Verbeamtung, Amtsarzt und PTBS

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Ajuni
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Verbeamtung, Amtsarzt und PTBS

Beitrag von Ajuni »

Hallo,

heute habe ich völlig euphorisch ein Einstellungsangebot an einer Schule unterschrieben und muss nun zum Amtsarzt. Alter passt, Gesundheit ansonsten auch, stressresistent bin ich auch (habe zuvor eine zeitlang in der Sicherheit gearbeitet - wenn man da nicht stressresistent ist, geht man unter).
Aber ich hatte leider einen vergewaltigenden Ehemann, von dem ich mich sehr glücklich getrennt habe. Da das leider länger als einen Tag andauerte, habe ich mir eine PTBS davon angelacht. Diese ist auch therapiert worden und gilt seit 2015 als remittiert. Ich bin seit 2014 in Vollzeitbeschäftigung unterschiedlicher Gewerke, seit diesem Jahr in der Lehre tätig.
Dass ich die PTBS angeben muss, weiß ich. Ob das nun einer Verbamtung im Weg steht, treibt mich allerdings schon eine Weile um. Ohne Therapie wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin. Mit Therapie ist das für mich abgeschlossen, ich habe kaum Täterkontakt (leider Vater meines Kindes, demnach nicht ganz auszuschließen) und habe weder Flashbacks noch sonstige Probleme im Alltag.
Eine medikamentöse Behandlung erfolgte nicht.

Hat da irgendwer rein zufällig schon mal Erfahrungen mit gemacht? Dienstantritt wäre in NRW. Ich habe ein Attest über eine erfolgreich abgeschlossene Therapie mit Resultat "remittiertem Zustand".

Vielen Dank für eure Hilfe.
Zuletzt geändert von Ajuni am 10.12.2016, 13:08:34, insgesamt 1-mal geändert.

*Sissy*
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Re: Verbeamtung, Amtsarzt und PTBS

Beitrag von *Sissy* »

Rezidiver: Musste ich erstmal googeln, aber laut Wikipedia ist das ein Rückfall. Also etwas, was immer wieder auftreten kann, oder verstehe ich das falsch? Damit kann es Probleme bei der Verbeamtung geben.
Aber vielleicht sollte da der Amtsarzt mal was sagen.

Ich würde jedoch eher mal zum Arzt gehen und mir etwas schreiben lassen, dass die PTBS aufgrund des damals gewalttätigen Ehemanns aufgetreten ist und das eine Ausnahmesituation war, nicht mehr auftreten wird usw usf. Das ganze zum Amtsarzt mitbringen, so wird das eventuell erst gar nicht zum Problem.

Ist aber nur meine laienhafte Meinung.

Ajuni
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Re: Verbeamtung, Amtsarzt und PTBS

Beitrag von Ajuni »

Wenn man nachts was schreibt. Schnell gerade auf mein Attest geschaut: remittiertem Zustand. *ditsch* Das kam mir gestern auch schon komisch vor. (Ich änder das jetzt mal im Originalpost). Sorry.
Es steht auch auf dem Attest, auf Grund von sexualisierter Gewalt in der Ehe durch Ehemann/Kindsvater (war für einen Sorgerechtsstreit mal geschrieben).

Hubselzwerg
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Re: Verbeamtung, Amtsarzt und PTBS

Beitrag von Hubselzwerg »

Ich bin mit (leichter) PTMB nach einem Brand (und einer Mobbinggeschichte und schwer erkranktem Partner*) und einer Schilddrüsenunterfunktion problemlos verbeamtet worden.

*Alles im gleichen Zeitraum. Jaja, manchmal ist das Leben spannend...
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Ajuni
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Re: Verbeamtung, Amtsarzt und PTBS

Beitrag von Ajuni »

Das beruhigt mich da ungemein. Dann mal den Termin machen und hoffen.

Vielen lieben Dank :)

Amtsarzt
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Re: Verbeamtung, Amtsarzt und PTBS

Beitrag von Amtsarzt »

Die posttraumatische Belastungsstörung wird im ICD-10 codiert unter F 43.1. Voraussetzung zur Diagnose ist definitionsgemäß u.a. „ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem (!!!) eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“, d. h. nicht nur bei Ihnen. Daneben wird auch etwas zu typischen Symptomen dieser besonders schweren Belastungsstörung ausgeführt. Erschwert wird die Diagnosefindung durch die anzustrebende Objektivierung von meist nur berichteten Ereignissen und Symptomen, so dass m.E. die Diagnosestellung erfahrenen Psychiatern vorbehalten bleiben sollte.
Wie auch immer, zur Prognose findet sich bereits in den Codierungsausführungen ein Hinweis: „Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über.“
Würde der Gutachter bei diesen Ausführungen von einem chronischen Verlauf ausgehen, so bedarf es folglich ausführlicher weiterer Erläuterungen, z.B. über eine fortdauernde Persönlichkeitsänderung mit bleibenden Funktionsdefiziten im angestrebten Beruf. Hätten Sie eine solche, so wäre aus meiner Sicht eine Berufsausübung aktuell selbst im Angestelltenverhältnis nicht möglich. Das Augenmerk ist deshalb auf den Gesichtspunkt zu richten, ob zukünftige Ereignisse nicht vielleicht erneut ähnliche Symptome bei Ihnen hervorrufen könnten.
Handelt es sich erneut um Ereignisse katastrophenartigen Ausmaßes, so wäre die Entwicklung entsprechender Symptome aber nicht als Besonderheit zu werten, denn „fast jeder“ würde bei entsprechender Belastung ja definitionsgemäß tiefe Verzweiflung entwickeln. Außerdem haben Sie sich ja von Ihrem Ex getrennt. Handelt es sich bei den zukünftigen Ereignissen hingegen lediglich um lebenstypische Belastungen (Ehescheidung, nervende Vorgesetzte, inkompetenter Amtsarzt etc.) so könnte sich aus der Vordiagnose heraus schon definitionsgemäß aufgrund der geringeren traumatischen Qualität des Ereignisses keine neue PTBS entwickeln, allenfalls z.B. eine sogenannte Anpassungsstörung oder eine depressive Episode. Bei der Wahrscheinlichkeitsbetrachtung für die Entwicklung solcher Dinge mag dann vielleicht Ihre Persönlichkeitsstruktur begutachtet werden, diese Betrachtung an einer PTBS festzumachen, wäre aber aus meiner Sicht unlogisch. Glaube eher nicht, dass ein Amtsarzt sich freiwillig in diese Abgründe begeben würde. Bestenfalls will sich dieser über den sozialpsychiatrischen Dienst absichern, wo Sie ein freundliches Pläuschchen aber keine wirkliche Gefahr erwarten dürfte. Gefahr könnte nur aus belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen resultieren. Nach meiner Kenntnis wurde eine wissenschaftliche Leitlinie zu Persönlichkeitsstörungen nicht mehr aktualisiert und daher zurückgezogen. Dies wird seine Gründe gehabt haben.
@ Hubselzwerg: Das angesprochene Mobbing betrachte ich trotz menschlich verständlicher subjektiver Wahrnehmung der Opfer nicht als solch ein PTBS-Ereignis, denn nicht fast jeder Betroffene reagiert mit tiefer Verzweiflung. Eher kündigen die meisten innerlich oder äußerlich. Klammert man die rechtliche Dimension aus, so gibt es durchaus eine Disposition sowohl zum Opfer als auch zum Täter. Trotz der Strafwürdigkeit des Mobbings in der Gesamtbetrachtung der einzelnen Facetten handelt es sich letztlich um ein lebenstypisches Ereignis menschlicher Unvollkommenheit geringerer traumatisierender Qualität. Schlimm finde ich, dass sich aus der Abwehr heraus die Wahrnehmung Gemobbter oft (glücklicherweise reversibel) paranoid verfärbt, d. h. selbst harmlose Dinge erscheinen plötzlich (potenziell) bedrohlich. Das gewährt den Tätern dann weiteres Futter zur Verleumdung. Die Inflationierung der PTBS-Diagnose resultiert aus meiner Sicht aus dem Bemühen vieler Ärzte, durch die Diagnosestellung dem Patienten eine positive Empathie entgegenzubringen in dem Sinne, dass ausschließlich das Trauma für den Zustand verantwortlich gemacht wird. Das ist für Gemobbte aber sogar kontraproduktiv. Sie werden die Mobber kaum ändern können, allenfalls nur ihre eigenen prädisponierenden Verhaltensweisen. Ohne Distanz zur eigenen unfreiwilligen Rolle, den Tätern und der subjektiven Wahrnehmung wird es für die Opfer keinen Ausweg geben.
(Es handelt sich hier um eine persönliche Meinungsäußerung, die nicht unbedingt identisch sein muss mit der Auffassung meines Dienstherrn)

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