PANIK Ref an der Gesamtschule

Grundsätzliche Fragen zum Referendariat können hier gestellt werden
Eneas
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PANIK Ref an der Gesamtschule

Beitrag von Eneas »

Ein freundliches Hallo in die Runde.
Ich habe - so deutet der Titel schon an - riesige Panik! Ich habe Deutsch und Sport für das Lehramt an Gymnasien studiert. Nun bekam ich heute meine Ausbildungsschule zugewiesen und habe panische Angst, weil ich damit absolut nicht gerechnet habe, dass ich an eine Gesamtschule kommen würde. Zudem auch noch mit dem Schwerpunkt Inklusion, weshalb diese Schule als Modellschule für Heterogenität gilt.

Was genau macht mir nun Angst? Zum einen die Grundlage, auf der ich das Ref beginne. Mein Studium wurde primär fachwissenschaftlich aufgebaut, Didaktik ein Randthema, Pädagogik / Bildungswissenschaften kaum nennenswert und Inklusion ein Begriff, mit dem ich mich in meiner Freizeit beschäftigt habe, aber im Studium nicht mal das Angebot vorhanden war, sich damit auseinanderzusetzen.
Zum anderen, ist die Fächerkombination mit dem Leitbild sehr schwer vereinbar. Wie soll ich inklusiven Sportunterricht anbieten, wenn die Ausbildung im Sportstudium - so offen darf man sein - rein auf Leistung ausgerichtet wurde? Wie soll ich Deutsch als Fremdsprache unterrichten (Großteil der Kinder mit Förderbedarf sind Kinder geflüchteter Eltern), wenn ich es nie gelernt habe? Und wie soll ich inklusive Lernangebote, wenn ich nicht eine Minute Erfahrungen sammeln konnte mit Kindern, die - so steht es auf der Homepage - auch viele weitere Förderbedarfe wie ADHS oder Aspacher haben? Und ja, ich habe geschaut, es gibt eine Lehrerin mit sonderpädagogischer Ausbildung bei einer Schule, die 600 Kinder umfasst.

Ich hatte mich auf das Ref gefreut. An eine Gesamtschule wollte ich jedoch nie, weil ich nur bedingt hinter diesem Ansatz stehe und sich im Praktikum viele meiner Gedanken bestätigten. Aber jetzt an eine Gesamtschule zu kommen, die Inklusion in den Vordergrund stellt, fühlt sich mies an. Mies, weil ich mich frage, warum ich all das studiert habe, was ich studiert habe. Vielleicht bin ich panisch, aber das Ref ist so schon eine vorraussetzungsreiche Hürde. Nun fühlt es sich aber so an, als müsste ich zusätzlich zu den anstehenden Aufgaben auch noch Dinge erlernen, die ich für diese Ausbildungsphase nie habe lernen wollen. Oder anders - ich liebe die Arbeit mit Kindern, den gemeinsamen Weg, den man geht, das Miterleben der Entwicklung dieser Kinder. Aber ich habe mich ganz bewusst für das gymnasiale Lehramt entschieden und komme jetzt in die Situation, weit von meiner Vorstellung abweichen zu müssen. Hätte ich das gewollt, hätte ich etwas anderes studiert.

Mich macht das gerade total fertig und die Vorfreude aufs Ref ist völlig futsch.

Gibt es hier ReferendarInnen, die ebenfalls gymnasiales Lehramt studiert haben und - vielleicht sogar mit der gleichen Fächerkombi - an einer Gesamtschule gelandet sind? Wenn ja, welche Erfahrungen habt Ihr gemacht?

Danke für Eure Hilfe :)

Kiggie
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Re: PANIK Ref an der Gesamtschule

Beitrag von Kiggie »

Huhu,

von welchem Bundesland reden wir denn?
In NRW kann man nicht nur fürs Gym studieren, da studiert man GymGe, also Sekundarstufe II. Von daher, ist es hier in NRW eh offen wo man hinkommt.
Von Inklusion habe ich im Studium auch nie im Detail was gehört. Aber du bist ja nicht die einzige Lehrerin, die in den Klassen unterrichtet. Da kannst du dir ja dann die Hilfe holen von den ebenfalls betroffenen Kollegen.
Ich bin am BK und habe auch Schüler mit Asperger. Ich habe vorher geklärt, welche Absprachen es gibt und wie er sich verhält.
Sport ist sicherlich eine Herausforderung, aber das wäre ja auch ein Thema für dein Fachseminar, sprich es frühzeitig an, wenn du spezielle Schüler hast. Aber auch da hast du ja Kollegen an deiner Seite.
In NRW hat man in der ersten Zeit nur Hospitationsunterricht, gerade die Zeit kann man gut nutzen zum Klären von solchen Fragen.

Glaube aber die Inklusion ist weniger dein Problem, als die Gesamtschule.
Denk dran du bist nicht gebunden und kannst danach ans Gymnasium, wenn deine Noten ausreichen sind.

Viel Erfolg

tiger
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Re: PANIK Ref an der Gesamtschule

Beitrag von tiger »

Eneas hat geschrieben:die Grundlage, auf der ich das Ref beginne. Mein Studium wurde primär fachwissenschaftlich aufgebaut, Didaktik ein Randthema, Pädagogik / Bildungswissenschaften kaum nennenswert und Inklusion ein Begriff, mit dem ich mich in meiner Freizeit beschäftigt habe, aber im Studium nicht mal das Angebot vorhanden war, sich damit auseinanderzusetzen.
Das dürfte so ziemlich für jeden gelten. Das Studium für das Gymnasiallehramt ist in Deutschland nunmal so. Es ist weit davon entfernt, einen auf die außerfachlichen Anforderungen des Berufs vorzubereiten. Das Referendariat macht das zwar auch nicht allumfassend, aber du wirst dort vieles lernen.
Eneas hat geschrieben:Zum anderen, ist die Fächerkombination mit dem Leitbild sehr schwer vereinbar.
Das könnte jeder andere Lehrer auch sagen. Die meisten Unterrichtsfächer sind auf (kognitive) Leistung ausgelegt. Freu dich übrigens darauf, dass auch die meisten deiner nicht-behinderten Schüler nicht rückwärts laufen, keinen Ball fangen, keinen Purzelbaum schlagen, nicht schwimmen usw. können werden.
Eneas hat geschrieben:Wie soll ich Deutsch als Fremdsprache unterrichten (Großteil der Kinder mit Förderbedarf sind Kinder geflüchteter Eltern), wenn ich es nie gelernt habe?
Wie soll ich einem blinden Mädchen die Berechnungen am rechtwinkligen Dreieck beibringen? Was fange ich mit einem tauben Jungen im Musikunterricht an? Wie gehe ich mit einem Autisten um, der ohne erkennbaren Anlass beginnt, mit dem Stuhl die Scheibe einzuschlagen? Das hat mir und meinen Kollegen auch keiner beigebracht, aber es gehört nunmal offensichtlich zum Beruf dazu. Dass das Lehrerdasein kein Zuckerschlecken ist, scheinst du jetzt wohl zu erahnen. Es ist ein in vielen Bereichen sehr fordernder und auch psychisch belastender Beruf. Daher die vielen Burnout-Fälle.
Eneas hat geschrieben:viele weitere Förderbedarfe wie ADHS oder Aspacher haben?
Das werden die Baden-Württemberger nicht gerne hören. Oder meinst du etwa Asperger?
Eneas hat geschrieben:Und ja, ich habe geschaut, es gibt eine Lehrerin mit sonderpädagogischer Ausbildung bei einer Schule, die 600 Kinder umfasst.
Mehr als an meiner Schule. Bei knapp doppelt so vielen Schülern.
Eneas hat geschrieben:fühlt sich mies an. Mies, weil ich mich frage, warum ich all das studiert habe, was ich studiert habe.
Weil du neben den ganzen Herausforderungen, die dir bevorstehen, nicht auch noch fachliche Baustellen haben darfst, sonst gehst du unter. Mit allen Komplikationen, die auf dich zukommen, musst du das Fachliche aus dem Effeff beherrschen, daher die fünf Jahre Fachstudium.
Eneas hat geschrieben:als müsste ich zusätzlich zu den anstehenden Aufgaben auch noch Dinge erlernen, die ich für diese Ausbildungsphase nie habe lernen wollen.
Dann musst du dir einen anderen Beruf suchen!
Eneas hat geschrieben:ich liebe die Arbeit mit Kindern, den gemeinsamen Weg, den man geht, das Miterleben der Entwicklung dieser Kinder.
Aber offensichtlich magst du weder behinderte Kinder noch sozial schwache und andere Benachteiligte. Das nennt man dann wohl, sich die Rosinen herauszusuchen. Komm mal in der Realität an.

Fränzy
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Re: PANIK Ref an der Gesamtschule

Beitrag von Fränzy »

Was du beschreibst, ist Realität


Wir haben einen Sonderpädagogen auf 1500 Schüler

Und einige Asperger und andere Jugendliche mit Auffälligkeiten sowie Geflüchtete. Schule ist eben heterogen, und interessant..

Du wirst, wie wir alle, on the Job lernen, was es für bestimmte Schüler braucht

Viel Spaß im Ref und hab keine Angst. Nur Mut.
שָׁלוֹם

Eneas
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Re: PANIK Ref an der Gesamtschule

Beitrag von Eneas »

@kiggie
Ich bin in Niedersachsen gelandet. :) Und ja, vermutlich hast Du recht - ich bin ja nicht allein und kann im Team sicherlich auch viele Dinge lösen, die jetzt noch sehr fremd erscheinen :) Mir wurden 12 Monate Ref angeboten, da ich bereits 4 Jahre neben dem Studium in nem Nachhilfezentrum unterrichtet habe. Ich könne auch 18 Monate, sie würden aber die Verkürzung bevorzugen. Mal sehen, hab da noch ein bisschen Bedenkzeit und kann wohl auch nach 2 Monaten noch switchen :)

@tiger
Ehrlich gesagt find ich Deine Interpretation schon sehr speziell. Nur, weil ich mich bewusst für das Unterrichten am Gymnasium entschieden habe, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht gewillt bin, mit Kindern zu arbeiten, die einen anderen Förderbedarf haben. Das war mir durchaus schon vorher klar. Aber es ist nicht wegzudiskutieren, dass - trotz aller Reformen - die meisten Gymnasien noch immer ein anderes Bildungsniveau haben, was den Verdacht nahelegt, dass dort weniger Pädagogik als Vermittlung fachlichen Wissens im Vordergrund steht. Diese Präferenz kann man - so denk ich - auch wertfrei akzeptieren. Das hat auch nichts mit Rosinen rauspicken zu tun. Oder anders - wenn sich jemand für das Sonderschulpädagogik-Studium entscheidet, bevorzugt diese Person doch auch eine andere Zielgruppe.

@Fränzy
ja, der Mut ist echt ein Thema. :) War halt 0 darauf vorbereitet und hab gerade einfach das Gefühl, dass die Vorbereitung aufs Ref unzählige Dinge nicht umfasst hat. Wie etwa Deutsch als Fremdsprache, inklusiver Sportunterricht, Differenzierung der Leistungsniveaus usw.! Aber es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und ich denke, dass ich das auch irgendwie hinkriege. :)

tiger
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Re: PANIK Ref an der Gesamtschule

Beitrag von tiger »

Eneas hat geschrieben:Aber es ist nicht wegzudiskutieren, dass - trotz aller Reformen - die meisten Gymnasien noch immer ein anderes Bildungsniveau haben, was den Verdacht nahelegt, dass dort weniger Pädagogik als Vermittlung fachlichen Wissens im Vordergrund steht.
Ich sehe schon, sobald du in der Realität ankommst, wird es dich hart treffen. Es ist SELBSTVERSTÄNDLICH, dass bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen die Pädagogik unangefochten im Mittelpunkt steht. Und zwar unabhängig von der Schulart. Deine Vorstellung von Schule stammt anscheinend noch aus der Kaiserzeit ...

Max_Cohen
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Re: PANIK Ref an der Gesamtschule

Beitrag von Max_Cohen »

Eneas hat geschrieben: Das war mir durchaus schon vorher klar. Aber es ist nicht wegzudiskutieren, dass - trotz aller Reformen - die meisten Gymnasien noch immer ein anderes Bildungsniveau haben, was den Verdacht nahelegt, dass dort weniger Pädagogik als Vermittlung fachlichen Wissens im Vordergrund steht.
In meinem Schulgesetz steht (mit meiner Hervorhebung):
Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und Herkunft und sein Geschlecht ein Recht auf schulische Bildung, Erziehung und individuelle Förderung.

Erfolgreiche Erziehungsarbeit und effektive Klassenführung sind die Grundvoraussetzung für lernwirksamen Unterricht. Und je inkompetenter die Elternhäuser in Erziehungsfragen agieren und je weniger soziale Kontrolle an deinem Standort vorliegt, desto mehr Erziehungsarbeit hast du am Gymnasium zu leisten; in der Großstadt ist das der Regelfall.

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