Nicht streng genug?

Was tue ich, wenn ....?
Hubselzwerg
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Beitrag von Hubselzwerg »

Vorurteil? Nee, Erfahrung :roll:

Das angebliche Vorurteil bestätigt sich zu oft.
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karli
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Beitrag von karli »

Hallo DiveDevil:

Zunächst ist festzustellen, dass Dein Problem offensichtlich kein Einzelfall ist. Ich habe mich schon mehrfach dazu geäußert. Ich möchte Dich auf ein anderes Buch aufmerksam machen, dass die Sache von einer strategisch-praktischen Perspektive angeht:

Das Problem der Hilflosigkeit ist oftmals ein Problem der gefühlten Machtlosigkeit. Wie dieses Problem zu lösen ist, wird erklärt bei: „Mut zur Macht: Starke Schulen brauchen starke Lehrer - Praktischer Leitfaden zur Ausübung von Macht im pädagogischen Kontext“ Vera Frey, Stephan König.

Das Buch gibt es nun schon in der dritten Auflage. Schaut man in die Amazon-Rezensionen, erkennt man zwei Lager: Leistungspädagogen, mit dem Anspruch auf Disziplin und Respekt gegenüber dem Lehrer, sowie Appell- und Kuschelpädagogen, die auf die Wirkung von Selbstheilungskräften hoffen, die im Sinne einer „invisible hand“ die auffälligen Kinder zur selbsttätigen Einsicht führen. Letztere Vorgehensweise ist Mainstream während des Refs - sie führt in der Praxis mit einiger Sicherheit zum burnout.

Der Frey wird ausführlich erwähnt in dem Thread weiter unten: „Buch über Autorität des Lehrers gesucht“

karli

Stefan24
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Beitrag von Stefan24 »

Leistungspädagogen, mit dem Anspruch auf Disziplin und Respekt gegenüber dem Lehrer, sowie Appell- und Kuschelpädagogen, die auf die Wirkung von Selbstheilungskräften hoffen, die im Sinne einer „invisible hand“ die auffälligen Kinder zur selbsttätigen Einsicht führen. Letztere Vorgehensweise ist Mainstream während des Refs - sie führt in der Praxis mit einiger Sicherheit zum burnout.
Danke, dass es auch noch solche Kollegen gibt, die die erstgenannte Methode als erfolgreich und erfolgversprechend werten. Es haben wohl einige doch unbeschadet die "Gehirnwäsche" Ref überstanden... :D
StR seit 09/09. Individualist seit Geburt.
Eigene Meinung schon immer.

ManuelP
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Beitrag von ManuelP »

Naja, komm! Disziplin und Respekt ist nicht zwingend ein Resultat aus authoritärem Verhalten und dem Verteilen von Anschiss und Strafarbeiten.

Kuschelpädagogik hat doch hier bislang keiner favorisiert, Schüler wollen doch Disziplin.
Schaffen wir das? WIR SCHAFFEN DAS!

kecks
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Beitrag von kecks »

Klingt nach meinem ersten Schuljahr: Ich war zu sehr ich selbst, zu nett.- Musste mir erstmal eine strengere Rolle zulegen ^^.

Ganz ehrlich: Sei konsequent (d.h. immer dieselben Regeln anwenden, und zwar IMMER), sei freundlich, aber streng (nicht zuviel lächeln), zieh' mitleidslos dein Ding durch. Solange Du guten Unterricht bietest (!) haben die Schüler dem kooperativ und aufmerksam zu folgen. Wer das nicht tut hat mit den entsprechenden (angemessenen und vorhersehbaren, d.h. transparenten!) Konsequenzen seines Tuns zu leben. Diskutiere nicht, reagiere nicht auf Gejammere, sei distanziert, aber ansprechbar. Schüler wollen keine freundliche positive Bestärkung, sondern eher ein 'wie Du mir, so ich Dir'. Schreib ruhig eine kleine Ex nach lauten/nervenden Stunden. Letztendlich ist das eine logische Konsequenz (ich passe nicht auf --> ich bekommen schlechtere Noten) und wird sehr schnell verstanden. Du bist der Chef und das ist dein Klassenzimmer. Es gibt ein Machtgefälle zwischen Lehrer und Schülern und das muss immer wieder deutlich herausgestellt werden (nicht durch reden, sondern durch Taten). (Freilich darfst du diese Macht nicht missbrauchen (Noten als Strafe, Rachegelüste gegen einzelne Schüler usw. - alles menschliche Bedürfnisse, aber nicht akzeptabel).) Erst diese Grundlage macht offenen Unterricht und Schülerorientierung etc. pp. möglich.

Und ein Lob am passenden Ort kann sehr viel bewirken. Kleinste Ansätze erwünschten Verhaltens gezielt verstärken ist Gold wert. Diese Ansätze sind auch bei den größten Sauhaufen vorhanden. Nur: Es ist schwierig, verantwortungsvoll zu bestärken, wenn es nichts gibt, was Du bieten kannst und was die SuS gleichzeitig haben wollen. Sie wollen Freizeit, Labern, Mist bauen, Du kannst nette Worte, Aufmerksamkeit, spannenden Unterricht bieten. Daran haben die aber kein Interesse, solange Du keine Autorität (= jemand, dessen Meinung über sie ihnen nicht total egal ist) für sie darstellst. Du hast also nichts in der Hand, mit dem Du bestärken könntest. Ergo musst Du Dir sowas (lies: Status, Macht, Autorität in den Augen der Klasse) erstmal erarbeiten. Und wie wird man Alphamännchen/-weibchen? Genau, Regeln einführen und Durchsetzung derselben... Siehe Zeile 1.

Landei
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Beitrag von Landei »

@ ManuelP: Was meinst du mit folgender Aussage bzw. wie setzt du das um: Außerdem ist es hilfreich, die Klasse oft als Ganzes anzusprechen. ???

Mir hat man beigebracht, dass das nichts bringt, da sich dann keiner so richtig angesprochen fühlt, also würde mich echt interessieren, wie du das angehst, eine Klasse, die zu mehr als 50% aus Störern und Schwätzern besteht, "als Ganzes" anzusprechen und zwar so, dass sich merklich was ändert?
im Sommer 2008 Ref beendet

karli
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Beitrag von karli »

Landei:
@ ManuelP: Was meinst du mit folgender Aussage bzw. wie setzt du das um: Außerdem ist es hilfreich, die Klasse oft als Ganzes anzusprechen. ???

Mir hat man beigebracht, dass das nichts bringt, da sich dann keiner so richtig angesprochen fühlt, also würde mich echt interessieren, wie du das angehst, eine Klasse, die zu mehr als 50% aus Störern und Schwätzern besteht, "als Ganzes" anzusprechen und zwar so, dass sich merklich was ändert?

Hallo Landei,

ohne nun der direkt Angesprochenen vorgreifen zu wollen, sehe ich das wie folgt:

Voraussetzung für guten Unterricht ist eine Klassenführung, die in der Regel die Lernbereitschaft der Klasse als Gruppe herstellt. Ist die Klasse unruhig, ist sie als Gesamtheit anzusprechen mit der Aufforderung, sich ruhig zu verhalten. (Was „Ruhe“ ist, ist nun von Fach zu Fach und von Fall zu Fall verschieden - Technisches Werken kann mit einem anderen Lärmpegel unterrichtet werden als Mathematik.) Besteht die Klasse aus im Prinzip Lernwilligen, dann reicht das in der Regel.

Ist die Klasse nun „gestraft“ mit einigen Störern, so eignet sich eine „eskalierende“ Strategie, die einer gewissen Dramaturgie folgt:

1. „Bitte“ an gesamte Klasse, wie üblich, ggf. mit namentlicher Nennung der Störer und besonderer Bitte an diese, den Quatsch zu lassen.

Gewöhnlich lassen sich chronische Störer dadurch nicht beeindrucken - dann

2. „Ansprache“ (kurz!) an gesamte Klasse mit folgenden Worten: „Jeder Schüler in der Klasse hat ein Recht auf störungsfreies Lernen. Nun gibt es in dieser Klasse eine Gruppe von Dauerquatschern und Störern, die ihnen dieses Recht nimmt. Das lasse ich nicht zu. Ich werde die Lernwilligen schützen.“ - und dann Sanktionskatalog - eskalierend z. B. nach Frei (s. Buchtipp: Mut zur Macht: ..... oben) - kurz ansprechen.

Bemerkung: Spalte die Klasse in Lernwillige und Störer. Die Klassenführung der Gruppe der Lernwilligen ist dann zu "trennen" von der Klassenführung der Gruppe der Störer. Bei Letzterer kommt es dann auf das einzelne Störereignis an und macht individuelle „Führung“ notwendig.

Wie mit den einzelnen Störern umzugehen ist, hängt nun wieder vom Einzelfall ab.

Zudem ist die Führung der Gruppe der Störer durch „Machtausübung im pädagogischen Kontext“ auch möglich, zumindest hängt deren Verhalten von der Lehrerpersönlichkeit ab. kecks hat hierzu einiges gesagt, ausgefeilte Strategien und wirkungsvolle Taktiken gibt der Frei.

Ich rate in Deinem konkreten Fall - 50% Störer und Schwätzer - auch diese Gruppe zu spalten: in die Schwätzer (die kriegst Du leicht, da oftmals Mitläufer) und die Störer. Von den Störern nimm Dir den Auffälligsten vor und „erziehe“ ihn. Auch hier verweise ich auf die Strategie vom Frei. Überleg' Dir vorher eine Strategie der Isolation - von der Gruppe, über Teilgruppen hin zum Einzelnen. Wichtig ist: keine Hektik, sie entkommen Dir nicht. Und - suche im Kollegium/ggf. bei den Eltern Koalitionspartner.

Die neo-reformpädagogische Vorgehensweise der unbedingten Einzelansprache zerstört Deinen Unterricht, nimmt den Lernwilligen Unterrichtszeit und verschenkt Aufmerksamkeit an jene, die es (sich) nicht verdient haben. Es heißt hier, die Chancengleichheit für die Lernwilligen zu wahren und nicht umgekehrt.

karli

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