Deutsch unterrichten als Nichtmuttersprachler

Grundsätzliche Fragen zum Referendariat können hier gestellt werden
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Freigeist
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Deutsch unterrichten als Nichtmuttersprachler

Beitrag von Freigeist »

Hallo Leute,

kennt ihr Referendare oder Lehrer, die Deutsch unterrichten und Nichtmuttersprachler sind?
Wie kommen sie bei den Schülern und Eltern an?

Ich habe mich vor kurzem um eine Vertretungsstelle (Privatschule) beworben und wurde auch zu einem Gespräch eingeladen. Lief eigentlich ganz gut, jedoch haben sie sich dann doch für einen anderen Bewerber entschieden.
Mein Gefühl sagt mir, dass es wohl auch ein wenig mit meinem Akzent zu tun hat (im Speziellen das rollende "r" ). Wie ich drauf komme? Nach 5 Minuten kam die Frage "Woher kommen sie denn ursprünglich?" (das stand schon im Lebenslauf, aber gut...) und im weiteren Verlauf kam noch mal etwas in der Art ("Den Akzent wird man auch nie los.").

Ich hatte weder in der Schule noch an der Uni Probleme damit und ich hab mir auch nie wirklich Gedanken darüber gemacht. Nun mache ich mir aber schon Sorgen, wie das wohl demnächst im Referendariat ankommen wird, ob es vielleicht auch mit "Inkompetenz" gleichgesetzt wird? Ob ich in eine Schublade gesteckt werde? Ob die Eltern/Schüler sich beschweren werden?!

Ein ehemaliger Kommilitone hat mir den "Kleinen Hey" (Buch über Sprecherziehung/Sprechtraining) vorgeschlagen; habe das Buch bestellt, aber ist noch nicht angekommen, daher weiß ich nicht, ob es in meinem Fall hilfreich sein wird :(

Bibi88
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Re: Deutsch unterrichten als Nichtmuttersprachler

Beitrag von Bibi88 »

Ich habe mehrere Bekannte, die als Nichtmuttersprachler Deutsch und sogar DaZ/DaF unterrichten... Finde ich nicht besorgniserregend, meiner Ansicht nach wurde ja in deiner Ausbildung (=Studium) ausreichend geprüft, ob du der Sprache mächtig bist :lol:
Und letzten Endes unterrichten ja fast alle Englisch-, Spanisch-, Französisch-, ...-Lehrer nicht ihre Muttersprache. :cool:
Our destiny is frequently met in the very paths we take to avoid it.

chilipaprika
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Re: Deutsch unterrichten als Nichtmuttersprachler

Beitrag von chilipaprika »

Ja, ich kenne einige, bin selbst eine ;-)
Allerdings habe ich mein Ref ausdrücklich NICHT in Deutsch gemacht.
An meiner Ref-Schule wurde mir von der Schulleitung gesagt, dass sie mich nicht einstellen würden, unter anderem, weil sie mich in Deutsch nicht einsetzen würden und ich würde sicher darüber traurig sein (und weil ich mit Mitte 30 noch kein Kind hatte, was sicher der wichtigere Grund war).
An der Schule, an der ich jetzt bin (Planstelle, aber sie kannten mich schon von einer Vertretung davor) habe ich direkt 3 Deutsch-Klassen übernommen. Ich hatte auch die nächsten Jahre durchgehend Deutschklassen, dieses Jahr ist das erste Mal. Es hat durchaus an meinem Ego gekratzt, es hat aber angeblich andere Gründe.
Mit Eltern und KollegInnen hatte ich nie Probleme, mit SchülerInnen auch nicht, auch wenn einige mal lachen, wenn ich Fehler mache, aber das ist immer lieb gemeint. Es hängt sicher mit der Sozialstruktur zusammen, viele unserer SchülerInnen sind keine reinen MuttersprachlerInnen, aber auch mit akademisch gebildeten "Bio-deutschen" Eltern hatte ich nie Probleme. Nur einmal und es war was komplett Anderes. und es hängt ganz sicher auch von der "Intelligenz" der Schulleitung ab.
Wir haben übrigens keinen besonderen Deutschlehrermangel, wiederum Bedarf in einem anderen Fach, meine Schulleitung hat das Fach Deutsch und weiß, dass ich einen Akzent habe, ab und zu Fehler mache und mir trotzdem Oberstufenkurse anvertrauen würde (ich hatte bis jetzt nur bis zur EF, Q1 war aber schon im Gespräch).
An einer Schule, die mir wegen eines rollenden r keinen Kurs geben würde, möchte ich im Übrigen nicht arbeiten.

Meine Nicht-Muttersprachler-Freunde, die Deutsch unterrichten, haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Überall, wo es Probleme im Ref gab (eifrige Eltern haben Angst, dass ihr 5t-Klässler-Kind später das Abitur nicht schafft), ist es dank guter Schulleitung gelöst worden ("Was? Was stellen Sie denn die Kompetenz von Frau Dupont in Frage? Diese Referendarin ist genauso qualifiziert, ich will Sie nie wieder in meinem Büro sehen, außer Sie haben begründete Sorgen"). und ob, alles gut.

chili

Freigeist
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Re: Deutsch unterrichten als Nichtmuttersprachler

Beitrag von Freigeist »

@Bibi88

Ja, das stimmt. Aber die ganzen Spanischlehrer und Englischlehrer haben auch sehr selten Muttersprachler im Unterricht sitzen. Deutsch ist für die Mehrheit eben die Muttersprache, auch wenn es mittlerweile in den Großstädten bzw. in den einzelnen Stadtvierteln anders ausschaut.
Und natürlich bin ich des Deutschen mächtig. Es ist einfach nur der Akzent, der wohl auffällt. Ich komme aus dem slawischen Sprach- und Kulturraum, aber ich rede nicht wie die Klitschko-Brüder. Ich betone auch dieses Anfangs-h nicht, was dann zu "Chut" oder so führen kann. Irgendwie scheint es nur dieses rollende R zu sein, aber ich arbeite dran.

Vielleicht kennt jemand hier noch ein paar gute Bücher, Hörbücher etc. Schauspieler können sich ja auch Akzente "wegtrainieren" oder eben neue lernen, falls ihre Rolle das erfordert.

@chilipaprika

Hat dir die Schulleitung einfach so gesagt, dass sie dich in Deutsch nicht einsetzen werden? Können die das überhaupt machen? Im Endeffekt zählt doch eh immer die Note?! Oder haben sie zu dem Zeitpunkt einfach keine Deutschlehrer gebraucht (was ja dann verständlich wäre)?

Jula13
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Re: Deutsch unterrichten als Nichtmuttersprachler

Beitrag von Jula13 »

Ich hatte eine Mitreferendarin, die auch aus Osteuropa kam und Deutsch als Fach hatte. Na, die konnte aber Deutsch! Sie sprach zwar mit Akzent, aber definitiv grammatisch korrekter als die meisten Muttersprachler. Da hatte die Schulleitung überhaupt keine Bedenken.
Dass die Eltern aber erst einmal misstrauisch reagieren, damit muss man rechnen. Solche Vorbehalte lassen sich am Elternabend aber sicher abbauen.
Steh ruhig zu Deiner Biographie.

chilipaprika
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Registriert: 28.08.2009, 10:46:00

Re: Deutsch unterrichten als Nichtmuttersprachler

Beitrag von chilipaprika »

Freigeist hat geschrieben:
@chilipaprika

Hat dir die Schulleitung einfach so gesagt, dass sie dich in Deutsch nicht einsetzen werden? Können die das überhaupt machen? Im Endeffekt zählt doch eh immer die Note?! Oder haben sie zu dem Zeitpunkt einfach keine Deutschlehrer gebraucht (was ja dann verständlich wäre)?
Hallo!
Ich war im Ref an dieser Schule in zwei anderen Fächern (ich habe 3 Fächer, Deutsch ist eins davon).
An dieser Schule wäre tendenziell mit Elternstress mehr zu rechnen gewesen und die Schulleiterin hätte mich also nur in den 2 anderen Fächern eingesetzt, wenn sie mich eingestellt hätte. Wahrscheinlich hätte sie mich doch auch in Deutsch eingesetzt, es ist immer eine gute Entlastung der Deutschfachschaft, wenn man mehr Kollegen hat, aber sie hatte halt Vorurteile.

chili

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