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Grundsätzliche Fragen zum Referendariat können hier gestellt werden
Servent
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Beitrag von Servent »

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tiger
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Re: Mündliche Tendenznoten ansagen

Beitrag von tiger »

Servent hat geschrieben:Dazu habe ich sie zuerst aufgefordert, die eigene Note nach ihrer jeweiligen Einschätzung auf ein Stück Papier zu schreiben und mir im Klassenverband zu zeigen. (...) Als zweiter Schritt sollten sie sich im Raum umschauen und einige Noten der anderen beurteilen. Was passt gut, was passt nicht ganz, mit Begründung.
Welche Funktion soll das haben? Es wird doch dein Urteil ohnehin nicht beeinflussen.
Servent hat geschrieben: Ist dieses Ungerechtigkeitsgefühl bzw. Fehleinschätzung auch in euren Klassen so ausgeprägt
Menschen können sich allgemein schlecht selbst einschätzen. Das gilt für akademische Leistungen genauso wie für Persönlichkeitseigenschaften und vieles mehr. Dass Schüler, die du schlecht benotet hast, damit nicht zufrieden sind, dürfte wohl auch klar sein. Und schließlich ist es immer den Versuch wert, Widerspruch gegen eine schlechte Note einzulegen, denn sie kann dadurch ja nur besser werden. Insofern verhalten sich die Schüler völlig nachvollziehbar.
Servent hat geschrieben:Oder ist es nett gemeinter didaktischer Blödsinn, nach knapp 2 Monaten die ersten Tendenzen zu äußern?
Im Gegenteil! Feedback ist ungeheuer wichtig. Du darfst die Noten bloß nicht zur Diskussion stellen, das ist ein kapitaler Fehler, wie du gemerkt hast.

Die Schüler sind ja von vornherein gar nicht dazu in der Lage, ihre Leistung einzuschätzen. Das würde zunächst voraussetzen, dass sie mit dem Unterrichtsgegenstand so vertraut sind, wie es in der Regel nur der Lehrer ist (nach jahrelangem Fachstudium). Zweitens müssten sie die Bewertungskriterien kennen, und zwar so, wie sie im Curriculum festgelegt sind. Auch das ist vom durchschnittlichen Schüler ein bisschen zu viel erwartet.
Servent hat geschrieben:Soll ich zusätzlich Referate anbieten, damit sich die Unzufriedenen hochpushen können, so sie denn Engagement zeigen?
Um Himmels Willen, bloß nicht. Das sorgt nur für weitere Unzufriedenheit (wieso darf der ein Referat halten und ich nicht?) und suggeriert den Schülern, dass man sich das ganze Jahr über auf die faule Haut legen und am Ende des Schuljahres mit einem notdürftig zusammengepfuschten Referat seine Note retten kann.
Servent hat geschrieben: Und, die wichtigste Frage für mich: Verkacke ich mir die Beziehung zu meinen Schülern, wenn ich schlafende Hunde wecke und zu oft ihren gegenwärtigen Stand nenne?
Diese Ausdrucksweise ist eines Lehrers nicht angemessen. Eine bessere Wortwahl wäre "verderbe ich mir" oder "belaste ich". – Davon abgesehen ist die Lehrer-Schüler-Beziehung immer auch dadurch gekennzeichnet, dass du der Bewertende und deine Schüler die Bewerteten sind. Du kannst schließlich niemandem eine unverdient gute Note geben, nur damit die Schüler dich weiterhin "lieb haben". Oder du wartest damit noch ca. zehn Jahre, bis die Noten ganz abgeschafft und wir alle vollständig weichgespült sind: https://www.youtube.com/watch?v=iKcWu0tsiZM

Servent
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Beitrag von Servent »

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Servent
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tiger
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Re: Mündliche Tendenznoten ansagen

Beitrag von tiger »

Wie viele Schüler sind in einer Klasse? 20 bis 30? Wie viele Stunden Ethik pro Woche und Klasse stehen zur Verfügung? Vermutlich zwei oder drei? Wie viele Referate kann man sinnvollerweise in einer Stunde unterbringen – inklusive Diskussion sicher nicht mehr als zwei? Daher kannst du nicht die ganze Klasse Referate halten lassen, das würde ja Wochen dauern.

tignola
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Re: Mündliche Tendenznoten ansagen

Beitrag von tignola »

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es manchmal gar nicht so sehr daran hakt, dass die Schüler sich zu gut einschätzen. Die kennen ihre Mitarbeit (oder den Mangel davon) recht gut und können sich halbwegs realistisch mit ihren Mitschülern vergleichen. Nur haben sie ein anderes Verständnis davon, was eine gute Mitarbeitsnote ausmacht. Es gibt nicht wenige Schüler, die meinen, nicht im Unterricht einzuschlafen und alle 4 Wochen den Arm zu heben, um das von einem anderen Schüler genannte Wissen zu wiederholen, ist eine 2.
Ich finde es daher wichtig, den Schülern am Anfang des Schuljahres transparent zu machen, nach welchen Kriterien sie bewertet werden und welcher Note welches Verhalten entspricht. Wenn sie dann wissen, dass reine körperliche Anwesenheit nicht mehr ist als eine 3 oder 4, sind die Überraschungen am Ende weniger groß. Genauso wissen meine Schüler, dass die besten und häufigsten Beiträge zwar eine 1 bedeuten würden, sie diese durch häufiges Stören oder vergessene Materialien aber herunterziehen.

Löwenherz
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Re: Mündliche Tendenznoten ansagen

Beitrag von Löwenherz »

Na ja, bei freiwilligen Kurzreferaten zum "Note pimpen" meldet sich erfahrungsgemäß ja nicht die gesamte Klasse, sondern bestenfalls 5-6 Leutchen, denen das wirklich extrem wichtig ist oder die die Note als Ausgleichsfach brauchen oder für Bewerbungen benötigen. Wenn alle SuS derart eigenmotiviert wären, wäre das zwar ein Träumchen, das die meisten "Ausgleichsreferate" aber auch unnötig machen würde. ;-)
Jetzt sind grad mal Herbstferien bei euch, Ethik ist Nebenfach, also kein Weltuntergang, dass es noch keine schriftliche Note gibt. Ich nehme mal an jeweils eine schriftliche Note pro Halbjahr wird es geben und gen Pfingsten (ggf.etwas früher bei euch, da ihr früher dran seid mit den Sommerferien als wir in BaWü) gibst du dann mal den Hinweis, dass wer das möchte noch ein Kurzreferat bis Schuljahresende halten kann passend zur aktuellen Einheit. Dafür planst du dir dann halt vor der Notenabgabe sicherheitshalber ein paar offene Stunden ein, wo du ggf.Referate einschieben und sinnvoll mit dem aktuellen Unterricht verbinden könntest. Wenn du viele SuS hast, die nach Klasse 9 abgehen werden, wäre zu überlegen, ob du so ein Angebot auch vor Weihnachten noch unterbringen kannst, da diese SuS sich mit dem Abgangszeugnis des Vorjahres plus ggf.nachgereichter Halbjahresinformation bewerben werden. Letztlich liegt es da auch an dir, wieviele SuS das nutzen wollen, indem du beispielsweise den Arbeitsaufwand nicht zu niedrig ansetzt (immer mit Handout 1 DIN A4-Seite für die Mitschüler, Powerpoint-Präsentation ohne absurde Effekte, dafür übersichtlich, strukturiert mit klaren Quellen, mindestens 5 verschiedene Quellen, davon maximal 3 Internetquellen bei null Wikipedia,... da gibt es ja viele Möglichkeiten). Wer es wirklich braucht/will wird sich davon nicht schrecken lassen, wer nur "billig" die Note optimieren will schon.

Ich finde die Idee mit dem Feedback sehr gut, auch dass SuS sich selbst und gegenseitig einschätzen, dass lässt sich durchaus auch mit Kurzreferaten verbinden, wo dann die Mitschüler Bewertungsbögen bekommen könnten und auf einem Punkteraster Dinge wie Inhalt, Verständlichkeit, freies Sprechen, Präasentationsweise, etc.einschätzen können. Mitschülerbewertungen könnten dann sogar mit einem geringfügigen Prozentsatz Teil der Gesamtnote für das Kurzreferat sein (z.B.: 90% Lehrernote, 10% Mitschülerbewertung). Letzteres würde ich allerdings nur machen, wenn tatsächlich alle SuS ein Referat halten müssen, so dass alle wechselseitig auf die Fairness und Ehrlichkeit der anderen angewiesen sind. Habe mehrere Kollegen die in den Gesellschaftswissenschaften so arbeiten, offenbar mit gutem Erfolg, da so auch den SuS die Bewertungskriterien klarer sind. Die SuS sind da auch ziemlich fair untereinander und vergeben realistische Bewertungen. Hat mich sehr positiv überrascht das zu sehen.
Was ich nicht machen würde, ist mündliche Noten die du vergibst öffentlich zu besprechen. Das ist finde ich ein falsches Signal, als wären diese diskutabel und womöglich nur eine Frage guter Argumente im Moment der Notenvergabe (tatsächlich funktioniert das ja auch bei vielen Lehrern so, insofern ist es völlig normal und legitim, dass SuS hier Notenoptimierung per Diskussion versuchen). Du hast deine mdl.Noten offenbar sauber begründen können, also besprich das einzeln mit den SuS, um es von der öffentlichen Feedbackrunde bewusst zu trennen.

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