und deshalb muss weiteren Belästigungen vorgebeugt werden.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

Lysander
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Re: Liebesbrief an älteren Lehrer

Beitrag von Lysander »

MariaMagdalena hat geschrieben:Ich finde nicht, dass "ignorieren" pädagogisch professionelles handeln ist.
Das wissen wir jetzt - und es wird durch gebetsmühlenartiges Wiederholen nicht überzeugender.

Letztlich ist diese Aussage das Totschlagargument für bzw. gegen jeden Lehrer. Jedes Lehrerverhalten, das mir selbst nicht genehm ist, wird als pädagogisch unprofessionell oder "unpädagogisch" gebrandmarkt. Damit wird der schwarze Peter des Rechtfertigungszwangs weitergereicht.

Wenn eine Schülerin die Grenze ihrer eigenen Professionalität (nämlich dasselbe gesunde Nähe-Distanz-Verhalten zum Lehrer) überschreitet, greifen "pädagogisch professionelle Mittel" nicht mehr. Sie hat dann das Feld, auf dem man mit diesen Mitteln erfolgreich arbeiten kann, selbst verlassen. Entsprechend wenig professionell wird sie dann mit der "Abfuhr" des Lehrers umgehen können, ganz gleich wie pädagogisch wertvoll diese auch erfolgt.

Das Mädchen hat sich verliebt - und jetzt soll sich der Lehrer dieser Tatsache verdammt noch mal stellen. Das ist Deine Kernforderung.

Damit erhält das Mädchen eine moralische Macht, der ich mich persönlich als Lehrer nicht aussetzen wollen würde. Ginge ich darauf in einem Gespräch, in welchem ich klarstelle, dass ich a) nichts von dem Mädchen will, b) nicht das Gesetz brechen werde und c) meine Familie liebe ein, würde ich ebenso das pädagogisch professionelle Feld verlassen. Ich müsste mich persönlich stärker exponieren als ich das im Normalfall vor Schülern täte.
Darauf hat die Schülerin aber keinen Anspruch. Und daher bin ich als Lehrer nicht dazu verpflichtet, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Gruß
Lysander

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sabbel
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Re: Liebesbrief an älteren Lehrer

Beitrag von sabbel »

Liebe MariaMagdalena,

dann erkläre uns doch bitte, wie Du als Lehrerin handelst, wenn ein Schüler Dir so einen Brief zukommen lässt.

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