Problem: Untersagter Toilettengang

Was tue ich, wenn ....?
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Byrial
Beiträge: 7
Registriert: 07.03.2012, 23:36:56

Problem: Untersagter Toilettengang

Beitrag von Byrial »

Hallo!

Heute bin ich auf ein Problem gestoßen, dass mir gerade etwas flau im Magen werden lässt...

Vorgeschichte: In einer 11. Klasse Berufsschule sitzen ausschließlich männliche Schüler. Der Unterricht ist bisweilen sehr anstrengend, da ich (und auch meine anderen Kollegen) mit gravierenden Disziplinproblemen bei einigen Schülern dieser Klasse zu kämpfen haben.
Wobei ich sagen muss, dass ich als junger Lehrer noch etwas besser zu dieser Klasse durchdringe als meine älteren Kollegen. Die Klasse habe ich 1x pro Woche für eine 90-minütige Doppelstunde. Die Schüler sind zwischen 16 und 19 Jahren alt.

Normalerweise habe ich kein Problem mit den Toilettengängen der Schüler während der Stunde. Viele von ihnen strapazieren dieses Recht allerdings und gehen während der Doppelstunde mindestens 2x. Bei vielen von denen habe ich den Eindruck, dass sie sich den Toilettengang während der Pause / Stundenwechsel verkneifen, damit sie dem Unterricht entkommen können.

Einer dieser Schüler begann vor ein paar Wochen, im Zusammenhang mit jedem Toilettengang regelmäßig eine "Zirkusnummer" hinzulegen: Mal stellte er sich nach der Toilette (mich provokant angrinsend) vor die Klasse und trocknete sich die Hände am Lüfter des Tageslichtprojektors, ein paarmal kam es vor, als ich ihm den Gang erlaubte, dass er die Hände faltete und sich dann mehrmals dankend tief vor mir verbeugte.
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Ich bin auch kein Lehrer, der wegen so einem Kinderkram gleich einen Verweis austeilt! Allerdings hatten sich derartige Aktionen dann so oft hintereinander zugetragen, dass ich meine Autorität in der Klasse angegriffen sah. Auf gut deutsch: Ich hatte es satt, mich von ihm vera... zu lassen. Ich untersagte dem Schüler daraufhin die Toilettengänge bis auf Weiteres, um weitere, derartige Aktionen zu unterbinden.

Eine Woche später war es dann wieder so weit: Der Schüler wollte mitten während der Stunde aufs Klo! Ich erinnerte ihn an meine Anweisung aus vergangener Woche. Schließlich begann er zu jammern. Ich blieb hartnäckig. Ein paar Minuten später borstete er sich auf, ich könne ihm den Toilettengang nicht verbieten. Ich drohte ihm einen Verweis an, wenn er sich über meine ausdrückliche Anweisung hinwegsetzen würde. Schweigend stand er auf und begab sich zur Toilette.
Ich stellte am gleichen Tag den Verweis aus, welcher zum Schüler nach Hause geschickt wurde...

Nun haben der Schüler und seine Eltern angekündigt, rechtliche Schritte gegen mich einzuleiten, u. a.:
- Beschwerde bei der Schulaufsichtsbehörde
- Anzeige wegen Köperverletzung
- Anzeige wegen Misshandlung Schutzbefohlener
- Anzeige wegen Nötigung

Ich will ja nicht die Pferde scheu machen (ob sie es tatsächlich tun), aber wie realistisch sind ihre Chancen, mit so etwas Erfolg zu haben? Nach einigen Recherchen könnten diese Vorwürfe juristisch tatsächlich haltbar sein!

Etwas mulmig ist mir allerdings doch, denn im schlimmsten Fall wäre ich vorbestraft und könnte dann unter Umständen meine Lehrerlaubnis verlieren, vom Disziplinarverfahren ganz zu schweigen...

Gruß!

karli
Beiträge: 103
Registriert: 15.05.2008, 0:08:17

Re: Problem: Untersagter Toilettengang

Beitrag von karli »

Hallo Byrial,

zunächst rate ich, den gesamten Sachverhalt detailliert zu dokumentieren (soweit es aus der Erinnerung geht - Zeitpunkt, Häufigkeiten, Verhalten des Schülers, etc..). Dann rate ich, dass Du Dich schnellstmöglich mit Deinem Schulleiter beräts. Der ist in Schulrecht ausgebildet (sollte er zumindest). Also, erst einmal Ruhe bewahren und Koalitionspartner suchen, die Dir den Rücken stärken.

Zur rechtlichen Einschätzung kann ich wenig sagen. Ich meine, wenn Dein Schulleiter auf Anfrage des Schulamtes die Sache erklärt (auf Basis einer guten Dokumentation sowie auf der Basis von weiteren Aussagen Deiner Kollegen, die ähnliches Verhalten des Schülers kennen), dann gibt es aus der Ecke keinen Stress. Hinsichtlich eines Straftatbestandes meine ich, dass ein Richter, wenn überhaupt ein Verfahren eröffnet wird, was ich nicht glaube (wegen Geringfügigkeit wird das Ding eingestellt), dann wird er sich das Alter des Schülers betrachten. Mit 17 Jahren ist ein Schüler in der Lage, seine "Geschäfte" so zu regeln, dass er nicht den Unterricht verlassen muss. Da sein Verhalten auf Täuschung und Missbrauch hinausläuft, wäre ich hier ganz ruhig.

Sprich' mit Deiner SL und den Kollegen und stellt Euch gemeinsam auf. Sei Dir Deiner Rechte im Sinne pädagogischen Handelns bewusst und verteidige sie gegen die Elter von diesem R...tzlöffel.

Übrigens, dagegen, dass die Eltern Dich anzeigen, kannst Du nichts machen. Nur wenn Du befragt wirst, solltest Du eine Strategie haben (und Beweise bzw. Deine Doku), um Dein Vorgehen aus pädagogisch-erzieherischer Sicht zu argumentieren.

Kopf hoch, die haben keine Chance.

Gruß, karli

PS: Was die Reaktion der Eltern angeht, so hängt die davon ab, ob Dein "Verweis" (a) eine förmliche Ordnungsmaßnahme oder (b) eine Erziehungsmaßnahme war. War es (a), dann handelt es sich formal um einen Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG, dem nur mit einem Widerspruch begegnet werden kann. Auf die Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens will ich hier nicht weiter eingehen. War es (b), dann könne sich die Eltern gern beschweren. Steht die SL hinter Dir, ist die Beschwerde ohne Wirkung.

CambriaE
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Re: Problem: Untersagter Toilettengang

Beitrag von CambriaE »

Polizisten sind in der Regel relativ vernünftige Personen, die über ein gewisses Maß an Menschenkenntnis verfügen. Wenn aufgebrachte Eltern ins Präsidium stürmen, um sich über den untersagten Toilettengang des Lehrers ihres siebzehnjährigen Sohnes zu beschweren, können die vermutlich einschätzen, um was für einen Elterntyp es sich handelt.

Ich bin zwar kein Rechtsexperte aber ich habe noch nie davon gehört, dass man sich strafbar macht, wenn man Jugendlichen die ihre Ausscheidungen kontrollieren können, verbietet in der nächsten halben Stunde auf die Toilette zu gehen.

Wahrscheinlich werden die Polizisten die Eltern bitten, sich an den zuständigen Lehrer zu wenden oder mit der Schulleitung einen Termin auszumachen.

Der Schüler hat absichtlich ein massiv provozierendes Verhalten an den Tag gelegt. Der weiß ganz genau, wie ätzend er sich benommen hat. Dann weint er zu Hause ein wenig rum und die Eltern springen sofort darauf an. Aus deinen Schilderungen weiß man genau, wer zu Hause Chef ist.

cancre
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Re: Problem: Untersagter Toilettengang

Beitrag von cancre »

Mach Dich mal schön locker.
Eltern und Sohnemann haben ein Rad ab.
So eine Bagatelle interessiert weder das Schulamt noch irgendeinen Polizisten.

Sprich mal mit Deinem Chef darüber.
IN AETERNAM A-XIII

LatinaTeacharin
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Re: Problem: Untersagter Toilettengang

Beitrag von LatinaTeacharin »

Ich gebe wichtige Hinweise zu Klausuren und Ähnlichem immer dann, wenn meine "Lieblingsschüler" gerade auf der Toilette sind oder mal wieder eine Stunde ganz plötzlich "krank" sind... mit Verweis auf die Hausordnung am Anfang des Schuljahres, dass versäumter Unterrichtsstoff im Fall der Abwesenheit eigenständig nachzuarbeiten ist, fahre ich da ganz gut, weil ich auch wichtige Dinge im Unterricht grundsätzlich nur einmal sage.
ich habe noch nie davon gehört, dass man sich strafbar macht, wenn man Jugendlichen die ihre Ausscheidungen kontrollieren können, verbietet in der nächsten halben Stunde auf die Toilette zu gehen.
Ist aber juristisch in der Tat (leider) eine Grauzone... andererseits könnte man als Lehrer in diesem Zussammenhang ja auch mit der Aufsichtspflicht argumentieren... :wink:

Hier liegt wohl ein klarer Fall von "mein Papa fährt Porsche und ist der Apotheker in diesem Kuhkaff" vor... cool bleiben und die Sache aussitzen. Und daraus lernen. Vor allem eines: LASSE DICH NICHT PROVOZIEREN UND ÄRGERN. Du redest von "Berufsschule" - Wie wäre es mal mit entsprechenden Rückmeldungen an den Ausbildungsbetrieb?
Mal stellte er sich nach der Toilette (mich provokant angrinsend) vor die Klasse und trocknete sich die Hände am Lüfter des Tageslichtprojektors
Hier wäre mein Kommentar gewesen: "wenn du dir über die Hände gepisst hast, will ich nicht wissen, wie es auf dem WC jetzt aussieht".
ein paarmal kam es vor, als ich ihm den Gang erlaubte, dass er die Hände faltete und sich dann mehrmals dankend tief vor mir verbeugte.
Zwei Stunden Nachsitzen mit Aufsatz zum Thema "Übliche Riten der Dankesbekundung in der westlichen Welt". Oder: "Abhandlung zur Symbolik gefalteter Hände". Oder: "Die Geschichte des WC - von der Antike bis heute". Oder: "Gesundheitliche Risiken beim Toilettengang".

In der Mittelstufe reicht es oft auch, den Schüler nach der Rückkehr von der Toilette grinsend zu fragen: "Und, hat alles geklappt?"

krabappel
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Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Problem: Untersagter Toilettengang

Beitrag von krabappel »

LatinaTeacharin hat geschrieben: "Die Geschichte des WC - von der Antike bis heute".
das muss ich mir merken :lol:

Ach Byrial, die anderen haben ja schon geschrieben, was für ein Humbug das ist. Wollte dir nur nochmal mein Beileid aussprechen :wink: (mich hat ein wütender Vater morgens vorm Unterricht in der Schule angerufen und rund gemacht, dass genau seit den paar Wochen, die ICH da bin, sein Sohn sich so schwierig verhält- zuhause liefe natürlich alles prima. Dazu muss ich sagen, dass er seit zwei Jahren an der Förderschule für Erziehungshilfe war und durch sein Verhalten auch vor meiner Anwesenheit schon nicht rückschulungsfähig gewesen ist. Ich hab die Eltern dann eingeladen und die Mutter des Jungen ist in Tränen ausgebrochen, weil zu hause garnichts klappt. Will damit sagen, dass meist die Eltern am lautesten plärren, die am meisten von sich ablenken wollen.
Mein Schulleiter riet mir, ein dickeres Fell zuzulegen. Ich arbeite noch dran... war damals auch gefrustet, weil ich mir den Allerwertesten für die Schüler aufreiße und dann so ein Gemecker auf leeren Magen :( )

abschließend: ich würde auf jeden Fall mit dem Rektor sprechen aber trotzdem davon ausgehen, dass die Eltern nichts dergleichen tun, das ist einfach zu lächerlich.

armes schulmeisterlein

Re: Problem: Untersagter Toilettengang

Beitrag von armes schulmeisterlein »

Nun ja - ganz so harmlos ist das nicht.
Ein gewiefter Anwalt kann dir da ganz heftige Probleme bereiten, siehe
http://www.anwalt.de/rechtstipps/toilet ... 00191.html

Das Recht auf Verrichtung der Notdurft ist ein Menschenrecht und das Verwehren kann als Folter bzw. Nötigung ausgelegt werden.

Da in diesem Fall eine Vorgeschichte existiert, muss diese genau dokumentiert - und am mit Zeugen abgesichert werden. Dann dürften keine Konsequenzen entstehen.

Weitere Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Toilettenverbot

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