Enthüllungsstory

Grundsätzliche Fragen zum Referendariat können hier gestellt werden
Antworten
rissig21
Beiträge: 33
Registriert: 12.04.2017, 10:56:40

Re: Enthüllungsstory

Beitrag von rissig21 »

Zeltan hat geschrieben: Achja und was die Sache mit dem Frontalunterricht angeht. Frontalunterricht wird nicht verteufelt. Es gibt zahlreiche Situationen in denen dieser durchaus mehr Sinn macht als eine andere Sozialform. In Prüfungssituationen sollte man diese Vermeiden, da man eigenständiges Arbeiten und Selbstlernen bei Schülern erleben will.
Also wäre deiner Meinung nach Frontalunterricht ein Unterricht ohne Eigenständigkeit und Selberlernen der Schüler?

Sorry für die direkte Frage, aber mich wundert das einfach etwas - in welchen "zahlreichen Situationen" macht sowas denn "mehr Sinn als eine andere Sozialform"?

Für mich wäre das einfach kein guter Unterricht, wenn Schüler nicht selbst lernen können und unselbständig bleiben...

Aber wie ich schon oben geschrieben habe, ist "Frontalunterricht" für mich sowieso ein Begriff ohne wirklichen Inhalt. Solche Aussagen wie die von dir sind der Grund dafür.

illuminator
Beiträge: 9
Registriert: 08.04.2017, 18:21:57

Re: Enthüllungsstory

Beitrag von illuminator »

Ich verweise mal auf diesen knapp 6 Jahre alten Thread, der schon ziemlich in die Tiefe ging:

viewtopic.php?f=1&t=23202

(Berechtigte) Kritik am Referendariat scheint nicht wirklich erwünscht zu sein.
Zuletzt geändert von illuminator am 12.04.2017, 17:20:48, insgesamt 1-mal geändert.

Rets
Beiträge: 117
Registriert: 06.04.2017, 8:12:12
Wohnort: Hessen / Gy / M / eR

Re: Enthüllungsstory

Beitrag von Rets »

Frontalunterricht in Mathematik geht z.B. so:

Der Lehrer zeigt nach einem motivierenden Einstieg einen neuen mathematischen Zusammenhang an der Tafel. Nach etwa 10-15 Minuten haben die SuS dann schließlich - ggf. differenzierte - Aufgabenstellungen, um den neuen Zusammenhang selbstständig einzuüben, zu vertiefen und Spezialfälle, Erweiterungen des neuen Satzes, Strategien etc. zu erlernen.
Dazu am Ende eine "sinnvolle" Ergebnissicherung, die natürlich von den Übungsaufgaben abhängt.

Solchen Frontalunterricht kann man nicht jeden Tag machen, gerade in der Mathematik gibt es einiges, was die SuS sich selbst erarbeiten sollten, da dadurch der Grundvorstellungsaufbau gefördert wird (z.B. beim Thema Brüche). Gleichzeitig gibt es auch extrem viele Themen, die für diese Form des Unterrichts geeignet sind, z.B. bei der Division von Dezimalzahlen gibt es echt nicht viel, was wichtig wäre, dass die SuS das selbst erarbeiten.

Warum bietet sich bei solchen nicht weiter tiefgründigen Dingen Frontalunterricht zuweilen an? Weil er a) vorbereitungsarm ist und b) eine recht gute Breitenwirkung erzielt. Letztere insbesondere dann, wenn man die Übungs-/Vertiefungsphase wirklich differenziert gestaltet und so Raum hat, den schwächeren SuS noch einmal vertiefend zur Seite zu stehen.

Eine andere Form des Frontalunterrichts wäre das Unterrichtsgespräch. Das erscheint mir persönlich in Mathe z.B. dann sinnvoll, wenn alle wesentlichen Themen erarbeitet wurden und man dann nach einer längeren Übungsphase ggf. über Hausaufgaben (oder halt Übungsaufgaben) spricht. Dabei können die SuS ihre Fehler und Fragen einbringen und man kann als Lehrkraft den Unterricht moderieren oder halt - falls kein Schüler dazu bereit ist - die Fragen selbst beantworten. Für solche Phasen hat man dann durch sein fachdidaktisches Wissen auch ein paar "typische" bzw. "systematische" (also mit falschen Grundvorstellungen verbundene) Fehler dabei, die man ggf. als Impuls noch zusätzlich reingeben kann. Auch hier der Vorteil, dass man mit vergleichsweise wenig Vorbereitungszeit in sehr kurzer Zeit eine Menge ansprechen kann.

Nachteil ist natürlich dabei, dass man sich der Breitenwirkung nicht sicher sein kann. Außerdem kann man nicht sicher wissen, dass es wirklich von Vorteil war, "eine Menge" anzusprechen. Schließlich schalten in solchen Phasen Schüler ggf. gern mal ab und hören nicht wirklich zu. Aber alle diese Nachteile haben selbst erarbeitende Lernarrangements letztlich auch... oder?

Drops
Beiträge: 1501
Registriert: 22.09.2008, 20:39:26
Wohnort: RLP

Re: Enthüllungsstory

Beitrag von Drops »

illuminator hat geschrieben:Ich verweise mal auf diesen knapp 6 Jahre alten Thread, der schon ziemlich in die Tiefe ging:

viewtopic.php?f=1&t=23202

(Berechtigte) Kritik am Referendariat scheint nicht wirklich erwünscht zu sein.
Seit wann sollte Kritik am Ref hier denn nicht erwünscht sein? Wo liest Du das denn raus? So oder so kommt es doch immer drauf an, wie Kritik geäußert wird.

Beispiele:
- "Mein FL hasst mich" ist keine Kritik, sondern eine recht subjektive Wahrnehmung, mit der wir hier wenig anfangen können.
- "Alle anderen Lehrer an meiner Ref-Schule können nicht unterrichten und nur ich weiß, wie es richtig gemacht wird" ist ja ebenfalls keine konstruktive Kritik, hören (bzw. eher lesen) wir hier aber öfter.

Wenn ich sehe, was Referendare so schreiben und wie sie Kritik äußern, sträuben sich mir doch manchmal die Nackenhaare. Das, was im Ref gelehrt wird, ist u.a. ja auch das Reflexionsvermögen und das geht einigen hier tatsächlich ab. Da ist keine Distanz zu sich selbst als Lehrperson zu erkennen, was teilweise erschreckend ist.

Mein Ref war absolut unschön und ich habe unter vielen Dingen selbst gelitten (kann man hier alles nachlesen), doch bestimmte Aspekte sind -insbesondere nach einigen Jahren- wichtig gewesen erlernt zu werden, auch wenn's ne harte Schule war (im wahrsten Sinne des Wortes).

Momentan muss ich eine Referendarin an meiner Schule ausbilden, die ungelogen ständig heult und sich sehr ausdauernd im Ton vergreift. Obwohl bereits Ende 20 besitzt sie keinerlei Reflexionsvermögen, hasst alles (außer sich selbst; sie findet sich selbst ganz phantastisch, was aber von anderen anscheinend nicht erkannt wird) und zeigt das jede Minute. So scheitert man und das im großen Stil. Ihr wäre sicherlich zu helfen, wenn sie nur mal verbalisieren würde, wie man das anstellen soll. Aber so zieht man sich eben zurück, ich hab auch noch andere Baustellen bei einer vollen Stelle als einer Referendarin das Händchen zu halten. Da muss sie halt alleine durch.

Was ich damit sagen möchte, ist, dass man von Auszubildenden erwarten kann, konstruktive Kritik zu äußern, denn dann bekommt man diese auch zurück.

tiger
Beiträge: 424
Registriert: 12.02.2017, 2:21:44

Re: Enthüllungsstory

Beitrag von tiger »

Rets hat geschrieben:Frontalunterricht in Mathematik geht z.B. so:

Der Lehrer zeigt nach einem motivierenden Einstieg einen neuen mathematischen Zusammenhang an der Tafel. Nach etwa 10-15 Minuten haben die SuS dann schließlich - ggf. differenzierte - Aufgabenstellungen, um den neuen Zusammenhang selbstständig einzuüben, zu vertiefen und Spezialfälle, Erweiterungen des neuen Satzes, Strategien etc. zu erlernen.
Dazu am Ende eine "sinnvolle" Ergebnissicherung, die natürlich von den Übungsaufgaben abhängt.
Nein, das ist kein Frontalunterricht, sondern "Direkte Instruktion" (jedoch ohne Rückmeldung an die Schüler und ohne Fehlerkorrektur).

Frontalunterricht bedeutet: Lehrervortrag oder fragend-entwickelnder Unterricht. Eigenständige Übungen sowie Aufteilung der Lerngruppe oder (selbst-)differenzierende Aufgaben sind gerade keine Merkmale von Frontalunterricht.

Echter Frontalunterricht ist tatsächlich vorbereitungsarm, den kann ich zu jedem beliebigen Thema aus dem Stegreif halten. Das, was du beschreibst, erfordert schon einen erheblichen Aufwand, nämlich das Erzeugen differenzierter oder differenzierender Aufgaben. Wenn diese für den eigenen Unterricht passgenau sein sollen, hilft einem nämlich weder das Lehrbuch noch die Klett-Arbeitsblattsammlung weiter.

kecks
Beiträge: 1628
Registriert: 01.04.2009, 6:09:18

Re: Enthüllungsstory

Beitrag von kecks »

naja, das ist deine defintion. da gibt's in der literatur durchaus andere begriffsbestimmungen von "frontalunterricht"... ich finde deinen begriff sehr eng, da wird zuviel ausgeschlossen, was im unterrichtsalltag unter "frontal" läuft.

reden wir von sozialformen? von räumlichen strukturen? von redeanteilen? von einer darbietungsweise (das wäre dann ein mischbegriff...)?

je länger ich lehrerin bin, umso weniger reizen mich dergleichen fragen. ich finde es viel produktiver und vor allem spannender, kollegen bei best practice zu beobachten und dann gemeinsam zu fragen, warum diese methode mit dieser didaktik bei diesen inhalten in dieser lerngruppe zu dieser tageszeit in diesem raum funktioniert hat oder eben auch nicht oder inwiefern es wenigstens ein bisschen ertragreich war. (und was heißt überhaupt 'ertragreich'?)

rissig21
Beiträge: 33
Registriert: 12.04.2017, 10:56:40

Re: Enthüllungsstory

Beitrag von rissig21 »

tiger hat geschrieben: Nein, das ist kein Frontalunterricht, sondern "Direkte Instruktion" (jedoch ohne Rückmeldung an die Schüler und ohne Fehlerkorrektur).
Ja genau. Genau das ist das Problem. Frontalunterricht ist alles und nichts und trotzdem weiß jeder irgendwie ganz genau, was es ist.

Der Lehrer steht vor der Klasse und hält 45 min. Monolog. Wenn es das sein soll, dann hatte ich im Leben noch keinen Frontalunterricht (obwohl ich viele mäßige Lehrer hatte). An der Uni heißt sowas dann Vorlesung und nicht FU.
tiger hat geschrieben: Frontalunterricht bedeutet: Lehrervortrag oder fragend-entwickelnder Unterricht.
Das ist für mich auch verwirrend. Meinst du jetzt, dass die Unterrichtsstunde nur aus dem Lehrervortrag oder dem fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch besteht? Das wäre für mich halt wieder schlechter Unterricht (weil viel zu einseitig). Dann wäre aber auch z.B. 45 min. nur Gruppenarbeit pur genauso schlechter Unterricht.

Wenn aber Lehrervortrag/fragend-entwickelnd etc. immer nur Teile des Unterrichts sind, kann es auch z.B. eine Stunde sein, die nach direktem Unterricht strukturiert ist... also wieder nix mit FU...

Antworten