Und in Zukunft?! suche Lösungskonzepte...

Was tue ich, wenn ....?
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krabappel
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Und in Zukunft?! suche Lösungskonzepte...

Beitrag von krabappel »

Liebe KollegInnen,

ich bin zur Zeit verzweifelt, wenn ich den Anteil "gestörter" Kinder in den Schulen unserer Stadt sehe.
Wie vermutlich in jedem "Brennpunktviertel" gibt es hier Schulen, in denen die Lehrer bei aller Liebe zu Job und Kind den Dienst quittieren weil sie nicht mehr ein noch aus wissen. Ein Drittel der Lehrerschaft ist ganz einfach überfordert mit riesigen Klassen und der kompromisslosen Klarheit, die diese Kinder und ihre Eltern brauchen.

Die verhaltensauffälligen Gymnasiasten werden an die Mittelschulen abgeschoben und die Mittelschulen erschweren sich das ganze noch, indem sie beispielsweise weder Klassen noch Lehrer einen Raum zuweisen und alle den ganzen Tag mit Sack und Pack durchs Schulhaus ziehen. Ständiger Lehrerwechsel durch Fachunterricht inbegriffen.

Ich frage mich auch regelmäßig, wie es sein kann, dass Kinder die ersten 6 Lebensjahre lang vernachlässigt werden und dann mit massiven Auffälligkeiten in Lernen, Verhalten und Sprache in die Schulen strömen. Wer hat sie jahrelang passiv begleitet, in der Hoffnung, dass sich alles schon irgendwie klären wird?

Es heißt hier im Forum ja immer wieder, dass die Schule nicht für die Probleme der Gesellschaft verantwortlich ist. Sie muss aber gezwungenermaßen darauf reagieren! es reicht nicht, einen Teil der Schülerschaft am Gymnasium durchzufüttern, weil da alles von alleine läuft. Irgendjemand muss auch den "großen Rest" angemessen beschulen. Und zwar, ohne dabei an Burnout zu zerbrechen.

Ich hoffe, hier hat jemand Erfolgsmeldungen aus anderen Bundesländern?! wie kommen eure Schulen strukturell mit schwierigen Klassen zurecht? welche Lösungskonzepte haben eure Kultusministerien? Oder seid ihr auf euch gestellt und als einzelner Lehrer verantwortlich für Ruhe und soziales Miteinander in den Klassen.

CambriaE
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Re: Und in Zukunft?! suche Lösungskonzepte...

Beitrag von CambriaE »

Bei uns ist es ähnlich. Bin in einer Brennpunkt-Grundschule. Es gibt einfach so viele zusätzliche Aufgaben zu erledigen, die nicht unmittelbar mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag zusammenhängen. Unsere Eltern können ihre Pflichten nicht erfüllen, was viel (zusätzliche) Arbeit für Lehrer, Sozialarbeiter, Integrationshelfer, etc. bedeutet.

Hinzu kommen noch personelle Engpässe. Zwei Kollegen sind dauerhaft psychisch oder psychosomatisch erkrankt, eine wurde vor nicht allzulanger Zeit mit einer Depression in den vorzeitigen Ruhestand entlassen. Unsere Soz-Päd hört aus gesundheitlichen Gründen auf, der Sportlehrer ist auch dauerhaft erkrankt. Und das in einem kleinen Kollegium (2-zügig). Sogar Klassenleitungen können nicht zufriedenstellend gedeckt werden.

Politisch sind in der nächsten Zeit keine Veränderungen zu erwarten - die Situation verschärft sich sogar. Die Sozialarbeiter sollen wieder abgezogen werden, der Etat für Vertretungsstellen wurde gekürzt, es gibt z.Zt. keine Ausschreibungen für feste Stellen in unserem Reg-Bezirk usw.

Unsere schulinternen Maßnahmen sind:
Förderunterricht wird gekürzt bzw. ganz gestrichen. Wenn weitere Kollegen ausfallen, MUSS Unterricht radikal ausfallen. Besonders in solchen Zeiten muss jeder Kollege auf seine Ressourcen achten. Deswegen werden wir nicht noch mehr leisten, als wir können.

Wenn den Eltern das nicht gefällt, müssen sie sich an die nächsthöhere Instanz wenden. Zum Glück haben wir eine super Schulleiterin, die diesen Weg jederzeit nach Außen vertritt.

Ja, dabei bleiben Kinder auf der Strecke. Das sind die Leidtragenden.

Fränzy
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Re: Und in Zukunft?! suche Lösungskonzepte...

Beitrag von Fränzy »

Bei uns ist es ähnlich. DIe Kinder sind älter, zum Teil Erwachsene. Aber es sind zum Teil eben, die die durch alle Raster fallen. Unlängst sagte mir jemand: die beruflichen Schulen sind das Sammelbecken für schwache und auffällige Schüler aus HS; RS und Gymnasium. Das war einer vom RP. Und so ist es wohl auch geplant.

Ich dachte manchmal, wir sind das schon In manchen Bildungsgängen), aber jetzt wird es offiziell. Konzepte, Gelder, Personal gibts nicht. Bzw. das was wir schon haben. Aber das reicht offensichtlich nicht aus.

Auch hier ist der Krankenstand hoch, der Frust wächst und auch interne Konflikte nehmen zu.

Ich will auch gar nicht mehr dazu schreiben, ich reg mir nur noch mehr auf über GMS, Inklusion und die Bildungspolitik an sich.
שָׁלוֹם

CambriaE
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Re: Und in Zukunft?! suche Lösungskonzepte...

Beitrag von CambriaE »

In meiner Klasse gibt es viele schwache und auffällige Schüler. Ich habe mich schon von dem Gedanken verabschiedet, dass alle die in den Lehrplänen ausgewiesenen Kompetenzen erreichen können. Da bin ich sowieso schon am untersten Ende. Aktuell hätte eine Schülerin das Zeug für ein Gymnasium, 70 - 80 % sind auf einem Hauptschulniveau. Daran ändern kann selbst der beste Unterricht nicht viel. Denn ohne ein entsprechendes Elternhaus sind diese Kinder verloren.

Ich unterrichte sehr kleinschrittig und strukturiert, es gibt ganz klare Regeln und Grenzen. Ab und zu mal einen kontrollierten "offeneren Unterricht" mit System. Das funktioniert so sehr gut. Wer die Kompetenzen der Lehrpläne nicht erwerben kann bzw. eine Gefahr für sich selbst oder andere ist, bekommt einen AO-SF-Antrag. Inklusion hin oder her, der Förderbedarf muss dem Schulamt angezeigt werden. Ich hatte auch mal einen Integrationshelfer. Das ist auch eine kleine Entlastung. Müssen die Eltern eines schwierigen Kindes beim Jugendamt beantragen und die Schule muss einen Bericht schreiben. Wenn der drastisch genug formuliert wurde, stellen die jemanden bereit.

Fränzy
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Re: Und in Zukunft?! suche Lösungskonzepte...

Beitrag von Fränzy »

das Jugendamt macht bei Jugendlichen ab 16 nicht so arg viel. Und natürlich auch nicht gegen deren Willen. (außer bei massiver Kindswohlgefährdung, und die liegt so gut wie nie vor...)

Wenn die Jugendlichen dann ein Kind bekommen, dann schauts anders aus. Schönes Signal.
שָׁלוֹם

krabappel
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Re: Und in Zukunft?! suche Lösungskonzepte...

Beitrag von krabappel »

danke an euch. klingt auch nicht innovativer. Ich dachte, vor allem unser Bundesland hat ein strategisches Problem...

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