Als Gymnasiallehrer an die Gesamtschule

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kecks
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Registriert: 01.04.2009, 6:09:18

Re: Als Gymnasiallehrer an die Gesamtschule

Beitrag von kecks »

lesen durch schreiben funktioniert toll, wenn man eine 'normale' gs-klasse hat (vs. eine mit einem sehr hohen anteil mit kindern, die einen förderschwerpunkt l haben oder haben sollten oder eine mit migration ohne muttersprachliches deutsch jenseits bestimmter prozentmarken). und es funktioniert *nicht*, wenn die eltern zuhause gegen lehrerrat anfangen, irgendwas zu "korrigieren". vorausgesetzt, die gs-lehrkraft setzt die methode korrekt um. natürlich 'verbessert' man den kinderkram, aber nicht mit rot, sondern z.b. mit "toll, ich kann schon verstehen, was du mir geschrieben hast, und so schreiben das die erwachsenen", und dann schreibt man es unten nochmal vor. die kinder schreiben das i.a. sehr gerne nochmal nach ("ich kann schreiben wie frau kecks!" sagt mein patenkind!). man streicht nichts durch, man kritisiert nicht den text des kindes, sondern man fördert die schreibfreude *und* erreicht eine deutlich (!) schnellere alphabetisierung, als bei oldschool-vorgehen (wobei lesen durch schreiben auch schon oldschool ist, meine mutter hat das schon vor dreißig jahren an der dorfgrundschule so gemacht...). der herkömmliche buchstabenlehrgang läuft nebenher, die rs-schulung beginnt ebenfalls ganz normal. die kinder lesen um weihnachten rum mehrheitlich (bei bayerischem schulbeginn im september). ohne reichen war das erst ostern rum der fall.

problematisch ist die methode für lrs-kinder und für schwache kinder im allgemeinen. aber die werden eigentlich bei kompetenter klassenführung (aka korrektem einsatz der methode) durch den parallelen buchstabenlehrgang aufgefangen.

kurz: schlechtere rs-leistungen an weiterführenden schulen auf reichen zu schieben zeugt von unkenntnis und v.a. von populismus. komplexe probleme (z.b. kinder haben im schnitt schlechtere rs-leistungen) haben meist keine simplen ursachen und demzufolge auch keine simplen lösungen (z.b. reichen 'verbieten'). denken hilft, auch in diesem kontext.

Jula13
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Re: Als Gymnasiallehrer an die Gesamtschule

Beitrag von Jula13 »

Aber eine ähnliche Beobachtung wie tiger habe ich auch gemacht. Wenn man sich Grundschulhefte von vor 30 Jahren anschaut, dann sieht man, dass die Kinder damals einfach lesbarer und orthographisch korrekter geschrieben haben.
Wenn ich sehe, wie meine Fünftklässler in Zeitlupe und unter größter Anstrengung kurze Texte von der Tafel abschreiben, und viele Schüler nicht dazu in der Lage sind, lesbare Texte zu Papier zu bringen, zudem ca. 20% einer Klasse eine LRS-Diagnose mitbringen, dann frage ich mich eben doch, was in der Zwischenzeit passiert ist.
Sorry, aber bei Fünftklässlern suche ich den Fehler nicht bei mir.

tiger
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Re: Als Gymnasiallehrer an die Gesamtschule

Beitrag von tiger »

Wie kecks schon sagte: Leistungsstarke Schüler lernen die Rechtschreibung so oder so (meine These: wer viel liest, kann auch gut schreiben), der Rest profitiert eher von möglichst eng geführten Methoden. Unterrichtsprinzipien, die eher an der Leistungsspitze ausgerichtet sind (ich sage nur: problemlösender Unterricht!) haben wir schon genug. Wir brauchen wieder die Methoden von früher, die einen Minimalstandard für alle Schüler garantieren.

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