Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Konstruktive Kritik - das Referendariat muss reformiert werden! Eure Vorschläge...
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LatinaTeacharin
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von LatinaTeacharin »

und es in manchen Bundesländern bereits ein gesetzlich verankertes Recht für den Besuch einer Regelschule gibt
Vielleicht ist das des Pudels Kern...

Zitronenfalter
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von Zitronenfalter »

Die Beamtenbesoldung kennt langfristig nur eine Richtung: Und zwar nach unten.
Die vergleichsweise gute Bezahlung mit A13 für Realschullehrer stammt noch aus den Zeiten, in denen es schwierig war, überhaupt jemanden fürs Lehramt zu bekommen.

Wenn es so weitergeht, kommen die Zeiten wieder: Mal ehrlich: Wer will sich heute noch diesen Job antun - außer Mädels, die die Familienplanung perfekt in ihr Berufsleben integrieren können und dann nach Jahren der beruflichen Abstinenz dem äußeren Anschein nach völlig blank mit ein paar Stündchen wieder in den Beruf einsteigen können. So wird keine Qualität erzeugt geschweige denn gesichert. Aber was soll´s - wenn´s diese Möglichkeiten gibt wäre jeder doof, der sie nicht nutzt.

Wer einmal die aktuelle politsche Diskussion in BaWü verfolgt wird bemerken, dass 9 von 10 Sätzen mit den Worten anfangen "Wir planen..., " "Wir beabsichtigen...", "Wir wollen..." usw.
Das heißt: Es gibt überhaupt kein Konzept für diese Absichten - unabhängig davon, ob sie gut oder schlecht sind.
Wenn ich höre, dass es jetzt schon mal Gemeinschaftsschulen gibt, zukünftig erst die Lehrer dafür ausgebildet (!) werden - so ist das mal wieder wie immer das Pferd von hinten aufgezäumt.

Zum Gymnasialniveau: Das Gymnasium differenziert in der Sek. I maßgeblich über die Stoffmenge insgesamt und nicht über das Niveau in den einzelnen Fächern. Das sieht man vor allem daran, dass ja nach 9 bzw. 10 (nominal G8) Jahren der mittlere Bildungsabschluss erreicht wird - und zwar in allen Schularten. Im sprachlichen Bereich hat das Gymnasium die Nase (noch) vorn - im naturwissenschaftlichen Bereich eher nicht. Insofern müssten die "neuen" Lehrer aus den nicht gymnasialen Schularten als erstes einfach den Mut aufbringen, die Kinder mit zusätzlichem Sach- und Fachwissen zuzupflastern - ob man das Bildung nennen kann sei mal dahingestellt.

Letzten Endes tun mir die Lehrkräfte aus allen Schularten Leid: Ich glaube, kein anderer Arbeitgeber schafft es so gründlich, in wiederkehrenden Zyklen sein gesamtes Personal so umfassend zu demotivieren. Der gute Ausbildungsstand der Schülerinnen und Schüler ist allein dem guten Berufsethos der Kolleginnen und Kollegen geschuldet.

Noch was zum, wie der Herr Mininsterpräsident Kretschmann formulierte, "bewährten Gymnasium": Es lohnt sich mal zu schauen, wie viele 5.- Klässler im Gymnasium anfangen und wie viele 8 Jahre später Abitur machen: Von 100 ca. 60, d.h. das Gymnasium als "bewährter" und teuerster (!) Schulform verliert auf seinem Weg 40% seiner Schülerschaft. In manchen Jahren auch "nur" 35% - aber weniger in keinem Fall. Das ist doch mal eine Hausnummer zum Erfolg dieser Schulform, oder? Diese Zahlen sind übrigens vom statistischen Landesamt belegt (falls jemand zweifelt). Öffentlich werden sie nicht kommuniziert, weil man ja sonst tatsächlich noch vieles andere in Frage stellen könnte.
Bezeichnend ist auch, wie sich bisher die Gymnasial-Lobby aus der Diskussion um die Gemeinschaftsschule herausgehalten hat - nur weil sie vorerst scheinbar nicht davon betroffen sind. Meine Prognose: Dieser Firlefanz wird uns alle noch teuer zu stehen kommen.

Apropos teuer - und das ist wiederum die gute Nachricht: Die Landesregierung wird schlicht und ergreifend nicht das Geld haben, die geplanten Reformen gut umzusetzen: Sie haben nicht mal Geld, ihre jetzige Belegschaft so wie die Bundesbeamten zu bezahlen, dann müssen sie noch ihrem Bahnhof vergraben - und das sind nur die Dinge, die jetzt schon bekannt sind. Und sobald´s wärmer wird, wird man sehen, dass die Straßen im Südwesten mittlerweile zu den schlechtesten der Republik gehören und man wird weiterhin feststellen, dass man bei allen Anstrengungen nicht alles auf die Kommunen und die Bürger abwälzen kann.
Also: Schaut um die Schüler und lasst die anderen reden. In Frankreich gibt es ein schönes Sprichwort: "Je mehr sich ändert, desto mehr bleibt alles beim alten".

In diesem Sinne: Frohe Ostern!

Zitro
heiter weiter!

LatinaTeacharin
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von LatinaTeacharin »

Noch was zum, wie der Herr Mininsterpräsident Kretschmann formulierte, "bewährten Gymnasium": Es lohnt sich mal zu schauen, wie viele 5.- Klässler im Gymnasium anfangen und wie viele 8 Jahre später Abitur machen: Von 100 ca. 60, d.h. das Gymnasium als "bewährter" und teuerster (!) Schulform verliert auf seinem Weg 40% seiner Schülerschaft. In manchen Jahren auch "nur" 35% - aber weniger in keinem Fall. Das ist doch mal eine Hausnummer zum Erfolg dieser Schulform, oder? Diese Zahlen sind übrigens vom statistischen Landesamt belegt (falls jemand zweifelt). Öffentlich werden sie nicht kommuniziert, weil man ja sonst tatsächlich noch vieles andere in Frage stellen könnte.
Bliebe zu fragen, an wen das Gymnasium diese Schüler verliert? - Da fangen sicher die BBS/beruflichen Gymnasien das Gros auf. Und wenn jemand nach Klasse 10 das allgemeinverblödende Gymnasium verlässt, um Abitur am beruflichen Gymnasium zu machen, dann habe ich damit kein Problem. Daraus den Schluss zu ziehen, man "verliere" Kundschaft, ist - weiter gedacht - falsch. Das Gegenteil ist der Fall: die Vielfalt im Schulsystem hat gesiegt.

Oder drehen wir den Spieß doch mal in eine andere Richtung um: an Gymnasien fangen eindeutig zu viele und die falschen (!) Schüler an. Überlasst diese Schulart einfach den Kindern (und Lehrern), die dort richtig sind.

User65
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von User65 »

Zitronenfalter hat geschrieben:völlig blank
Was meinst du denn damit?
Zitronenfalter hat geschrieben:Es lohnt sich mal zu schauen, wie viele 5.- Klässler im Gymnasium anfangen und wie viele 8 Jahre später Abitur machen: Von 100 ca. 60, d.h. das Gymnasium als "bewährter" und teuerster (!) Schulform verliert auf seinem Weg 40% seiner Schülerschaft. In manchen Jahren auch "nur" 35% - aber weniger in keinem Fall. Das ist doch mal eine Hausnummer zum Erfolg dieser Schulform, oder?
1) Es gilt dabei auch festzustellen, was aus diesen Schülern geworden ist (siehe Latina).
2) Sind in den acht Jahren vielleicht auch noch Schüler (z. B. von einer Realschule) hinzugekommen?
3) Gibt es vielleicht auch Schüler, die das Gymnasium mit einem Realschulabschluss vorzeitig freiwillig verlassen, um mit einer Lehre in das Berufsleben einzusteigen? Ich persönlich kenne solche Fälle. Insbesondere die Eltern haben hier erkannt, dass ein Abitur nicht mehr automatisch zum beruflichen Erfolg führt.
4) Grundsätzlich werden die Zahlen aber wohl stimmen. Nur ich glaube nicht, dass sie nicht öffentlich kommuniziert werden. Das mehrgliedrige Schulsystem ist doch auf Selektion ausgelegt. Insoweit sind diese Zahlen doch eher ein Indiz für den Erfolg des Gymnasiums, dem es schließlich gelingt, die nicht studierfähigen auszusortieren. Denken wir daran, dass das Abitur am meisten wert ist, wenn es möglichst wenige haben!
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

cyhyryiys
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von cyhyryiys »

Denken wir daran, dass das Abitur am meisten wert ist, wenn es möglichst wenige haben!
Was eine wirtschaftsstandortfeindliche Denkweise ist! Ziel kann es nicht sein, unter der großen Maße die besonders Begnadeten zu entdecken und durchs System zu hätscheln, sondern möglichst viele Ressourcen zu schöpfen und sie zu einem höherwertigen Abschluss zu führen. Das gelingt auch ohne zwangsläufig das Niveau senken zu müssen - geht jedoch nicht in einem System mit "Einheitsunterricht" (jeder lernt zur gleichen Zeit das Gleiche auf einem für alle gleich vorgegebenen Weg).

LatinaTeacharin
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von LatinaTeacharin »

geht jedoch nicht in einem System mit "Einheitsunterricht" (jeder lernt zur gleichen Zeit das Gleiche auf einem für alle gleich vorgegebenen Weg).
Und genau dieses Problem wird die Gemeinschaftsschule lösen. Und alles wird gut.

User65
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von User65 »

cyhyryiys hat geschrieben:Was eine wirtschaftsstandortfeindliche Denkweise ist!
Für meine Wirtschaft ist die Denkweise vorteilhaft.
cyhyryiys hat geschrieben:Ziel kann es nicht sein, unter der großen Maße die besonders Begnadeten zu entdecken und durchs System zu hätscheln, sondern möglichst viele Ressourcen zu schöpfen und sie zu einem höherwertigen Abschluss zu führen.
Und was wollen wir mit den ganzen höherwertigen Abschlüssen? Obligatorisch Abitur für eine Banklehre? Mit Friseusen auf Latein sprechen? Ne, Bildung muss sich lohnen! Und zwar für den Menschen, der sie hat. Erst diese Gewissheit gibt die Motivation, etwas zu lernen.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

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