Ein Realschullehrer berichtet anonym aus der Schule

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Martin S
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Registriert: 03.02.2017, 19:52:01

Ein Realschullehrer berichtet anonym aus der Schule

Beitrag von Martin S »

Der Realschullehrer Januar 2017

Es gibt Tage, da schäme ich mich ein Realschullehrer zu sein.
So ein angesehenes Land wie Baden-Württemberg hat es geschafft, sein Bildungssystem in den letzten Jahren zu ruinieren.

Noch vor 10 Jahren wurden die Schüler in der Realschule gut und erfolgreich unterrichtet. Und heute? Die Bedingungen an der Realschule sind so grottenschlecht geworden, guter Unterricht ist oft nicht mehr möglich. Wir Lernprofis werden durch „Projekte“ und „neuen Strukturen“ ausgebremst.

Ich möchte hier davon berichten, weil ich es nicht mehr aushalte, was da in der Realschule passiert.
Ich darf an den Elternabenden nicht erzählen, was ich beobachte, sondern muss mal wieder eines der neuen Projekte schönreden und verkaufen.

Ich bin Lehrer an einer Realschule in Baden-Württemberg, über 50 Jahre alt, mit 25jähriger Berufserfahrung. Ich möchte anonym bleiben um die Schüler, die Kollegen und mich zu schützen. Ich bin ein guter Lehrer, kreativ, mit vielen erprobten Unterrichtstunden und Materialien, binde neue Gedanken und Medien in meinen Unterricht ein und habe oft Freude am Beruf. Aber was jetzt passiert in den Realschulen ist eine Sünde an den Kindern!

Deshalb habe ich auf dieser Facebook-Seite

https://www.facebook.com/Der-Realschull ... 438386625/


meine Beobachtungen aufgeschrieben.

tiger
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Registriert: 12.02.2017, 2:21:44

Re: Ein Realschullehrer berichtet anonym aus der Schule

Beitrag von tiger »

Interessant. Wo die Gymnasiallehrer klagen, dass es so bald nicht mehr weitergehen kann, sind die Realschullehrer schon weiter: Das System scheint nur noch grenzwertig funktional zu sein.

SylviaR
Beiträge: 84
Registriert: 16.08.2010, 19:27:16
Wohnort: HB/BK/Wirtschaft/Politik

Re: Ein Realschullehrer berichtet anonym aus der Schule

Beitrag von SylviaR »

Hab mal quer überflogen. Mir ist es zu viel Jammerei, zu wenig konstruktiv. Ja, das Leben der ist hart und ungerecht. Mach halt das Beste draus.

tiger
Beiträge: 424
Registriert: 12.02.2017, 2:21:44

Re: Ein Realschullehrer berichtet anonym aus der Schule

Beitrag von tiger »

Das würde ich so nicht sagen. Der Autor ist immerhin schon Jahrzehnte im Schuldienst und beklagt sich nicht nur über den gegenwärtigen Zustand, sondern darüber, dass sich die Bedingungen im Laufe der Zeit immer weiter verschlechtert haben.

Mit konstruktiver Kritik ist es hier auch nicht getan, weil die Problemstellen im wesentlichen durch politische Entscheidungen zustande gekommen sind. Auf der Ebene der Schule oder des einzelnen Lehrers kann man nur symptomatisch Abhilfe schaffen, aber die Wurzel des Übels bleibt.

BrickInTheWall
Beiträge: 1
Registriert: 12.02.2017, 20:33:25

Re: Ein Realschullehrer berichtet anonym aus der Schule

Beitrag von BrickInTheWall »

Hallo zusammen,

ich kann das nicht ganz nachvollziehen. Ich bin selbst seit 11 Jahren Realschullehrer in BW. In den 1990ern war ich 6 Jahre lang Schüler dieser Schulart und zwar an einer Realschule mit einem tollen Ruf.

Ich höre heute immer, dass man eine "gut funktionierende Schulart" kaputtmacht. Ist das so? TIMMS und PISA zeigen seit bald 20 Jahren permanent auf, dass diese Schulart bei weitem nicht so gut funktioniert. Fachlich bestenfalls im Durchschnitt, in vielen Kompetenzbereichen und insbesondere z.B. bei den Einstellungen gegenüber den Naturwissenschaften katastrophal!

Sowohl als Schüler als auch als Lehrer erlebe ich die Realschule eher so: Die Schüler kommen an und wissen nicht, was sie erwartet. Anstelle des eigenen Gestaltens des Lernprozesses und anstatt der Übernahme von Selbstverantwortung ist es eine totale "Fremdbespaßung". Inhalte und Lehrer wechseln im Takt von 45 Minuten, was jedem Sinn und Verstand und jeder Erkenntnis aus dem Bereich der Lernpsychologie widerspricht.

Minimalaufwand zu Hause, wenn die Hausaufgaben denn überhaupt noch erledigt werden. Der erste, der das Matheblatt gelöst hat, verteilt es per WhatsApp. Dementsprechend auch Bulimielernen: Ein oder zwei Tage vor der KA alles reinfressen und dann "auskotzen". Totale Beschränkung auf Inhalte, praktisch keine bewerteten Kompetenzen.

Und das Beste: So bekommt ein Großteil der Schüler am Ende doch die 2,3 im Schnitt und steht mit ner Auszeichnung auf der Bühne. Mama und Papa sind so stolz, die Schulzeit war so toll (vor allem das Schullandheim) und die Realschule ist ja eine so tolle Schulart.

Und jetzt kommen die knallharten, gnadenlosen und beweisbaren Tatsachen: keine längerfristigen Kompetenzen trotz guter Noten. Abfall im Länderranking, obwohl hier noch die alte Realschule mit Grundschulempfehlung (!!!) bewertet wurde. Immer mehr Arbeitgeber, welche die Zeugnisse nicht mehr ernst nehmen und auf Einstellungstests setzen.

Wenn man mich fragt wurde es höchste Zeit, was zu ändern!

Hauptschulpauker
Beiträge: 123
Registriert: 22.04.2013, 14:55:13

Re: Ein Realschullehrer berichtet anonym aus der Schule

Beitrag von Hauptschulpauker »

Dass früher alles besser, schöner, geordneter und bunter war, ist ein Topos, der sich über die Jahrtausende wiederholt - und trotzdem nicht wahrer wird.
Der Mensch blendet in der Erinnerung schlechte Erfahrungen aus und merkt sich - aus reiner Seelenhygiene - in der Regel die positiven Dinge. Je älter man wird, umso mehr Zipperlein kommen hinzu - hier ist es durchaus richig, dass man in der Jugend rüstiger war und manches leichter weggesteckt hat.

Wie zuvor bereits angemerkt, haben sich die Rahmenbedingungen für den Unterricht geändert. Teils zum Positiven, teils zum Negativen. Der Staus Quo ist nicht fixierbar. Schule und Unterrichtsgestaltung müssen auf die geänderten Rahmenbedingungen reagieren. Seit Jahrhunderten und die Klagen über die Schülergeneration sind Legion:

Hier gibt es eine nette zitatsammlung dazu:
http://www.autenrieths.de/links/jugendvonheute.htm

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