Die heutigen Referendare...

Grundsätzliche Fragen zum Referendariat können hier gestellt werden
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Illi-Noize
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Illi-Noize »

http://www.bpv.de/aktuelles-presse/pres ... sspur.html
Das Gymnasium ist die einzige Schulart, die ihre Schülerschaft primär auf ein Hochschulstudium vorbereitet. Zurecht ist daher an keiner anderen Schulart das fachliche Angebot so breit, der inhaltliche Fokus so tief und die Behandlung der Themen so anspruchsvoll. Gerade weil zahlreiche Vergleichsstudien zeigen, dass Gymnasiallehrkräfte besonders gut auf ihre Aufgaben vorbereitet sind, sollten die bewährten Ausbildungsstrukturen nachgeschärft werden: Die Fachlichkeit muss noch mehr ins Zentrum der universitären Ausbildung rücken, um das nachfolgende Referendariat zu entlasten. Die Modularisierung des gymnasialen Lehramtsstudiums war hier kontraproduktiv. Qualitätssteigernd ist ein klar strukturiertes fachliches Studienangebot und die zentralen Prüfungen zum 1. Staatsexamen. Hier sind auch die Universitäten zu einem kritischen Hinterfragen mancher Entwicklungen aus dem sog. Bologna-Prozess aufgerufen.

cyhyryiys
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von cyhyryiys »

Ich sehe die Diskussion, dass das Studium bereits auf den schulbetrieb abgestimmt sein müsse als zu kurz gedacht. Grade im GS Bereich sollte man in einem Fach zumindest "Gelehrter" sein und diesen Anspruch für sich selbst auch wollen. Würde man an der Uni nun nur eine Wiederholung der Schulzeit auf höherem Niveau anbieten, so ist Eigenständigkeit und der Blick über den Tellerrand kaum gegeben. Man verharrt bequem auf dem stand weiter, den man nach erreichen der studienbefähigung erlangt hat. Braucht es diesen Typus des einfach gestrickten Lehrers, so möge man den Steuerzahler dann aber mittels geringerer Bezahlung entlasten, denn eine Quasi Wiederholung der Schulzeit im Studium plus ein Beruf mit vielen Ferientagen kann man dann dem durchschnittlichen Bürger nur schwerlich mit einer Besoldung höher als die eines Polizisten verkaufen.

donaldinho
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von donaldinho »

Ich bin einerseits froh, dass ich im Studium inhaltlich kilometerweit über den Tellerrand hinausgeblickt und mir wirklich akademische Inhalte angeeignet habe.
Erst dadurch wird man doch Akademiker und vor allem hat man dadurch, eine (je nach Fachrichtung mehr oder weniger große) Chance sich doch noch einmal im akademischen Feld umzuorientieren, falls man des Lehramtes überdrüssig sein sollte.

Andererseits denke ich ebenfalls, dass die Lehramtsausbildung nicht optimal strukturiert ist. Andere Länder, wie Frankreich, die Schweiz oder Schweden bilden ihre Leute auch in 5 Jahren aus und danach erfolgt der Direkteinstieg in den Beruf. Auch in der DDR (Anmerkung: Ich bin kein Linksextremist, kein Sozialist und wünsche mir auch nicht das damalige System zurück) war dies machbar und ältere Lehrer haben mich auch schon gefragt, was wir in den 7 Jahren eigentlich alles machen.

Zur These im Ausgangspost: Erinnert mich an das Gerede über Schüler, die von Jahr zu Jahr schlimmer werden. Die Lehrer vor 15 Jahren haben uns auch gepredigt, wie schlimm und schlecht wir gegenüber den Schülern von einst geworden sind.

Und mein Großvater hat mir immer erzählt wie ehrgeizig und fleißig die Leute "damals" waren, wie er für alles kämpfen musste und nicht alles in den Hintern geschoben bekommen hat. Meine Mutter meinte mal, das hätte ihr Urgroßvater ihr auch schon erzählt.

Ich glaube, das könnte man über die Generationen so weit zurückspinnen, bis man irgendwann im Jahr 6000 v. Chr. bei einer Allem überlegenen "Supergesellschaft" ankommt. Unter anderem mit ausschließlich zuvorkommenden, multitalentierten, fachlich perfekten Referendaren die jede Zusatzaufgabe mit einem Freudentanz entgegennahmen und darüber hinaus ein Drittel ihrer Entlohnung von drei Steinen im Monat wieder direkt an den Schulförderverein spendeten, da sie sich angesichts ihrer unproduktiven Rolle im Schulsystem als absolut überbezahlt ansahen und dies nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten.

Es ist unlogisch und wäre nur schwer zu begründen, dass sich die Referendare binnen 6 bis 10 Jahren "im Allgemeinen" so sehr, und dann auch noch ausschließlich im negativen Sinne, verändert haben.

Ob ich mich nun aufgrund meines "Geldsorgenjammerthreads" von dem Ausgangspost angesprochen fühlen soll, weiß ich nicht. Auf der einen Seite kamen da zum Teil gute Vorschläge mit wenig Geld auszukommen.

Auf der anderen Seite aber auch viele Post, die meine Forderung als unangemessen einstuften, obwohl a) nicht von der Hand zu weisen ist, dass 850 zur Verfügung stehende € immerhin 90€ unter dem liegen, was laut Armutsbericht als "arm" bezeichnet wird. So toll davon leben und am besten noch monatlich 150€ zurücklegen sollte davon i.d.R. einfach nicht drin sein.
b) Ich ja, fernab einiger imaginärer (und evtl. unpassender) Vergleiche zu anderen Berfusgruppen auch einige offensichtliche Ungerechtigkeiten und Argumente auf den Tisch gelegt habe die dann aber, anders als die angreifbaren Vergleiche, von meinen Gegensprechern eher ignoriert werden.

Insofern würde ich Anadurs Aussage zur (teilweisen), prinzipiellen Ablehnung von "Systemkritik" schon zustimmen.

Jula13
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Jula13 »

@Illi-Noize
In NRW scheint die Entwicklung mit der Modularisierung eher dahin zu gehen, didaktischen Modulen und Praxissemestern einen höheren Stellenwert beizumessen. Ich kann das aber nicht beurteilen, weil ich noch ein traditionelles 1. Staatsexamen gemacht und nur die Entwicklung des eher fachwissenschaftlich ausgerichteten Bachelor-Studiengangs mitverfolgt habe. (Tatsächlich wurde in dem Fachbereich, in dem ich damals arbeitete, versucht, alle Inhalte und Anforderungen für das Staatsexamen in 8 Regelsemestern nun abzüglich zweier Hauptseminare und zuzüglich mehrerer Praktika in den 6-semestrigen Bachelor zu quetschen. Das da die inhaltliche Tiefe einer durchlauferhitzerartigen Studiengeschwindigkeit geopfert wurde, ist klar. Allen Beteiligten war zudem klar, dass das Pensum nicht in 6 Semestern zu schaffen war, doch niemand war bereit, auf seine jeweils für wichtig erachteten Studienanteile zu verzichten.)

Und nochmal: Ich habe nie geschrieben, dass das Studium auf die Inhalte und Anforderungen des Sek II-Faches reduziert werden sollte. Nichtsdestoweniger kann man darüber nachdenken, ob in einigen Studiengängen nicht doch über die Sinnhaftigkeit einzelner Inhalte nachgedacht werden könnte, bzw. Dozenten dazu angehalten werden sollten, für Lehramtsstudenten verstärkt (aber nicht ausschließlich) Themen anzubieten, die sich zu den Anforderungen des Lehrberufes in Beziehung setzen lassen. Es ist nicht sinnvoll, thematisch komplett an den Inhalten des Lehrberufes vorbeizustudieren. Was nicht heißen soll, dass sich das Studium rein auf diese Inhalte beschränken sollte.

krabappel
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von krabappel »

Ich glaube, dass es sich manche Studenten zu einfach machen, indem sie über die Dozenten schimpfen, die doch nicht aus der Praxis kommen. Dabei ist den Studierenden (ohne eigene Praxiserfahrung) oft nicht klar, was sie aus den Seminaren mitnehmen können.

Vor kurzem hat sich doch einer beschwert hier, weil er ein Praktikum an einer Grundschule machen sollte etc., was natürlich unter seinem Niveau wäre. Es wird doch auch im Referendariat flächendeckend über den "Sozialpädagogenquatsch" geschimpft, wenn denn mal was "Praxisnahes" angeboten wird!

Jula13
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Jula13 »

Dabei ist den Studierenden (ohne eigene Praxiserfahrung) oft nicht klar, was sie aus den Seminaren mitnehmen können.
Da gebe ich Dir Recht! (Und das trifft meiner Erfahrung nach auch auf das Referendariat zu.)

Als ich mich für meine Examensprüfung im erziehungswiss. Begleitstudium damals für das Prüfungsthema "Klafkis bildungstheoretische und kritisch-konstruktive Didaktik" entschied, war mir nicht klar, dass ich mich damit quasi ideal auf mein Referendariat im Fach Geschichte vorbereitete. Das war ein Volltreffer. Aber bewusst war mir das nicht. (Die Gründe waren schlicht persönliches Interesse und die Erkenntnis, dass sich das Thema aufgrund seiner guten Strukturierbarkeit ideal als Prüfungsthema eignete.) Eben weil auch in den fachdidaktischen Seminaren damals nicht auf die didaktischen Prinzipien des Geschichtsunterrichts eingegangen wurde.
Daher kam mir das, was ich an Unterrichtsmethoden sah, auch so unfassbar falsch vor, weil es dem wissenschaftlichen Umgang mit Geschichte in vielerlei Hinsicht widersprach. Auf diese "Kehrtwende", die ich im Referendariat machen musste, war ich durch die universitäre Fachdidaktik nicht vorbereitet worden. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass zwischen meinen Fachdidaktikseminaren und meinem Referendariat mehr als 10 Jahre lagen ... :oops:

Drops
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Drops »

Jula13 hat geschrieben: Als ich mich für meine Examensprüfung im erziehungswiss. Begleitstudium damals für das Prüfungsthema "Klafkis bildungstheoretische und kritisch-konstruktive Didaktik" entschied, war mir nicht klar, dass ich mich damit quasi ideal auf mein Referendariat im Fach Geschichte vorbereitete. Das war ein Volltreffer. Aber bewusst war mir das nicht. (Die Gründe waren schlicht persönliches Interesse und die Erkenntnis, dass sich das Thema aufgrund seiner guten Strukturierbarkeit ideal als Prüfungsthema eignete.) Eben weil auch in den fachdidaktischen Seminaren damals nicht auf die didaktischen Prinzipien des Geschichtsunterrichts eingegangen wurde.
Da hattest Du Glück! Ich saß damals in einem Seminar, das "Die Sozialisation von Waldorflehrerinnen" hieß. War das einzige, zu dem man sich damals als LA-Student/in anmelden konnte. Hat mir nicht so viel gebracht... 8)

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