Verbeamtung und Borderline

Sabine0
Beiträge: 419
Registriert: 17.06.2005, 9:49:56
Wohnort: Bonn

Beitrag von Sabine0 »

Hallo Ratte,

Erstmal möchte ich sagen, dass ich gerade meinen alten Post nochmal gelesen habe und heute empfinde, dass der Ron irgendwie schäbig rüberkommt. Ich wollte dich im anderen Post auf keinen Fall entmutigen oder schlecht darstellen o.ä. - irgendwie scheint er mir heute nicht ganz glücklich formuliert, das aber nur am Rande.
Was meinst du mit "jeden Glauben in den Lehrer verlieren"? Heißt das, dass die Schüler dem Lehrer nicht mehr über den Weg trauen, oder ihn nicht (mehr) als Vorbild betrachten, wenn er/sie offenbar psychische Probleme hat/hatte?
Nein, nein, so habe ich das nicht gemeint. Ich stelle mir nur vor, dass Schüler (gerade in der Pubertät) selbst recht labil sind, was die eigene Persönlichkeit angeht und dass die Lehrer eine Art Vorbild darstellen sollten. Ich, als Schülerin, wollte keine Lehrer die unsicher wirken oder mit sich selbst Probleme haben, sondern ich wollte "starke" u.gesunde Persönlichkeiten. Ich will mich garnicht in die Reihe der "starken und gesunden" stellen - auch ich werde an meinem Auftreten üben muessen und anfangs bin ich bestimmt noch unsicher. Naja, und wenn ein Schüler halt wirklich Narben sieht (ich weiß ja nicht, wie auffällig sie bei dir sind), dann kann ich mir vorstellen, dass sie recht erschrocken sein könnten und der Lehrer dadurch ein Stück seiner Vorbildfunktion oder Autorität einbüßen muss. Vielleciht kann man das nicht pauschalisieren, aber die Gefahr besteht bestimmt und daher kann es nciht schaden, das im Hinterkopf zu behalten.

Mh, ich hatte in der Oberstufe auch persönlich Probleme und habe mich einer Lehrerin anvertraut. Allerdings hätte ich nie gewollt, dass sie selbst betroffen gewesen wäre - ich suchte damals Personen, die gefestigt genug waren, dass ich mich an sie klammern konnte. Verständnis für meine Krankheit sollte sie sicherlich haben, denn es machte mich wütend, wenn Leute keine Ahnung von meiner Krankheit hatten und ich jedes kleinste bisschen erst erklären musste. Aber eine Lehrerin als selbst Betroffene...mh, ich weiß nicht :roll: .
Und ich glaube nicht, dass die Vorbildwirkung einer Lehrerin jemanden zur Selbstverletzung bringt.
Oh nein, das habe ich auch nicht gemeint! Ich meinte es, wie oben erklärt: man sollte als Lehrer doch positives Vorbild für die Schüler sein! Wenn die Schüler sehen, dass man selbst Probleme hat, dann wird man u.U der Vorbildfunktion nicht mehr gerecht.

Ja, ich denke auch, dass du anderen Betroffenen dann helfen könntest. Durch deine Erfahrung bringst du vielleicht Empathie mit, die manche anderen Lehrer nicht haben.
Ich würde halt nur versuchen, es zu verbergen, aber du schreibst ja, dass dir das ohnehin gelingt.

LG Sabine

Matz
Beiträge: 1
Registriert: 17.01.2006, 14:55:21

Beitrag von Matz »

Hallo,
ich habe zwar noch nie in Foren gepostet und hatte es auch diesmal nicht vor, aber vielleicht hilft es ja einigen.
Ich habe/hatte Borderline (da es eine Persönlichkeitsstörung ist kann man ja letztendlich nur lernen damit zu leben) und war von 16 1/2 Jahren bis 19. Geburtstag durchgängig in Kliniken (1 1/2 Jahre vollstationär, 1 Jahr Tagesklinik). Ein Jahr nach meiner Entlassung aus der Tagesklinik habe ich meine Ausbildung als Angestellte im öffentlichen Dienst begonnen. Die amtsärztliche Untersuchung war ein Witz. Sowohl beide Arme als auch beide Unterschenkel von mir sind komplett zerschnitten. Ich habe zum Zeitpunkt der Untersuchung noch geschnitten, habe aber "unauffälligere" Stellen wie die Beine genommen. Die Arme waren zum Zeitpunkt der Untersuchung komplett verheilt (d.h. mind. ca. ein Jahr nix mehr gemacht). Das war glaub' ich wichtig. Die Beine hat er nicht gesehen, aber den Oberkörper musste ich frei machen zur Begutachtung der Wirbelsäule. Ich meine zu der Zeit hätte ich auch gerade eine ambulante Therapie laufen. Der Arzt hat wenig nachgefragt. Also:
1. ganz wichtig: es geht um die Berufstauglichkeit und nicht um eine Bewertung eurer Person im Privatleben, d.h. so lange ihr dem Arzt glaubhaft machen könnt, dass es keine Auswirkungen auf eure Ausbildung, Studium, Berufstätigkeit hat und z.B. nur Probleme mit dem Partner, den Eltern etc. bestehen ist das schon mal gut.
2. das wurde ja schon gesagt und ich betone es noch mal: den Erfolg der Therapie betonen, noch besser: wenn die Therapie der Vergangenheit angehört: dieses auch so sagen. Das war ein Problem, welches ihr in der Vergangenheit hattet (z.B. Tod Vater, Probleme in der Pubertät, mit dem Freund - diese Problemfelder kann jeder gut nachvollziehen!) und welches jetzt durch die Therapie der Vergangenheit angehört und keine Probleme mehr bereitet. Das versteht jeder! Und selbst wenn ihr denkt, dass ihr zukünftig noch mal Therapie machen müsst: warten mit dem Antrag bis die Untersuchung vorbei ist, denn abgefragt wird nicht die Zukunft.
3. Problematischer ist es bei der Verbeamtung. Ich werde dieses Jahr mein Studium zur Beamtenlaufbahn des gehobenen nichttechnisches Dienstes beenden. Dann steht in zwei Jahren auch wieder eine Untersuchung zur Verbeamtung auf Lebenszeit an. Bei der Verbeamtung auf Lebenszeit wird sicher etwas mehr geschaut weil man uns nicht mehr los wird. Aber auch hier ist eine einmalige ambulante Therapie (auch mit Verlängerung) absolut gar kein Problem!!! Macht euch darüber keine Gedanken. So lange ihr nicht längere Zeit stationär wart oder aber häufige Krankzeiten habt. Darauf ist es sehr wichtig zu achten:
- möglichst wenig krank machen/sein und dann möglichst nicht auf Psyche krankschreiben lassen! SEHR WICHTIG
- möglichst keine Psychomedikamente verschreiben lassen, die sind für Amtsärzte und PKV's immer ein Indiz, dass eure Krankheit schlimmer ist
- möglichst keine Therapie zum Zeitpunkt der Untersuchung, ihr könnt sie ja für ein Jahr oder so unterbrechen und nach der Untersuchung wieder weitermachen
4. UNBEDINGT alle Krankheiten WAHRHEITSGEMÄSS und vollständig angeben!!!!!! Wenn ihr sonst in 30 Jahren an Depressionen erkrankt, weil euer Mann gestorben ist und ihr vor der Verbeamtung schon mal wegen Depressionen behandelt worden seid kann euch das zum Verhängnis werden. Rein rechtlich ist das nämlich so, dass ihr dann rückwirkend aus dem Beamtenverhältnis genommen werden könntet wegen Verschweigung von relevanten Tatsachen und ihr müsstet eure kompletten Bezüge nachzahlen. Tatsächlich müsst ihr das dann natürlich nicht, weil ihr in Form eurer Arbeitsleistung ja eine Gegenleistung erbracht habt. Trotzdem lieber nix verschweigen, zu gefährlich. Aber man kann ja Dinge ein wenig harmloser darstellen statt zu lügen.
Ok, sorry, das war ja extrem viel Text, aber ich fand's wichtig. Die PKV hat mich übrigens zweimal innerhalb von 3 Jahren nicht genommen. Macht nix. Denn GKV hat auch Vorteile. Auch dann seid ihr übrigens beihilfeberechtigt. Alles bei der Beihilfe einreichen, Arztbesuche auf einem Extrablatt der GKV bescheinigen lassen und dann bekommt ihr einen Teil eurer GKV-Beiträge zurück. Sag ich nur deshalb, weil's viele nicht wissen.
Hoffe, ich habe nix vergessen und hoffe noch mehr, ich konnte einigen weiterhelfen, vielleicht denen die es in Zukunft noch betrifft.
Alles Gute für alle, die es manchmal schwer haben im Leben.

*Mia*
Beiträge: 1
Registriert: 02.02.2006, 19:12:43

Beitrag von *Mia* »

Hallo Matz!

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
Ich habe bisher auch noch nicht in Foren gepostet, dachte, es nun aber doch mal zu tun. :)

Ich habe als 15jährige angefangen mich selbst zu verletzen, habe aber mit 19 glücklicherweise den "Absprung" geschafft (bin jetzt 26) .
Im Nachhinein könnte ich mir dafür mehrmals in den Allerwertesten treten, da ich befürchte, mir so die Zukunft verbaut zu haben. Bis jetzt konnte ich aber ganz gut mit den Narben leben und auf Fragen Anderer sicher reagieren.

Allerdings wird mir nun doch etwas mulmig zumute, da das Referendariat immer anspruchsvoller wird und ich Angst habe, aufgrund meines Äußeren zu Unrecht bewertet zu werden. Jetzt weiß ich plötzlich nicht mehr, was ich auf neugierige Blicke und Fragen antworten kann und wie ich am besten reagieren soll. Ich werde also total nervös und mache mir darüber ständig Gedanken.
Dabei macht mir die Lehrertätigkeit sehr viel Spaß und möchte den Beruf daher auch nicht missen.
Aber die Befürchtung nicht verbeamtet zu werden oder vielleicht gar keine Stelle zu bekommen, ist immer anwesend. :(

Du hast mir ein wenig Mut zu gesprochen, also nochmals herzlichen Dank!

Ich hoffe, dass ich es schaffe, auch den Amtsarzt davon zu überzeugen, dass selbstverletzendes Verhalten zwar zu meiner Vergangenheit gehört, aber definitiv vergangen ist! :!:

Schönen Gruß und weiterhin viel Erfolg für alle anderen baldigen/noch/ehemaligen Referendare,
Mia

davidsilveria
Beiträge: 9
Registriert: 31.01.2006, 14:23:02

Beitrag von davidsilveria »

Hallo ihr,
also ich leide ebenfalls an Borderline und meine Unterarme sind ziemlich zerschnitten. Ich war heute bei der Untersuchung fürs Referndariat und das ist ziemlich blöd gelaufen. Ich dachte, ich sag gleich von Anfang an, was Sache ist, bevor der Arzt bei der Untersuchung meine Narben sieht und nachfragt.
naja jedenfalls muss ich in den nächsten Wochen zu einem vom KuMi bestimmten Psychiater, der ein Gutachten über mich erstellen soll. Hat einer von euch ähnliche Erfahrungen? Wie hoch ist die Chance, dass er mir glaubt, dass ich nicht mehr akut an Borderline leide?
Die Aussagen der Ärztin waren ziemlich vage. Wenn ich es richtig verstanden habe, werde ich zum Referendariat zugelassen, wenn das Gutachten besagt, dass ich nicht mehr an Borderline leide. Wegen einer späteren Anstellung muss dann nochmal ein Gutachten erstellt werden und Verbeamtung fällt bei mir höchstwahrscheinlich flach...
Naja jetzt hab ich den Salat :(
Würd mich freun, wenn mir jemand zu diesem Thema schreibt.
liebe Grüße
David

Peter T.
Beiträge: 13
Registriert: 13.05.2006, 10:51:05

Beitrag von Peter T. »

Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie man sich mit einer
Disposition zur Seelenkrankheit den Lehrerberuf aussuchen kann.
...Die Rütli-Schüler lecken sich jetzt schon die Lefzen. Auch Gymnasien sind keine Inseln der Glückseligen!

Gruß Peter T.

Dickie
Beiträge: 1267
Registriert: 23.03.2006, 18:29:24
Wohnort: Schleswig-Holstein (Grundschule)

Beitrag von Dickie »

peter, hör doch bitte auf, den lehrerberuf hier so schlecht zu machen. sicher, es gibt viele schlechte/fiese/gemeine erfahrungen im ref, aber es soll ja auch noch leute geben, denen dieser beruf spaß macht. und du stellst das hier so da, als würde man automatisch bekloptt, bloß weil man sich für diesen beruf entschieden hat...

Peter T.
Beiträge: 13
Registriert: 13.05.2006, 10:51:05

Beitrag von Peter T. »

Hallo Dickie,
Spaß ja, aber die Umstände unter denen mitunter gearbeitet
werden muß? Ich denke schon, dass eine psychische Stabilät vorausgesetzt werden sollte.
Ich selbst habe schon weinende Erzieherinnen in der Grundschule
erlebt.
Gruß Peter T.

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