Maximer hat geschrieben:
Dem/der Mentor/in bzw. Referendar/in muss das aber egal sein, denn diese müssen den konkreten Anforderungen/Erwartungen entsprechen und diese gehen nicht von denjenigen wissenschaftlichen Instanzen aus, die einem selbst am besten zusagen, sondern vom zuständigen Ausbildungsseminar. Punkt und Ende.
Ich kann dir nicht folgen. Es handelt sich hierbei eigentlich um die Grundlage der Kompetenzorientierung, die sich sehr ähnlich auch in den Bildungsstandards der KMK findet. Das Seminar kann sich nicht darüber hinwegsetzen bzw. etwas ganz anderes verlangen, weil diese Standards eben auch Grundlagen der Ausbildungsordnungen sind.
Das ist mir in meiner bisherigen Ausbildung zum Glück noch nicht begegnet. An meiner Schule hat vermutlich kaum eine Lehrkraft Ahnung von der aktuellen empirischen Bildungsforschung, aber alle betreiben ausgefeiltes Classroom-Management (jeder auf seine Weise) und betreiben großen Aufwand, um lernwirksamen Unterricht durchführen zu können.
Ich möchte noch einmal betonen: Das ist
nicht üblich, sonst gäbe es die Notwendigkeit für Projekte wie unterrichtsdiagnostik.de nicht. Lies dir wenigstens die kurze Broschüre durch, dann weißt du, dass ich hier nicht meine Meinung breittrete.
Es gibt in unserem Einzugsgebiet z.B. ganze Grundschulen, die keinen Unterricht mehr machen, und normalbegabte Schüler aus eigentlich unproblematischen Verhältnissen kommen dann auf dem Lernstand eines Zweitklässlers aufs Gymnasium. Die können nicht richtig lesen, schreiben, haben kaum tragfähige mathematische Grundvorstellungen und wissen z.T. nicht, dass und warum man den Mund hält und zuhört, wenn jemand einen Wortbeitrag liefert. Was unsere Sonderpädagogen über ihre Einblicke in den Unterricht der Kollegen berichten, möchte ich hier auch nicht breittreten, nur soviel: Wenn die auf einem Gang unterrichten, gehst du vorbei und denkst, es sind gerade Ferien und niemand ist im Raum. Wenn manche Kollegen unterrichten, denkst du, dass dort gerade Kindergeburtstag gefeiert wird.
Lies dir mal die Publikationen zur IPN-Videostudie zum Physikunterricht oder zur COACTIV-Studie zum Mathematikunterricht durch, dann wird vielleicht noch klarer, was gemeint ist.
Das meinte ich mit schwarz-weiß-Denken. Für dich scheint es irgendwie nur den idealen Lehrertypus in Form eines Verwalters wissenschaftlicher Studienergebnisse und den unprofessionellen Hobbypädagogen zu geben, der im Zufallsmodus vor sich hin wurstelt. Jedenfalls habe ich den starken Eindruck.
Noch eine Umformulierung:
Die Forschungsergebnisse geben dir Leitplanken vor, innerhalb derer du dich frei entfalten kannst - es geht hier nicht um programmierten Einheits-Unterricht, sondern eben um eine Grundvorstellung davon, was man beachten muss.
Nur leider ist es in der Praxis so, dass Kollegen eben wie beschrieben als Geisterfahrer unterwegs sind, indem sie keine Lehrer mehr sein wollen, nicht für eine ungestörte Arbeitsatmosphäre sorgen, keine anregenden Gespräche initiieren und moderieren können, keine anregenden Aufgaben sondern nur "Rechenpäckchen" verwenden - es ist kein schwarz-weiß-Denken, das als unprofessionell zu bezeichnen.
Meine Erinnerungen als Schüler bringe ich in meine Berufspraxis nicht (mehr) ein. Mir ist inzwischen klar geworden, dass man sich als Schüler viel zu subjektiv geprägt an Schule erinnert bzw. immer sehr stark einseitig das schulische Geschehen wahrnimmt. Das soll kein Vorwurf an Schüler/innen sein, aber es ist wichtig, wie ich finde, sich dessen bewusst zu sein.
Dessen bin ich mir bewusst. Nichtsdestotrotz kann ich nun professionell die Tafelbilder (ich habe schon immer sehr akribisch mitgeschrieben) und die Aufgabenkultur analysieren - die Aufgabenblätter liegen mir ja vor - und hinreichend objektiv zu diesem Schluss kommen. Die Analyse von Schulbüchern aus dieser Zeit tut ihr übriges.
Das habe ich nicht behauptet. Ich finde es nur etwas naiv zu glauben, dass Fragebögen geeignet sind, um einen besseren Unterricht zu erhalten. Formative Evaluation hat ja - wie ich oben schon schrieb - nicht notwendigerweise und auch nicht primär Fragebogencharakter, sondern die Lehrperson evaluiert idealerweise ständig den Lernstand der Schülerinnen u. Schüler und die Passgenauigkeit der zum Einsatz kommenden Methoden etc.
Das kann sie erstens nicht so gut wie ein hospitierender Kollege - die Lehrperson muss in erster Linie unter Handlungsdruck unterrichten, und welche Wirkung das auf die Selbstbeobachung selbst einfacher Unterrichtselemente hat, kann man sich bei den Ergebnissen der DESI-Studie ansehen - und zweitens kann sie nur relativ zu ihren subjektiven Theorien evaluieren. Wenn die unzureichend sind, dann kommt dabei schon mal gar nichts raus, und selbst wenn man die Fachlektüre verweigert, dann geben einem die Bögen immer noch eine sehr gute Vorstellung davon, worauf es ankommt.
Was denn jetzt genau?
Entweder man bereitet sich möglichst passgenau auf die Anforderungen der Prüfung vor - und dazu dienen die UBs in der Hauptsache -, oder man versucht, sich selbst als künftige Lehrkraft zu erproben und verschiedenste Dinge auszuprobieren. Jeder weiß, dass beides nur bedingt zusammen passt. Kaum jemand wird in einer UB-Stunde riskieren einen schlechten Eindruck zu hinterlassen, wenn er Methoden oder Interaktionsmuster ausprobiert, die er/sie nicht schon vorher probiert hat und deren Gelingen daher kaum vorhersehbar ist. Letzteres gehört aber dazu, wenn man sich als Lehrperson vor einer Klasse kennenlernen möchte. Das ist jedenfalls meine Überzeugung und das wurde uns übrigens auch im Seminar klipp und klar so gesagt: Probieren sie sich am Anfang aus!
Ich sehe keinen Widerspruch zum bereits Gesagten, bis darauf, dass ich keinen Sinn darin sehe, sich auf Prüfungen vorzubereiten. Ich habe spätestens im Studium angefangen, "fürs Leben zu lernen" und auf diese Weise so gut wie jede Prüfung, ob nun im Diplom, bei der Promotion, im Lehramt oder im Referendariat mit sehr gut abgeschlossen. Immer mit dem Ziel, nicht irgendwie durchzukommen, sondern mit den Prüfern auf Augenhöhe zu diskutieren; mein Abschlusskolloquium fanden sowohl ich als auch meine Prüfer fantastisch, weil sie sich ehrlich darüber gefreut haben, dass da mal kein Herumgedruckse herauskommt. Ein Schulleiter nahm mich nach dem Vorstellungsgespräch sogar zur Seite und sagte, dass er noch nie erlebt habe, dass jemand in so einer Situation nicht darauf spekuliert, was man hören wolle, sondern so offen und fundiert klare Kante zeigt.
Es geht mir einzig darum, dass man sich eben nicht beliebig ausprobieren kann, sondern nur innerhalb der o.g. Leitplanken. Wenn man die nicht kennt, dann ist es die Aufgabe des Mentors, innerhalb dieser Grenzen bei der Planung unterstützen und anschließend auch bei der Reflektion/Evaluation.
Dass ein 45-minütiger Monolog genauso wie Fragen mit Einwort-Antworten, aktiv-entdeckendes Lernen ohne ausreichendes Vorwissen oder ein 5-wöchiges Stationenlernen in einem Gebiet mit vertikaler Wissensvernetzung Mist sind, muss man nicht ausprobieren, das kann man nachlesen.
Nein. Natürlich meinte ich NICHT das perfekt laminierte Arbeitsblatt. Für wie blöde hälst du mich denn eigentlich? Die meiste Zeit grüble ich über Arbeitanweisungen, Abstufungen von Schwierigkeitsgraden und konkreten Formulierungen bzw. pädagogischen Hilfestellungen etc., um die Zone der proximalen Entwicklung - um auch mal etwas Fachjargon unterzubuttern - bestmöglich zu erwischen und das auch noch bei verschiedenen Niveaustufen in ein und derselben Klasse.
Das kostet verdammt viel Zeit und Mühe.
Das ist alles sehr löblich, zumal es genau innerhalb der o.g. Leitplanken liegt.
Ich bin aber, wenn ich mein Gegenüber nicht kenne und nur schriftlich mit ihm kommunizieren kann, auch meinen persönlichen Erfahrungen ziemlich schutzlos ausgeliefert - zu Einstellungsterminen fürs Referendariat schnellen die Verkaufszahlen von Laminiergeräten und Methodenbüchern nunmal in astronomische Höhen.
Viele Leute, die du zum Fokus ihrer UB-Vorbereitung befragst, zeigen dir buntes, laminiertes Zeug vor, das inhaltlich eine Beleidigung für den Intellekt der Schüler ist. Oder, wie meine Kernseminarleiterin so schön sagte: Manche Leute denken immer noch, dass Schüleraktivierung etwas mit Ausschneiden zu tun habe.
Wenn ich da mal "entspannt" eine Stunde aus dem Schulbuch heraus vorbereiten kann - und davon spreche ich -, dann habe ich Zeit für andere Sachen, die sonst zu kurz kommen würden. Ich kann dann z.B. auf meine Reaktionen in der Lehrer-Schüler-Interaktion gezielter achten, neue Maßnahmen bei Unterrichtsstörungen erproben und vieles mehr, was sonst - wenn ich nach Stechuhr unterrichte und vorher gesetzte Lernziele umsetzen will - nur sehr bedingt machbar ist.
Auch mit üblichen Schulbüchern kann man anregenden Unterricht gestalten, dagegen hat niemand etwas. Es geht bei der Kritik eher darum, dass häufig das Aktivierungspotential von guten Aufgaben verschenkt wird, indem man eben genau dieses Stechuhrdenken betreibt. Auch Langsamkeitstoleranz ist ein Qualitätsmerkmal.
Ulkigerweise kommt jetzt, da du mal inhaltlich Farbe bekennst, doch dabei heraus, dass wir über dieselben Forschungsergebnisse reden und diese anwenden wollen.
Wahrscheinlich versteht aber nur ein Praktiker, auf was ich hinaus möchte...
Hoffentlich verstehe nicht nur ich, dass man kein Theorie-Praxis-schwarz-weiß-Denken betreiben sollte.