Die heutigen Referendare...

Grundsätzliche Fragen zum Referendariat können hier gestellt werden
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Stark
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Stark »

Lysander hat geschrieben:
Die künftige Lehrergeneration...

...kennt keine Suchfunktion oder ignoriert diese geflissentlich,
...beherrscht elementare Regeln der Orthographie nicht,
...scheint mit den Realitäten des Lebens überfordert zu sein,
...nimmt vieles persönlich,
...nimmt sich selbst viel zu wichtig,
...wirkt deutlich unselbstständiger als meine Generation (2003).
... geht davon aus, dass das digitale Zeitalter es jedem ermöglicht, ohne großartige eigene Anstrengung Hilfen und Lösungen kostenlos (bzw. eher auf Kosten anderer) und auf Knopfdruck respektive Mausklick zu holen.
Eine gewisse Bequemlichkeit und Nachlässigkeit gibt es in jeder Generation. Damit beziehe ich mich auf deine ersten beiden Punkte und auf den letzten Punkt.
Die mittleren Behauptungen würde ich zusammenfassend so formulieren:

"Die künftige Lehrergeneration weigert sich, Verantwortung für das eigene Handeln in vollem Umfang zu übernehmen."


Das kann man schon im Umgang mit Praktikanten beobachten und bei vielen Posts hier im Forum. Bei den Refs an unserer Schule habe ich das so auch nur vereinzelt gesehen, aber das könnte wirklich daran liegen, dass man sich im Kollegium eher mit Verschwörungstheorien zurückhält. Wobei ich mit einigen Refs in den letzten Jahren auch mehr oder weniger privat zu tun hatte und sie dort auch nicht anderen die Schuld an Problemen gegeben haben.
Jedenfalls sieht man dieses Verhalten auch schon bei Schülern in Mittel- und Oberstufe. Und darauf möchte ich eigentlich hinaus: Wenn die gegenwärtige Studenten- und Referendarsgeneration unselbständiger ist und Verantwortungen abschiebt, dann liegt das doch in erster Linie daran, dass sie es zu Hause und in der Schulenicht anders gelernt haben. Da müssen sich also die Kollegen, die seit knapp 10 Jahren oder mehr im Dienst sind (dazu gehöre ich selbst, aber zumindest auch Lysander, wenn ich mich nicht irre), fragen, was sie/wir denn falsch gemacht haben.

Anna1979
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Anna1979 »

Das Ende meines Refs ist jetzt 4 1/2 Jahre her und ich stelle schon immer wieder (gerade bei unseren aktuellen Referendaren an der Schule) große Unterschiede zu mir persönlich und zu meiner Ausbildungssituation fest. Einiges davon deckt sich schon mit den aufgelisteten Punkten.

Wir haben einen Referendar, der nur so vor Selbstbewusstsein strotzt. Er kritisierte bereits in der ersten Woche und nach wenigen Hospitationen den Unterrichtsstil der einzelnen Kollegen - und zwar lautstark im Lehrerzimmer. So etwas wäre mir persönlich nie eingefallen - und das hätte ich mir an meiner Ausbildungsschule auch nicht erlauben dürfen. Vor den Sommerferien konnte ich beobachten, wie er dem Schulleiter zur Verabschiedung freundschaftlich auf die Schulter klopfte...
Dann haben wir einen weiteren Referendar, der auch nach über einem Jahr Ausbildung noch keinen Unterrichtsbesuch alleine planen kann. Und da fängt es schon bei der Grundidee für die Stunde an. Wenn man ihm dann mit ein paar Vorschlägen auf die Sprünge hilft, dann greift er die zwar auf, aber das sind dann grundsätzlich alles Sachen, an die er selbst ja auch schon längst gedacht hatte. Beim ihm sind auch grundsätzlich die anderen schuld, wenn etwas nicht wie gewünscht läuft.

Diese zwei Beispiele sind zwar sicherlich nicht repräsentativ für "die heutigen Referendare", aber das sind so grundsätzliche Verhaltensweisen, die mir während meines Refs ganz schnell das Genick gebrochen hätten.
Viel mehr ärgere ich mich aber manchmal noch über unsere Seiteneinsteiger. Die betonen ständig, dass sie ja etwas Besseres sind als Referendare, reiten permanent auf ihrer Berufserfahrung herum und darauf, dass sie ja ein viel größeres Fachwissen haben als "normale Lehrer". Wenn es aber um irgendwelche Zusatzaufgaben geht, dann dürfen sie mit nichts belastet werden, weil sie ja "noch in der Ausbildung" sind. Im Vergleich dazu sind unsere Referendare deutlich engagierter.
Gymnasium NRW * Ref beendet seit Januar 09

Lysander
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Lysander »

Stark hat geschrieben: Jedenfalls sieht man dieses Verhalten auch schon bei Schülern in Mittel- und Oberstufe. Und darauf möchte ich eigentlich hinaus: Wenn die gegenwärtige Studenten- und Referendarsgeneration unselbständiger ist und Verantwortungen abschiebt, dann liegt das doch in erster Linie daran, dass sie es zu Hause und in der Schulenicht anders gelernt haben. Da müssen sich also die Kollegen, die seit knapp 10 Jahren oder mehr im Dienst sind (dazu gehöre ich selbst, aber zumindest auch Lysander, wenn ich mich nicht irre), fragen, was sie/wir denn falsch gemacht haben.
Ich denke schon, dass man versucht hat, ihnen das beizubringen. In den letzten Jahren habe ich Dutzende Schüler erlebt, die sehenden Auges auf die Betonmauer zugerast sind und sich dabei entweder gedacht haben, dass ihr Auto das schon aushält oder dass die Betonmauer im letzten Augenblick zur Seite hüpft.
Der Aufprall ist dann hart - und Schuld hat natürlich die Betonmauer.
Solche "eingebrannten" Verhaltensweise kann man nicht mit noch so viel Konsequenz, Vorbildsein etc. aufbrechen.
Gruß
Lysander

Das beste Argument gegen Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit einem durchschnittlichen Wähler. (W. Churchill)

Jill
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Jill »

Jaja, früher war alles besser...

(Früher war alles aus Holz, habe ich da letztens mal irgendwo, vielleicht sogar hier, als passende Antwort gelesen :lol: ).

Die Antwort auf deine Thesen kann für mich nur heißen:
In einem Internetforum, das dem eigenen Selbstverständnis nach dafür gedacht ist, Rat, Hilfe und Austausch für Referendare zu bieten, finden sich halt nunmal überdurchschnittlich viele Referendare, die Rat und Hilfe suchen oder zumindest auf irgendeine Art und Weise das Bedürfnis haben, sich mitzuteilen. Dass es sich viele dabei recht einfach machen wollen, begegnet einem doch immer wieder - online wie offline.

Dass "der Referendar an sich" innerhalb von 10 Jahren allerdings unfähig, doof, unverschämt und größenwahnsinnig geworden wäre, kann man daraus aber nicht ableiten ;).

Stark
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Stark »

Jill hat geschrieben:Jaja, früher war alles besser...
Beobachtungen, die jemand beschreibt, aber als Allgeimplatz abzutun, hilft aber auch keinem. Dann könnte man auch sagen "Das wird schon seine Richtigkeit so haben..."

@Lysander
Ich weiß ja nicht, wie genau du oder dein kollegiales Umfeld versucht hat, den Schülern beizubringen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Ich kann nur von meinem Unterricht und von meinem Umfeld berichten, dass es dazu nur vereinzelt Versuche gab, die an verschiedenen Dingen gescheitert sind. Zum Teil durch Schulstrukturen, zum Teil durch Gegenwind aus dem Elternhaus, recht häufig aber auch, weil die Lehrkraft (oftmals also ich selbst) nicht ausdauernd oder konsequent genug war. Immer wieder wird das dann unter dem Deckmantel des pädagogischen Handelns verdeckt.
Nur ein Beispiel:
In diesem Forum gab es mal einen Thread, in dem es irgendwann auch um das Abfragen einzelner Schüler an der Tafel ging. Hierbei gab es eine größere Gruppe, die das völlig unpädagogisch fand, denn ein Schüler, der nicht vorbereitet ist, würde dadurch bloßgestellt. Aber gerade hier kann man auch sagen, dass der Schüler eben mit der Konsequenz seines Handelns leben müsste.

Im Grunde geht es darum, dass wir zu häufig Schüler in Watte packen, zum Teil um Konflikten aus dem Weg zu gehen und zum Teil aus einer übertriebenen Fürsorge heraus. Wann immer die üblichen Hardliner hier im Forum dagegen sprechen, stoßen sie auf Entrüstung und Ablehnung.
Dass so ein Verhalten mittelfristig zu Unselbständigkeit und zu der Tendenz führt, den Fehler bei anderen zu suchen, überrascht mich nicht.

Lenya
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Lenya »

Das Ende meines Refs liegt nun knapp 2 Jahre zurück und die Veränderungen, die ich bemerke haben hier definitiv mit der Änderung des Refs an sich zu tun (hier in RLP wurde ja auf Lehramt an Realschulen plus umgestellt). Die Qualität der Ausbildung ist gesunken, und daher geraten wirklich hilfebedürftige Referendare in eine prekäre Situation.

Hier im Forum fällt es natürlich schon auf, dass hauptsächlich negatives berichtet wird. Es ist fast, als wäre das hier eine Sammelstelle für den ganzen Kram, den man sonst nirgends rauslassen kann. Lustig finde ich dabei immer, dass ich mich schon als Studentin hier angemeldet hatte und jetzt auch recht aktiv bin, während meines Referendariats hier aber so gut wie nie reingeschaut habe.
LG, Lenya

Stark
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Re: Die heutigen Referendare...

Beitrag von Stark »

Nach nochmaligem Nachdenken:

Wenn man mal ein wenig über den schulischen Tellerrand hinaus blickt, erkennt man allerdings, dass es ein gesamtgesellschaftliches und generationenübergreifendes Problem ist. Ein anderes Verhalten zeig(t)en Guttenberg, Wulff und de Maiziére auch nicht.

Gerade das Beispiel des "mit offenen Augen gegen die Wand fahren" erinnert auch irgendwie an Christoph Daum und die Haaranalyse. Und das ist immerhin 13 Jahre her...

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