Erwartungen an einen Mentor / Aufgaben eines Mentors

Grundsätzliche Fragen zum Referendariat können hier gestellt werden
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tiger
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Re: Erwartungen an einen Mentor / Aufgaben eines Mentors

Beitrag von tiger »

Max_Cohen hat geschrieben: überall gibt es z.B. einen doch recht erschreckenden Anteil von Lehrern, der von Classroom Management noch nie gehört hat und es normal findet, im Krach zu "unterrichten". Oder die "Kollegen", die gar keinen Unterricht mehr machen, sondern sich auf das Hineinwerfen von Material beschränken, sich ans Tischlein setzen und den "Lernbegleiter" spielen
Das kann ich bestätigen. Mein Eindruck ist auch, dass man sowas "überall" antrifft. Zumindest habe ich die geschilderten Zustände schon in Grundschulen, Haupt-, Real-, Ober- und Gesamtschulen, an Gymnasien und an beruflichen Schulen erlebt (wobei es mir an Gesamtschulen am meisten aufgefallen ist).

Stellt sich die Frage, warum die Kollegen sich das antun. Selbst wenn jemand keine Berufsehre und keine Ambitionen (mehr) hat und ihm/ihr die Lernwirksamkeit des eigenen Unterrichts egal ist, dann müsste doch wenigstens die Erkenntnis eingesickert sein, dass gutes Classroom Management den Unterricht nervlich wesentlich angenehmer macht, oder nicht?

Max_Cohen
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Re: Erwartungen an einen Mentor / Aufgaben eines Mentors

Beitrag von Max_Cohen »

Maximer hat geschrieben: Dem/der Mentor/in bzw. Referendar/in muss das aber egal sein, denn diese müssen den konkreten Anforderungen/Erwartungen entsprechen und diese gehen nicht von denjenigen wissenschaftlichen Instanzen aus, die einem selbst am besten zusagen, sondern vom zuständigen Ausbildungsseminar. Punkt und Ende.
Ich kann dir nicht folgen. Es handelt sich hierbei eigentlich um die Grundlage der Kompetenzorientierung, die sich sehr ähnlich auch in den Bildungsstandards der KMK findet. Das Seminar kann sich nicht darüber hinwegsetzen bzw. etwas ganz anderes verlangen, weil diese Standards eben auch Grundlagen der Ausbildungsordnungen sind.
Das ist mir in meiner bisherigen Ausbildung zum Glück noch nicht begegnet. An meiner Schule hat vermutlich kaum eine Lehrkraft Ahnung von der aktuellen empirischen Bildungsforschung, aber alle betreiben ausgefeiltes Classroom-Management (jeder auf seine Weise) und betreiben großen Aufwand, um lernwirksamen Unterricht durchführen zu können.
Ich möchte noch einmal betonen: Das ist nicht üblich, sonst gäbe es die Notwendigkeit für Projekte wie unterrichtsdiagnostik.de nicht. Lies dir wenigstens die kurze Broschüre durch, dann weißt du, dass ich hier nicht meine Meinung breittrete.

Es gibt in unserem Einzugsgebiet z.B. ganze Grundschulen, die keinen Unterricht mehr machen, und normalbegabte Schüler aus eigentlich unproblematischen Verhältnissen kommen dann auf dem Lernstand eines Zweitklässlers aufs Gymnasium. Die können nicht richtig lesen, schreiben, haben kaum tragfähige mathematische Grundvorstellungen und wissen z.T. nicht, dass und warum man den Mund hält und zuhört, wenn jemand einen Wortbeitrag liefert. Was unsere Sonderpädagogen über ihre Einblicke in den Unterricht der Kollegen berichten, möchte ich hier auch nicht breittreten, nur soviel: Wenn die auf einem Gang unterrichten, gehst du vorbei und denkst, es sind gerade Ferien und niemand ist im Raum. Wenn manche Kollegen unterrichten, denkst du, dass dort gerade Kindergeburtstag gefeiert wird.
Lies dir mal die Publikationen zur IPN-Videostudie zum Physikunterricht oder zur COACTIV-Studie zum Mathematikunterricht durch, dann wird vielleicht noch klarer, was gemeint ist.
Das meinte ich mit schwarz-weiß-Denken. Für dich scheint es irgendwie nur den idealen Lehrertypus in Form eines Verwalters wissenschaftlicher Studienergebnisse und den unprofessionellen Hobbypädagogen zu geben, der im Zufallsmodus vor sich hin wurstelt. Jedenfalls habe ich den starken Eindruck.
Noch eine Umformulierung:
Die Forschungsergebnisse geben dir Leitplanken vor, innerhalb derer du dich frei entfalten kannst - es geht hier nicht um programmierten Einheits-Unterricht, sondern eben um eine Grundvorstellung davon, was man beachten muss.
Nur leider ist es in der Praxis so, dass Kollegen eben wie beschrieben als Geisterfahrer unterwegs sind, indem sie keine Lehrer mehr sein wollen, nicht für eine ungestörte Arbeitsatmosphäre sorgen, keine anregenden Gespräche initiieren und moderieren können, keine anregenden Aufgaben sondern nur "Rechenpäckchen" verwenden - es ist kein schwarz-weiß-Denken, das als unprofessionell zu bezeichnen.
Meine Erinnerungen als Schüler bringe ich in meine Berufspraxis nicht (mehr) ein. Mir ist inzwischen klar geworden, dass man sich als Schüler viel zu subjektiv geprägt an Schule erinnert bzw. immer sehr stark einseitig das schulische Geschehen wahrnimmt. Das soll kein Vorwurf an Schüler/innen sein, aber es ist wichtig, wie ich finde, sich dessen bewusst zu sein.
Dessen bin ich mir bewusst. Nichtsdestotrotz kann ich nun professionell die Tafelbilder (ich habe schon immer sehr akribisch mitgeschrieben) und die Aufgabenkultur analysieren - die Aufgabenblätter liegen mir ja vor - und hinreichend objektiv zu diesem Schluss kommen. Die Analyse von Schulbüchern aus dieser Zeit tut ihr übriges.
Das habe ich nicht behauptet. Ich finde es nur etwas naiv zu glauben, dass Fragebögen geeignet sind, um einen besseren Unterricht zu erhalten. Formative Evaluation hat ja - wie ich oben schon schrieb - nicht notwendigerweise und auch nicht primär Fragebogencharakter, sondern die Lehrperson evaluiert idealerweise ständig den Lernstand der Schülerinnen u. Schüler und die Passgenauigkeit der zum Einsatz kommenden Methoden etc.
Das kann sie erstens nicht so gut wie ein hospitierender Kollege - die Lehrperson muss in erster Linie unter Handlungsdruck unterrichten, und welche Wirkung das auf die Selbstbeobachung selbst einfacher Unterrichtselemente hat, kann man sich bei den Ergebnissen der DESI-Studie ansehen - und zweitens kann sie nur relativ zu ihren subjektiven Theorien evaluieren. Wenn die unzureichend sind, dann kommt dabei schon mal gar nichts raus, und selbst wenn man die Fachlektüre verweigert, dann geben einem die Bögen immer noch eine sehr gute Vorstellung davon, worauf es ankommt.
Was denn jetzt genau?
Entweder man bereitet sich möglichst passgenau auf die Anforderungen der Prüfung vor - und dazu dienen die UBs in der Hauptsache -, oder man versucht, sich selbst als künftige Lehrkraft zu erproben und verschiedenste Dinge auszuprobieren. Jeder weiß, dass beides nur bedingt zusammen passt. Kaum jemand wird in einer UB-Stunde riskieren einen schlechten Eindruck zu hinterlassen, wenn er Methoden oder Interaktionsmuster ausprobiert, die er/sie nicht schon vorher probiert hat und deren Gelingen daher kaum vorhersehbar ist. Letzteres gehört aber dazu, wenn man sich als Lehrperson vor einer Klasse kennenlernen möchte. Das ist jedenfalls meine Überzeugung und das wurde uns übrigens auch im Seminar klipp und klar so gesagt: Probieren sie sich am Anfang aus!
Ich sehe keinen Widerspruch zum bereits Gesagten, bis darauf, dass ich keinen Sinn darin sehe, sich auf Prüfungen vorzubereiten. Ich habe spätestens im Studium angefangen, "fürs Leben zu lernen" und auf diese Weise so gut wie jede Prüfung, ob nun im Diplom, bei der Promotion, im Lehramt oder im Referendariat mit sehr gut abgeschlossen. Immer mit dem Ziel, nicht irgendwie durchzukommen, sondern mit den Prüfern auf Augenhöhe zu diskutieren; mein Abschlusskolloquium fanden sowohl ich als auch meine Prüfer fantastisch, weil sie sich ehrlich darüber gefreut haben, dass da mal kein Herumgedruckse herauskommt. Ein Schulleiter nahm mich nach dem Vorstellungsgespräch sogar zur Seite und sagte, dass er noch nie erlebt habe, dass jemand in so einer Situation nicht darauf spekuliert, was man hören wolle, sondern so offen und fundiert klare Kante zeigt.

Es geht mir einzig darum, dass man sich eben nicht beliebig ausprobieren kann, sondern nur innerhalb der o.g. Leitplanken. Wenn man die nicht kennt, dann ist es die Aufgabe des Mentors, innerhalb dieser Grenzen bei der Planung unterstützen und anschließend auch bei der Reflektion/Evaluation.
Dass ein 45-minütiger Monolog genauso wie Fragen mit Einwort-Antworten, aktiv-entdeckendes Lernen ohne ausreichendes Vorwissen oder ein 5-wöchiges Stationenlernen in einem Gebiet mit vertikaler Wissensvernetzung Mist sind, muss man nicht ausprobieren, das kann man nachlesen.
Nein. Natürlich meinte ich NICHT das perfekt laminierte Arbeitsblatt. Für wie blöde hälst du mich denn eigentlich? Die meiste Zeit grüble ich über Arbeitanweisungen, Abstufungen von Schwierigkeitsgraden und konkreten Formulierungen bzw. pädagogischen Hilfestellungen etc., um die Zone der proximalen Entwicklung - um auch mal etwas Fachjargon unterzubuttern - bestmöglich zu erwischen und das auch noch bei verschiedenen Niveaustufen in ein und derselben Klasse.

Das kostet verdammt viel Zeit und Mühe.
Das ist alles sehr löblich, zumal es genau innerhalb der o.g. Leitplanken liegt.
Ich bin aber, wenn ich mein Gegenüber nicht kenne und nur schriftlich mit ihm kommunizieren kann, auch meinen persönlichen Erfahrungen ziemlich schutzlos ausgeliefert - zu Einstellungsterminen fürs Referendariat schnellen die Verkaufszahlen von Laminiergeräten und Methodenbüchern nunmal in astronomische Höhen.
Viele Leute, die du zum Fokus ihrer UB-Vorbereitung befragst, zeigen dir buntes, laminiertes Zeug vor, das inhaltlich eine Beleidigung für den Intellekt der Schüler ist. Oder, wie meine Kernseminarleiterin so schön sagte: Manche Leute denken immer noch, dass Schüleraktivierung etwas mit Ausschneiden zu tun habe.
Wenn ich da mal "entspannt" eine Stunde aus dem Schulbuch heraus vorbereiten kann - und davon spreche ich -, dann habe ich Zeit für andere Sachen, die sonst zu kurz kommen würden. Ich kann dann z.B. auf meine Reaktionen in der Lehrer-Schüler-Interaktion gezielter achten, neue Maßnahmen bei Unterrichtsstörungen erproben und vieles mehr, was sonst - wenn ich nach Stechuhr unterrichte und vorher gesetzte Lernziele umsetzen will - nur sehr bedingt machbar ist.
Auch mit üblichen Schulbüchern kann man anregenden Unterricht gestalten, dagegen hat niemand etwas. Es geht bei der Kritik eher darum, dass häufig das Aktivierungspotential von guten Aufgaben verschenkt wird, indem man eben genau dieses Stechuhrdenken betreibt. Auch Langsamkeitstoleranz ist ein Qualitätsmerkmal.
Ulkigerweise kommt jetzt, da du mal inhaltlich Farbe bekennst, doch dabei heraus, dass wir über dieselben Forschungsergebnisse reden und diese anwenden wollen.
Wahrscheinlich versteht aber nur ein Praktiker, auf was ich hinaus möchte...
Hoffentlich verstehe nicht nur ich, dass man kein Theorie-Praxis-schwarz-weiß-Denken betreiben sollte.

Max_Cohen
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Re: Erwartungen an einen Mentor / Aufgaben eines Mentors

Beitrag von Max_Cohen »

tiger hat geschrieben:
Max_Cohen hat geschrieben:(Über-)Komplexität der Situation
Versteh mich nicht falsch, ich bin selbst ein Freund evidenzbasierten Handelns, nicht nur in der Didaktik. Gleichzeitig bin ich mir nicht sicher, ob du mit dem Pochen auf Forschungsergebnisse die Komplexität nicht sogar unterschätzt.

Ähnlich wie in der evidenzbasierten Medizin, in der z. B. Behandlungsleitlinien für Krankheiten herausgegeben werden, ist die leitlinienkonforme Behandlung zwar im Mittel die sinnvollste, jedoch nicht in jedem Einzelfall. Ähnlich wird es auch in der Pädagogik und der Didaktik sein, etwa beim Classroom Management oder bei der Methodenauswahl. Wenn ich mich immer nur nach den Studienergebnissen richten würde, dann würde ich den unterschiedlichen Lerngruppen wohl weniger gerecht werden, als wenn ich mich von meiner (ich weiß: subjektiven, durch die eigene Biographie bedingten, ...) Erfahrung leiten lasse.
Ich denke, dass ich das jetzt hinreichend mit der Leitplanken-Metapher klargestellt habe. Ich rede ja nicht vom Unterricht "nach Handbuch" sondern von Unterricht, der sich nicht gegen die Evidenzbasis stellt. Ich erkenne bedingungslos an, dass man die bekannten Tiefenstrukturdimension in vielerlei Unterrichtsarrangements umsetzen kann und dabei die Lernvoraussetzungen i.w.S. beachten muss.
Das Problem in der Medizin wie im Unterricht ist natürlich, dass du es ständig mit nicht-wiederholbaren Zufallsexperimenten zu tun hast. Es gibt keine Möglichkeit, den Ausgang vorherzusagen, weswegen man auch in der Medizin leitlinienkonform handeln muss, wenn für den Spezialfall keine bessere Evidenz für anderes Vorgehen vorliegt - aber auch das ist ja leider in der Realität häufig nicht so. Man darf bei alledem keinen Rückschaufehler begehen.

Maximer
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Re: Erwartungen an einen Mentor / Aufgaben eines Mentors

Beitrag von Maximer »

Max_Cohen hat geschrieben: Ich kann dir nicht folgen. Es handelt sich hierbei eigentlich um die Grundlage der Kompetenzorientierung, die sich sehr ähnlich auch in den Bildungsstandards der KMK findet. Das Seminar kann sich nicht darüber hinwegsetzen bzw. etwas ganz anderes verlangen, weil diese Standards eben auch Grundlagen der Ausbildungsordnungen sind.
Glaubs mir einfach, das Seminar ist allmächtig. Die entscheiden am Ende darüber, ob sie dich als Lehrperson vor der Klasse sehen wollen oder eben nicht. Bildungsstandards sind schwammig genug formuliert, um sie nahezu beliebig dehnbar auslegen zu können.
Max_Cohen hat geschrieben: Nur leider ist es in der Praxis so, dass Kollegen eben wie beschrieben als Geisterfahrer unterwegs sind, indem sie keine Lehrer mehr sein wollen, nicht für eine ungestörte Arbeitsatmosphäre sorgen, keine anregenden Gespräche initiieren und moderieren können, keine anregenden Aufgaben sondern nur "Rechenpäckchen" verwenden - es ist kein schwarz-weiß-Denken, das als unprofessionell zu bezeichnen.
Es geht aber eben wie gesagt um die Ausbildung und zumindest am Anfang des 21. Jahrhunderts gibt es tatsächlich Referendar/innen, die offiziell als "Lernbegleiter" unterwegs sind (sein müssen) und die fragt niemand, ob sie das gut finden. Die wollen einfach ihre Ausbildung hinter sich bringen und weder ihre Mentoren noch ihr Ausbildungsseminar durch mehr oder weniger geniale intellektuelle Quantensprünge eines Besseren belehren.
Max_Cohen hat geschrieben: Ich sehe keinen Widerspruch zum bereits Gesagten, bis darauf, dass ich Immer mit dem Ziel, nicht irgendwie durchzukommen, sondern mit den Prüfern auf Augenhöhe zu diskutieren; mein Abschlusskolloquium fanden sowohl ich als auch meine Prüfer fantastisch, weil sie sich ehrlich darüber gefreut haben, dass da mal kein Herumgedruckse herauskommt.
Dann hast du einfach Glück mit den Prüfern gehabt. Andere werden dafür knallhart rausgeprüft und ich werde den Teufel tun, das zu riskieren, nur weil ich mich im Rechthaben ausprobieren möchte. Dort, wo ich mich gerade befinde, bekommt man in Fachleiterkreisen schon Schnappatmung, wenn Gruppenarbeit oder individualisiertes Lernen auch nur hauchzart kritisch beleuchtet werden. Beispielsweise dass Gruppenarbeit in 45 Minuten gar nicht effektiv ist oder dass selbständiges Lernen für Kinder aus sozial problematischem Milieu nicht uneingeschränkt förderlich sein muss...
Max_Cohen hat geschrieben: Ulkigerweise kommt jetzt, da du mal inhaltlich Farbe bekennst, doch dabei heraus, dass wir über dieselben Forschungsergebnisse reden und diese anwenden wollen.
Ich sagte doch von Anfang an, dass ich von Hause aus Empiriker bin. Aber jetzt will ich vor allem das Referendariat hinter mich bringen und wenn ich dafür ein Glaubensbekanntnis offenen Unterrichts nachbeten muss, dann werde ich das eben tun!

Maximer

Max_Cohen
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Re: Erwartungen an einen Mentor / Aufgaben eines Mentors

Beitrag von Max_Cohen »

[...]Das Seminar ist allmächtig.

Es geht aber eben wie gesagt um die Ausbildung und zumindest am Anfang des 21. Jahrhunderts gibt es tatsächlich Referendar/innen, die offiziell als "Lernbegleiter" unterwegs sind (sein müssen) und die fragt niemand, ob sie das gut finden. Die wollen einfach ihre Ausbildung hinter sich bringen und weder ihre Mentoren noch ihr Ausbildungsseminar durch mehr oder weniger geniale intellektuelle Quantensprünge eines Besseren belehren.
[...]

Dann hast du einfach Glück mit den Prüfern gehabt. Andere werden dafür knallhart rausgeprüft und ich werde den Teufel tun, das zu riskieren, nur weil ich mich im Rechthaben ausprobieren möchte. Dort, wo ich mich gerade befinde, bekommt man in Fachleiterkreisen schon Schnappatmung, wenn Gruppenarbeit oder individualisiertes Lernen auch nur hauchzart kritisch beleuchtet werden. Beispielsweise dass Gruppenarbeit in 45 Minuten gar nicht effektiv ist oder dass selbständiges Lernen für Kinder aus sozial problematischem Milieu nicht uneingeschränkt förderlich sein muss...
Wie gesagt: Es ist auch Aufgabe des Mentors, den Referendar vor solchen, ebenfalls unprofessionellen, Auswüchsen zu beschützen, die ja leider hier im Forum immer wieder erwähnt werden. Ich jedenfalls würde das voller Inbrunst tun.
Jedenfalls hoffe ich, dass ich selbst nicht in einer Parallelwelt lebe, in der man schon verstanden hat, dass man Unterrichtsqualität untersuchen kann. Ich behaupte, dass ich nicht hauptsächlich Glück mit den Prüfern hatte, sondern die besseren und fundierteren Argumente - und natürlich, dass die Schüler in meinen Stunden auf breiter Front anspruchsvolle Lernziele erreicht haben.
Aber das eigentlich schockierende daran ist für mich, dass die Referendare sowie die Fachleiter angeblich studiert haben - zumindest werden sie so besoldet. Das klingt alles nicht danach, dass man auch mal einen fachlichen Diskurs führt, was natürlich angesichts der zu erreichenden Bildungsziele für Schüler "zu selbstständigem kritischem Urteil [zu] befähigen" (KMK Bildungsstandards) geradezu lächerlich erscheint - das würde ich dem Fachleiter mal aufs Brot schmieren, wenn die Zustände wirklich so sind, wie du schilderst.
Wenn ich an frühere Mitreferendare denke, dann fehlte da aber oft leider das wissenschaftlich-psychologische und bildungstheoretische Fundament, um irgendetwas zu diskutieren oder einzufordern - auch deren Unterrichtsentwürfe und -reflexionen waren immer in der Kragenweite "hab' ich mir halt so gedacht".
Ich sagte doch von Anfang an, dass ich von Hause aus Empiriker bin. Aber jetzt will ich vor allem das Referendariat hinter mich bringen und wenn ich dafür ein Glaubensbekanntnis offenen Unterrichts nachbeten muss, dann werde ich das eben tun!
Das zeugt aber nicht von Haltung! Und das würde ich den Fachleitern klar so sagen. Du kannst sie gerne auch an mich verweisen oder mich mal als Gastredner einladen, du wirst sehen, dass ich äußerst überzeugend bin.

Abgesehen davon finde ich bei meiner Recherche aktuell keine Studienseminare, die sich solch einen Quatsch offiziell auf die Fahne schreiben.

Maximer
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Re: Erwartungen an einen Mentor / Aufgaben eines Mentors

Beitrag von Maximer »

Max_Cohen hat geschrieben: Das zeugt aber nicht von Haltung! Und das würde ich den Fachleitern klar so sagen. Du kannst sie gerne auch an mich verweisen oder mich mal als Gastredner einladen, du wirst sehen, dass ich äußerst überzeugend bin.
Das Angebot ist echt nett, aber ich habe schlicht und ergreifend keine "Böcke" auf einen Kleinkrieg mit meinen künftigen Prüfern. Ist das so schwer zu verstehen?

Was bringt es mir, wenn ich im Recht bin und dafür die persönliche Ebene zu meinen Fachleiter/innen den Bach runter ist? Dann kann ich mir mein Leben lang auf die Schulter klopfen voller Stolz, dass ich im Heiligenschein der Wahrheit das Zeitliche segnete.

Das Problem dabei: Ich will primär erstmal Lehrer werden, danach kann ich immernoch lange genug Berufs-Rambo spielen, wenn mir nichts besseres einfällt.
Max_Cohen hat geschrieben: Abgesehen davon finde ich bei meiner Recherche aktuell keine Studienseminare, die sich solch einen Quatsch offiziell auf die Fahne schreiben.
Die offiziellen Leitlinien sind häufig nichtssagend weil völlig schwammig formuliert. Was die konkret wollen, das bekommst du erst mit, wenn du drin bist und mit der Realität konfrontiert wirst.

Schönen Sonntag!
Maximer

Max_Cohen
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Re: Erwartungen an einen Mentor / Aufgaben eines Mentors

Beitrag von Max_Cohen »

Maximer hat geschrieben:[
Das Angebot ist echt nett, aber ich habe schlicht und ergreifend keine "Böcke" auf einen Kleinkrieg mit meinen künftigen Prüfern. Ist das so schwer zu verstehen?

Was bringt es mir, wenn ich im Recht bin und dafür die persönliche Ebene zu meinen Fachleiter/innen den Bach runter ist? Dann kann ich mir mein Leben lang auf die Schulter klopfen voller Stolz, dass ich im Heiligenschein der Wahrheit das Zeitliche segnete.

Das Problem dabei: Ich will primär erstmal Lehrer werden, danach kann ich immernoch lange genug Berufs-Rambo spielen, wenn mir nichts besseres einfällt.
Ach, Berufs-Rambo ist doch viel zu grobschlächtig. Ich habe mich mal als Herbert Wehner des Lehramts bezeichnet. Und als Idealist und Bildungsromantiker.
Mit Kleinkrieg hat das nichts zu tun, sondern
a) mit Hilfe zur Professionalisierung der Lehrerausbildung,
b) mit dem Schutz der Schüler, wie du ja schon richtig in Bezug auf Schüler aus ungünstigen sozio-ökonomischen Verhältnissen bemerkt hast,
c) mit der Sicherung unserer eigenen Pensionszahlungen - wer soll die leisten, wenn wir keine kompetenten Schüler "produzieren", die sich sinnvoll in eine demokratische Gesellschaft einbringen,
d) und letztlich auch mit einer gelebten wissenschaftlichen Streitkultur.

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