Meine Geschichte (Journalist, 2 Jahre nach dem Abbruch)

Abbruch des Ref? Durchgefallen - was dann?
Ex-Referendar
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Meine Geschichte (Journalist, 2 Jahre nach dem Abbruch)

Beitrag von Ex-Referendar »

Liebe Leute,
vor etwas mehr als 2 Jahren habe ich meinen Vorbereitungsdienst abgebrochen. Den Schritt habe ich bisher noch nie bereut, aber ich denke immer noch an die Zeit zurück und oft kommen die (meist negativen) Erinnerungen von damals in mir hoch.
Ich habe einfach das Bedürfnis aufzuschreiben, wie es mir damals ergangen ist und wie sich mein Leben nach dem Abbruch weiterentwickelt hat. Vielleicht hilft meine Beschreibung einigen, die über einen Abbruch nachdenken - im Sinne von "Ach, so schlimm ist es bei doch noch nicht" oder auch "Wenn man abbricht, bricht die Welt nicht zusammen."

Ganz kurz vorweg:
Ich habe an einer Realschule die Fächer Mathematik und Wirtschaft unterrichtet. Nach vielen Missgeschicken und der Einsicht, dass ich dem ganzen nicht gewachsen bin, habe ich das "Ref" abgebrochen und arbeite heute als Freier Journalist.

Die Beschreibung meines Vorbereitunsdienstes:
Mit großen Vorsätzen begann ich meinen Vorbereitungsdienst. Ich ahnte schon, dass ich dem Druck (von dem man ja als Student schon immer hörte) womöglich nicht gerecht werden könnte. Ich habe mir vorgenommen, mich voll und ganz auf meine Arbeit zu konzentrieren und mich nicht von anderen Dingen ablenken zu lassen. Meinen Alkoholkonsum und die stundenlange Internet-Surferei (meine größten "Zeit- und Konzentrationsfresser") wollte ich massiv senken (was ich beim Alkohol auch so durchgezogen habe). Ich hatte mir sogar vorgenommen, möglichst bis Abends in der Schule zu bleiben, um dort meine Vorbereitungen zu machen - weil ich von mir selbst weiß, wie sehr ich dazu neige, mich sonst von anderen Sachen ablenken zu lassen.

Da ich meine Schulpraktika bereits so früh wie möglich gemacht habe (in den ersten Studiensemestern) und sich mein Studium zum Ende hin dann doch noch länger hinzog, waren meine letzten Lehrerfahrungen bereits einige Jahre her. Ich war dann am Anfang aber ganz froh und hoffnungsvoll, als ich merkte, dass ich einigermaßen souverän vor der Klasse auftreten konnte.
Ein Problem war, dass mir die schlimmsten Klasse der Schule (die drei 8ten) zugeteilt worden sind. Die eine hatte ich morgens in der 1. Stunde in Begleitung meines Mentors - da war alles ruhig und unkompliziert. Eine andere 8te hatte ich nur am Freitag in der 6. Stunde (ohne Mentor). Da zeigte sich gleich, dass dort das Unterrichten kaum möglich war. Das ging allerdings den Kollegen auch so.
In der dritten 8ten, die ich mehrmals in der Woche unterrichtete, lief es anfangs noch einigermaßen gut. Bis auf ein paar Problemschüler und Prügeleien (bereits in der erste Woche musste ich zwei prügelnde Mädchen von einander losreißen) waren die Schüler anfangs noch recht pflegeleicht. Probleme hatte ich allerdings mit dem Lernstoff, weil ich den Bereich Geometrie im Studium quasi "umschifft" hatte. Ich habe die Pflichtklausur am Anfang meines Studiums mit einer 4 bestanden (schon Jahre her) und dann im späteren Studienverlauf und im Examen andere Themen gewählt. Deshalb musste ich mir den 8.-Klasse-Stoff (der fast nur aus Geometrie besteht) erstmal aneignen und war auch nicht "schlauer" als die Schüler.

In den ersten Wochen und bei den ersten Unterrichtsbesuchen wird ja alles noch recht locker genommen. Dementsprechend empfand ich es da auch noch nicht als schlimm, wenn mir Dinge nicht so gut gelungen sind. Als es dann aber losging "ernst" zu werden und die Unterrichtsbesuche in die Bewertung einflossen, wurde ich nicht besser, sondern sogar noch schlechter, weil ich mich mehr und mehr überfordert fühlte.
Die Klassen wurden immer anstrengender (weil ich anfangs zu gutmütig war und viel durchgingen ließ) und es ist mir trotz vieler Ratschläge nicht gelungen für Disziplin zu sorgen.
Leider neige ich generell zu zeitweiser Antriebslosigkeit und Prokrastination (was dazu führt, dass ich oftmals Dinge "auf den letzten Drücker" mache). Dies verbunden mit den immer mehr auftretenden Erlebnissen von Misserfolgen führte immer mehr dazu, dass ich den Ansprüchen nicht gerecht worden bin und ich irgendwann das "Sorgenkind" des Studienseminars wurde.

Neben diesen allgemeinen Problemen kam es zu einzelnen unangenehmen Vorfällen:
Einmal wollte ich einen Schüler, der kurz zuvor auf dem Gymnasium gescheitert war, aufbauen, in dem ich sagte: "Ich nehmen nun mal xy dran. Ich glaube, du kannst das." Das wurde dann von anderen Schülern so aufgefasst, als würde ich behaupten, diese könnten das nicht.
Nachmittags rief mich dann der Schulleiter an und sagte, dass sich Eltern beschwert hätten und forderte mich im strengen Tonfall auf, da sofort anzurufen und das zu klären. Das tat ich auch und die Sache war damit geklärt. Aber unangenehm war das ganz schon und spielte sicherlich auch in mein allgemeines Unbehagen mit ein (alles was man sagt, wird auf die Goldwaage gelegt).

Bei meinem ersten Elternabend (5. Klasse, in meinem 2. Halbjahr) sprach ich in meiner Vorstellung "frei von der Leber weg" davon, dass ich als Referendar noch an dem Punkt bin, zu erforschen, ob der Lehrerberuf das richtige für mich ist. Außerdem gab es Unstimmigkeiten darüber, ob ein Thema, dass ich in der 5. Klasse nur in zwei Unterrichtsstunden kurz behandelt hatte (Römische Zahlen) mit in der Klassenarbeit vorkommen solle. Ich ließ mich überzeugen, das Thema rauszunehmen.
Die überkritische Elternvertreterin dieser Klasse fand das so schlimm, dass sie sich an den Schulleiter wandte. Dieser zitierte mich am folgenden Tag ins Büro und empörte sich, wie man bloß sagen könne, man wisse noch nicht, ob man Lehrer werden will und dass es inakzeptabel sei mit den Eltern über die Klassenarbeitsthemen zu verhandeln.

Diese Elternsprecherin hatte mich von da an "auf dem Kieker" und kam sogar morgens vor der 1. Stunde unangemeldet in den Klassenraum, um sich den Unterricht anzusehen. Sie sah sich darin bestätigt, dass ich mich zu wenig darum kümmerte, für Disziplin zu sorgen und dass die Lautstärke immer zu hoch sei. Deshalb folgten immer wieder Gespräche mit Kollegen und dem Schulleiter, in denen ich ermahnt wurde, endlich mal Methoden konsequent anzuwenden, die Störungen von Schülern besser zu unterbinden. Ich muss leider sagen, dass mir dies nicht gelang und irgendwann haben alle (ich auch selber) quasi resigniert.

Es wurde mit der Zeit immer alles schlimmer (die Unterrichtsbesuche, die frechen Schüler und generell die Ergebnisse meines Unterrichts). Meine Seminarleiterin wies mich darauf hin, dass es die Möglichkeit gebe, innerhalb der ersten 9 Monate des Refs eine Pause von 3 Monaten einzulegen, was vielleicht in meinem Fall ganz sinnvoll gewesen wäre (um einiges an mir zu verändern und danach mit neuer Kraft weiterzumachen). Diese Idee nahm ich nicht an und später, als ich so weit war abzubrechen, war es schon zu spät für eine solche Pause (das war dann nach dem neunten Monat).

Letztlich führte dann folgender Vorfall zu dem Entschluss abzubrechen:
Im Dezember des Jahres 2012 war ich ganz unten mit den Nerven. Ich war extrem frustriert, glaubte nicht mehr an mich und war ziemlich antriebslos. Außerdem musste ich langsam mal mit dem Schreiben der Examensarbeit anfangen. Anstatt mich zwischendurch mit Freunden zu treffen, saß ich außerhalb der Unterrichtszeit nur zuhause herum - weil ich ja so viel zu tun hatte. Ich konnte mich aber kaum zu irgendwas aufraffen, weil es mir einfach dreckig ging.
Dies führte dann dazu, dass ich (nachdem ich mich erst nach 0 Uhr dazu aufraffen konnte, meine Stunden für den nächsten Tag zu planen) morgens nicht aus dem Bett kam. Ich hatte zu wenig geschlafen und alles war so schrecklich, dass ich nicht die Kraft hatte rechtzeitig aufzustehen. Als ich es dann doch schaffte, fand ich meinen Schlüssel nicht und musste diesen erstmal recht lange suchen, bevor ich die Wohnung verlassen konnte. Letztendlich führte das dazu, dass ich mich um ca. 20 bis 25 Minuten verspätete (zu meiner eigenen Unterricht).
Ich lauschte dann an der Tür des Klassenraums und hörte, dass bereits eine Kollegin für mich eingesprungen ist. Ich hielt es für sinnvoller, diese die Stunde zu Ende machen zu lassen und setzte mich ins Lehrerzimmer, wo ich mit hängendem Kopf die Zeit bis zur Pause verstreichen ließ . Ich sagte der Kollegin dann, dass ich leider zu spät da war und dann hörte, dass sie bereits in der Klasse unterrichtete. Ich bedankte mich dafür, dass sie die Stunde übernommen hatte.
Anscheinend muss sie das als ein unverschämtes Verhalten von mir aufgefasst haben, so dass ich kurz darauf den wütenden Schulleiter auf dem Gang traf, der mich zu einem ernsten Gespräch in sein Zimmer bat. Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich an dieses Gespräch kaum noch erinnern kann (vielleicht aufgrund des Stresse oder auch der Verdrängung). Er sagte mir sehr streng, dass er bereits mit dem Leiter des Studienseminars gesprochen und ein Disziplinargespräch am selben Nachmittag abgemacht habe.
Bei dem Gespräch im Studienseminar wurde mir gesagt, dass der Vorfall wahrscheinlich in meine Personalakte eingetragen wird. Dass es nicht akzeptabel ist zu spät zum Unterricht zu kommen, war ja klar und das werfe ich mir auch selbst vor. Es ging bei dem Gespräch aber darum, dass es als sehr schlimm angesehen wurde, dass ich dann einfach im Lehrerzimmer wartete und man warf mir vor, die Kollegin schlecht behandelt zu haben. Der Schulleiter sagte immer etwas wie: "Es handelt sich hierbei um eine sehr verdiente Kollegin, die seit Jahrzehnten an der Schule ist." Ich habe bis heute nicht so recht verstanden, warum mein Verhalten als Angriff auf sie aufgefasst wurde. Dass ich mit dem Verschlafen aber Mist gebaut habe, war mir klar und dazu stand ich auch.
Mit zittriger Stimme erläuterte ich, wie es zu dem ganzen kam und dass es mir im Moment nicht gut geht. Ich einigte mich mit den Anwesenden darauf, dass ich mir über die Weihnachtsferien überlege, ob ich weitermache oder nicht.
Die Entscheidung abzubrechen habe ich dann recht schnell getroffen und das wurde glücklicherweise auch von meiner Familie verständnisvoll akzeptiert.

Als ich dem Schulleiter meine Entscheidung mitteilte, dass ich aufhören möchte, konnte ich an seiner Miene sehen, dass ihn das freute. Ich kann das allerdings auch verstehen. Ständig gab es irgendwelche Probleme mit mir und es war für alle Seiten sicherlich das beste, das ganze zu beenden.
Mit meinen Mentoren habe ich vorher sehr gute Gespräche darüber geführt und sie sagten, dass ich selbst einschätzen sollte, ob ich vielleicht noch versuche das Examen zu bestehen oder ob ich das nicht mehr tue. Sie rieten mir, wenn ich mich wirklich sehr schlecht mit dem ganzen fühle, dass es dann wohl das beste wäre aufzuhören.

Die Zeit "danach":

Es folgten dann ein paar Monate, in denen ich versuchte, eine Zukunftsperspektive zu entwickeln. Ich bewarb mich auf verschiedene Praktika (bei Zeitungen, Parlamenten und Schulbuchverlagen), aber bekam nur Absagen. Auch ein Nachhilfe-Institut lehnte meine Bewerbung ab.
Ein Problem war, dass ich während des Vorbereitungsdienstes in eine private Krankenversicherung gewechselt bin, wo ich nun mit monatlichen Kosten von 300 Euro "drin fest hing" (ohne Einkommen). Ich stellte einen vorläufigen ALG2-Antrag ("Hartz 4") - in erster Linie, weil ich dachte, dass ich auf diesem Wege zurück in die gesetzliche Krankenkasse gehen kann. Ich erfuhr allerdings, dass es dort nur einen Zuschuss zur Krankenversicherung gibt, aber ich trotzdem in der PKV bleibe und auf den restlichen Kosten sitzen bleibe. Aus verschiedenen Gründen war bei mir der ALG2-Antrag recht kompliziert zu stellen (wohnte in einer WG und das Elternhaus "steht auf meinen Namen"). Meine Mutter entschied sich dann dafür, mich für einige Monate finanziell zu unterstützen, so dass ich ohne "Hartz 4" auskommen konnte und den Antrag zurückgezogen habe.

Glücklicherweise bekam ich dann das Angebot bei einer Regionalzeitung als freier Journalist anzufangen. Daraus entwickelten sich weitere kleine Jobs (Werbetexte verfassen, Einsatz als Fotograph). Das ist heute immer noch der Stand, aber ich denke, dass sich meine beruflichen Möglichkeiten nach und nach immer mehr verbessern. Ich muss allerdings ehrlich sagen, dass das Geld, das ich verdiene, nicht so wirklich zum Leben reicht und ich mittlerweile noch eine aufwandslose Einnahmequelle habe (sozusagen mein persönliches "bedingungsloses Grundeinkommen"). Mit diesem und meinen Verdiensten komme ich nun ganz gut über die Runden und kann in den kommenden Monaten ohne fundamentale Existenzängste weiter an meiner beruflichen Zukunft arbeiten.

Den Schritt, das Referendariat abzubrechen, habe ich nie bereut. Auch, wenn meine berufliche Situation zur Zeit nicht gerade optimal ist, bin ich heute viel glücklicher als zu der Zeit an der Schule.
Ich habe allerdings das Gefühl, dass die Zeit an der Schule negative Spuren in meiner Psyche hinterlassen hat. Oft habe ich auch nun noch diese Antriebslosigkeit und "depressiven Phasen" und denke, dass diese Neigung dazu heute schlimmer ist als es vor dem Beginn meines Vorbereitungsdienstes war. Oft kommen die Gefühle des Totalversagens und der ständigen Kritik aus der Zeit meiner Lehrertätigkeit wieder hoch. Ich bin dann froh, dass ich das nicht mehr mache, aber habe beim Gedanken an die Zeit immer noch ein enormes Gefühl des Unbehagens.
Das ist auch der Grund, warum ich das hier alles niederschreibe (egal, ob das nun irgendjemanden interessiert). Es ist ein bisschen so wie das Führen eines Tagesbuchs - nur dass die Möglichkeit besteht, dass es andere lesen und vielleicht etwas kommentieren. Das macht es interessanter. :-)

Ich schreibe hier ja anonym, aber kann nicht ausschließen, dass das Leute lesen, die mich kennen und wiedererkennen. Aber das Risiko gehe ich ein. Schließlich sind das alles Sachen, über die ich auch in meinem Bekanntenkreis offen rede, wenn es jemanden interessiert.

Ich weiß jetzt nicht, ob sich viele Leute die Mühe mache, das alles zu lesen, aber Meinungen zu meiner Beschreibung würden mich interessieren.

Bibi88
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Re: Meine Geschichte (Journalist, 2 Jahre nach dem Abbruch)

Beitrag von Bibi88 »

Hallo,

danke dir, dass du deine Erfahrungen geteilt hast. Auch wenn jetzt einige gleich kommen und sagen werden, mit der Einstellung hätte man gar nicht Lehrer werden brauchen etc - ich finde es mutig, dass du diesen Weg gegangen bist, auch wenn du dann entschieden hast, eine andere Abzweigung zu nehmen.
Für mich persönlich ist dein Text insofern interessant, als dass ich auch schon oft überlegt habe, ob der Beruf das Richtige für mich ist. Ich gehe im Unterrichten auf, Erwachsenenbildung ist für mich das Größte, aber Englischstunden für sechste Klassen vorbereiten, damit tu ich mich momentan sehr, sehr schwer...
Andererseits hilft es aber zu sehen, dass man nicht alleine ist. Viele meiner Mitreferendare scheinen diese Probleme nicht zu kennen (oder verstecken sie erfolgreich ^^), und ich fühlte mich in den letzten Wochen manchmal echt wie der letzte Loser :mrgreen:
(Es tröstet auch ein bisschen, dass deine Probleme scheinbar sehr viel gravierender waren als es meine sind, auch wenn das gemein klingt.. ;) Zudem habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu Kollegen und Schulleitung, das ist ja auch was wert, wie ich so lese ;))

Jedenfalls danke ich dir für deine Worte und wünsche dir viel Erfolg auf "deiner Abzweigung" 8)
Our destiny is frequently met in the very paths we take to avoid it.

*Sissy*
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Re: Meine Geschichte (Journalist, 2 Jahre nach dem Abbruch)

Beitrag von *Sissy* »

Da ist vieles schief gelaufen. Du bist wirklich in ganz vielen Dingen absolut ins Fettnäpfchen gelatscht und hast agiert, wie man es an einer Schule einfach nicht machen kann. Weiterhin sind da Dinge passiert, die jawohl auch wirklich nicht sein dürfen: Eine Elternvertreterin, die Deinen Unterricht überwacht?? NoGo!!

Grundsätzlich scheint Dich das auch noch sehr zu beschäftigen, oder nicht? Du solltest es abhaken und nach vorne sehen. Oder spielst Du mit dem Gedanken, es nochmal zu versuchen?

Ex-Referendar
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Re: Meine Geschichte (Journalist, 2 Jahre nach dem Abbruch)

Beitrag von Ex-Referendar »

Andererseits hilft es aber zu sehen, dass man nicht alleine ist. Viele meiner Mitreferendare scheinen diese Probleme nicht zu kennen (oder verstecken sie erfolgreich ^^), und ich fühlte mich in den letzten Wochen manchmal echt wie der letzte Loser :mrgreen:
(Es tröstet auch ein bisschen, dass deine Probleme scheinbar sehr viel gravierender waren als es meine sind, auch wenn das gemein klingt.
Ja, das möchte ich ja auch bezwecken. :-)
Vielleicht ist meine Geschichte ein Trost für Leute, die sehen, dass es bei Ihnen nicht ganz so schlimm ist und deshalb keinen Grund haben sollten abzubrechen.
Andererseits würde ich Leuten raten, denen es so geht, wie es bei mir ergangen ist (oder noch schlimmer), eher abzubrechen. Es ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll als "seelischen Wrack" zu versuchen sich durch das Examen zu quälen. Und irgendwie geht das Leben nach dem Abbruch ja weiter. Man hat einen Hochschulabschluss, mit dem man auch was anderes machen kann (mit Master ist die Qualifikation sogar noch besser als mit dem "alten" Staatsexamen).
Zudem habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu Kollegen und Schulleitung, das ist ja auch was wert, wie ich so lese
Generell hatte ich ein gutes Verhältnis zu den meisten Kollegen. Über das Klima an der Schule kann ich mich im nachhinein nicht beschweren.
Auch mit dem Schulleiter kam ich anfangs gut zurecht und ich denke, ich tue ihm Unrecht, wenn der in meinem Text als etwas "fies" herüberkommt. Er hat nur generell eine etwas strenge autoritäre Ausstrahlung (was er sich wohl mit der Zeit angeeignet hat, um in seiner Rolle als Schulleiter ernst genommen zu werden) und ihm ist eben irgendwann mal "der Kragen geplatzt" wegen dem ganzen Ärger, den ich verursacht habe.
Ich habe nun auch keinen Groll gegen einzelne Personen und es ist sogar immer sehr nett, wenn ich damaligen Kollegen oder Schülern begegne. Auch den Schulleiter habe ich seitdem ein paar mal gesehen und mich freundlich mit ihm unterhalten - auch, wenn es mir etwas unangenehm ist ihn zu sehen (geht ihm andersrum vielleicht genauso).
Aber wenn ich an diese Elternvertreterin denke, mit ihrer völlig verspannten, humorlosen Art und dem grimmigen Gesicht, dann läuft es mir noch eiskalt über den Rücken. *brrr* ;-)
Da ist vieles schief gelaufen. Du bist wirklich in ganz vielen Dingen absolut ins Fettnäpfchen gelatscht und hast agiert, wie man es an einer Schule einfach nicht machen kann.
Das ist leider so eine "Macke" von mir, dass mir manchmal nicht ganz klar ist, was man nun sagen darf oder nicht. Ich bin ein sehr freundlicher, toleranter und rücksichtsvoller Menschen, aber es passiert mir immer wieder, dass ich irgendwas sage oder tue, was dann von Leuten als Skandal aufgefasst wird. Deshalb bin ich in einem System wie der Schule, in dem man im Alltag von so vielen Leute kritisch überwacht wird, falsch.
In meiner jetzigen Tätigkeit als Journalist begegnen mir die Menschen ganz anders: Die freuen sich, wenn ich da bin, um zu berichten und sehen darüber hinweg, wenn ich mich mal "tolpatschig" oder so verhalte. Es geht ja darum, dass ich einen interessanten Artikel verfasse, in dem alle wichtigen Informationen enthalten sind. Für das, was ich schreibe, werde ich auch oft gelobt. Mir ist bisher auch noch nie passiert, dass ich etwas geschrieben habe, was ich hätte nicht schreiben sollen. Ich habe ja auch genug Zeit darüber nachzudenken, was etwas anderes ist als wenn ich spontan irgendetwas äußere und dann womöglich in ein "Fettnäpfchen" trete.
Eine Elternvertreterin, die Deinen Unterricht überwacht?? NoGo!!
Danach wurde mir von meiner Mentorin auch gesagt, dass Eltern nicht das Recht haben unangemeldet in den Unterricht zu kommen. Mir wurde auch gesagt, dass ich das beim nächsten mal nicht zulassen sollte. Die Schule hatte also keine Schuld daran und es war meine Unkenntnis und Gutmütigkeit, dass ich es ihr erlaubt habe sich den Unterricht anzugucken.
Grundsätzlich scheint Dich das auch noch sehr zu beschäftigen, oder nicht? Du solltest es abhaken und nach vorne sehen. Oder spielst Du mit dem Gedanken, es nochmal zu versuchen?
Ja, generell habe ich das ganze auch abgehakt und sehe meinen Lebensweg nicht grundsätzlich als schlecht an. Andererseits kommen die negativen Empfindungen von damals (gerade in Situationen, wo ich befürchte zu versagen) wieder hoch.
Ein Referendariat werde ich auf keinen Fall nochmal versuchen. Ich könnte mir aber vorstellen, vielleicht mal wieder mit jungen Menschen arbeiten oder (in anderer Position als Lehrer) etwas in der Schule zu machen.
Es gibt ja so Projekte wie "Schule macht Zeitung". Ich denke, da hätte ich mal Lust drauf, so etwas zu betreuen. Mal gucken, ob sich das mal ergibt.

Lehrerin2015
Beiträge: 31
Registriert: 19.02.2015, 23:49:42

Re: Meine Geschichte (Journalist, 2 Jahre nach dem Abbruch)

Beitrag von Lehrerin2015 »

Danke für deinen ausführlichen "Tagebuch" mäßigen Bericht. Ich bin Schülerin und jetzt weiß ich, dass das Referendariat auch schief gehen kann, aber ich glaube nicht weil du ein Versager bist oder so, wie du ja selber manchmal denkst so weit ich es verstanden habe. Sondern kleine Zufälle und kleine Fehler haben deinen Weg so gelenkt. Und freut mich zu hören, dass der neue Weg dir gefällt.

Feuerkopf
Beiträge: 96
Registriert: 25.10.2014, 11:36:19
Wohnort: NRW

Re: Meine Geschichte (Journalist, 2 Jahre nach dem Abbruch)

Beitrag von Feuerkopf »

Vielen Dank für deinen Beitrag.
Ich selbst bin jetzt seit November im Ref und trage mich ernsthaft mit der Überlegung abzubrechen.
Mein Kollegium ist klasse, meine Fachleiter sind super und die Kinder sind auch toll... aber ich... ich passe nicht da rein.
Mich überfordert der BdU, ich gehe mit Bauchschmerzen zur Schule und kann mich kaum noch konzentrieren, so dass ich ständig irgendwas vergesse, nicht wiederfinde oder auch kaum Geduld mit den Kindern habe.

So geht es nicht weiter. Aber die Frage nach der Alternative stellt sich natürlich schon. Vielleicht (vermutlich!) war das Angebot von der Zeitung bei dir ein Glücksfall oder auch ein Fall von Vitamin B, das wird also nicht jedem genauso gehen, das ist klar. Aber es ist gut zu hören, dass man solches Glück haben kann.

Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg!

Thisbe
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Registriert: 22.05.2012, 13:41:17

Re: Meine Geschichte (Journalist, 2 Jahre nach dem Abbruch)

Beitrag von Thisbe »

Ex-Referendar, ggf. hast du die Möglichkeit, ein Volontariat abzuschließen, um in deinem Beruf weiterzukommen? Vielleicht wäre auch für einige interessant, wie du überhaupt an so eine Stelle gekommen bist?

Ich persönlich habe ebenfalls ein zweites Standbein als schreibender Freiberufler, aber ich bin froh, das Ref durchgehalten zu haben, auch, wenn ich es im Nachhinein eigentlich schrecklicher fand als zwischendrin :mrgreen: Ich habe nun eine Vertretungsstelle und empfinde das Unterrichten nach dem Ref weitaus angenehmer. Ich mache jetzt Unterricht für die Schüler, und nicht für irgendwelche Fachleiter. Im Ref haben mir die Vorbereitungen auf Prüfungsunterricht und sonstige Besuche immer enorm viel Energie abgezogen, so dass für meinen eigenen Unterricht irgendwie kaum was übrigblieb.

Was mich noch auffällt: In der freien Wirtschaft hat man als Schreibender für gewöhnlich nicht weniger Zeitdruck und bezüglich deines Geometrie-Problems: Man muss sich ebenso schnell in fremde Themen einarbeiten können. Ich unterrichte beispielsweise Geschichte, habe aber nicht alle Epochen im Studium behandelt, muss mich also schnell reindenken können. Als freier Journalist ist diese Fähigkeit mindestens genauso wichtig.

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