Alternative Lehramt, Wert des 1. Examens

[bumtschak]

Hallo ich hätte gern einige Meinungen zu meiner jetzigen Sitution. Bitte offen ehrlich und konstruktiv antworten ^^

Zur Zeit bin ich Student im 6. Semester für Lehramt Gym Chemie-Geographie in Bayern.

So langsam kristallisiert sich bei mir heraus, dass ich in dem System Schule nicht arbeiten will. Das liegt nicht an den Kindern, sondern an dem einschränkendem System der Schule. Zum Teil fragwürde Vorgaben vom Ministerium, Kollegium, Fachbetreuer usw. bezüglich Benotung/Inhalt/usw. Ich bekomme immer mehr das Gefühl das ich in einem solchen Umfeld nicht den Umgang mit den Schülern haben kann, so wie ich ihn mir vorstelle.

Ich möchte eigentlich auch nicht in einem Umfeld arbeiten, wo man keine wirklichen Arbeitskollegen hat. Wie ist das nun gemeint? Nun ja nachdem man ja immer allein ist, wenn man arbeitet, sei es in der Klasse oder bei der Vorbereitung wird man eigentlich nur zum Einzelkämpfer. Die kritische Perspektive auf das eigene unterrichten geht so zum Teil verloren, da die andern "Kollegen" selbst schon genug am Hals haben. Ich bin jemand, der sehr teamorientiert arbeitet, und diese Komponente fehlt mir im Lehrberuf gänzlich.
Beim studienbegleitenden Praktikum habe ich mich auch mit der Betreuerin vor Ort unterhalten und mir scheint es als entwickeln Lehrer gerne in eine Art Abwehrhaltung gegen alles Neue. Laut ihrer Schilderung fängt das schon bei Kleinigkeiten wie der Raumgestaltung für ein lernfreundliches Umfeld an.

Ein weiterer Punkt ist, das ich das Gefühl habe, das ich mit dem was ich studiere eigentlich nichts anfangen kann. Chemie kommt als Arbeitsrichtung auf keinen Fall in Frage. Und in Geographie fehlt es vorn und hinten an der Vermittlung methodischer Kompetenzen (GIS, Umweltfernerkundung, ...). Zudem habe ich erfahren, dass das erste Staatsexamen nicht mal ein vollwertiger Abschluss ist, sondern nur in Kombination mit dem zweiten.

Nun überlege ich ob ich evtl jetzt den Studiengang wechsel (Landschaftsarchitektur). Ich möchte auf alle Fertigkeiten erwerben die mich auf dem Arbeitsmarkt attraktiv erscheinen lassen. Dazu gehören z.B. der Umgang mit einschlägigen Programmen, Statistik usw.

Nun die Frage:
Wie seht ihr das mit der Attraktivität von Lehramtsstudenten auf dem Arbeitsmarkt, die das erste Staatsexamen in der Tasche haben, aber das Ref nicht antreten möchten.
Für mich kann ich sagen, dass ich keine nennenswerten fachspezifischen Vorzüge zu bieten habe. Ich arbeite zwar nebenher, aber nur in der Gastro als Aushilfe. Praktika kosten mich zu viel Geld, da man zu wenig verdient, wenn überhaupt, da ich die Kosten für mein Studium selbst aufbringen muss.

Wo seht ihr also realistische Alternativen. Bzw. wie viel ist das Examen wirklich Wert?

[Fränzy]

Na, es qualifiziert schon erstmal als Lehrer (mit beiden Examen) und sonst erst einmal für nichts. Was jetzt nicht heißen soll, dass man mit dem ersten Examen nix anfangen kann. Im Sozialbereich geht bei GHR/Sonderschule z.B. sehr viel. Oder für Schulbuchverlage, Lektor, Erwachsenenbildung usw.

Landschaftsarchitektur stelle ich mir schwierig, wenn nicht gar unmöglich vor ohne weiteres (grundständiges) Studium.

Ich denke auch, dass Du alles zu negativ siehst. Teamarbeit wird bei uns groß geschrieben, wir fühlen uns im Team (in der Abteilung) als Einheit - ein Teil spricht sogar oft von unserem "Planet BVJ". Wir arbeiten gut zusammen, schaffen in Tandems, ziehen an einem Strang, haben unseren Spaß, besuchen uns gegenseitig in den Zimmern und haben offene Türen, wollen neues lernen. Schau dir die Wirklichkeit doch erstmal an, ein Praktikum sagt nun ja noch nicht soo viel aus, oder?


Ich habe übrigens die selben Fächer wie Du nur noch Mathe.
Das fachliche/fachdidaktische kommt mit der Zeit, keine Sorge.

Für Statistik: mach doch ein paar Scheine in emp. Forschung und Statistik und noch ein oder zwei SPSS Schulungen und mache eine kleine Studie. Da lernt man am meisten. Und ein Hexenwerk ist das alles nicht. (Habe alles davon auch hinter mir)

[Snugglesafe]

Wie seht ihr das mit der Attraktivität von Lehramtsstudenten auf dem Arbeitsmarkt, die das erste Staatsexamen in der Tasche haben, aber das Ref nicht antreten möchten.

Für einen Job bei Aldi oder McDonalds reicht es.

[Fränzy]

Wow! Was für ein qualifizierter Beitrag!

[Kodi]

Deine Uni macht doch bestimmt Berufsmessen. Dort würde ich unbedingt mal hingehen.

Gerade mit einer Naturwissenschaft sind deine Chancen da doch recht gut. Natürlich wird man dich weniger als Chemiker einstellen, solange es Fachchemiker gibt, aber die Verknüpfung von analytisch naturwissenschaftlichen und pädagogischen Fähigkeiten war zumindest zu meiner Studienzeit überraschend oft gesucht.

[Skeet1414]

Hmm, wenn du noch Student bist, wie kannst du dann abschließend ein Urteil über das "System Schule" fällen, wenn du in ihm noch nicht (längere Zeit) tätig warst?

[niconj]

Ich habe im April diesen Jahres mein 1. Staatsexamen gemacht und auch wenn ich den Beruf gern ausüben möchte, sind meine 1.7 eben nicht gut genug um das ich sofort ins Ref hätte gekonnt (Ich bin ortsgebunden sodass eine dtl.weite Bewerbung nicht in Frage kam).

Jedenfalls bin ich in der Situation gewesen das ich erstmal nichts hatte und schauen musste, wo ich unterkomme. Nach langer Bewerbungsphase bin ich tatsächlich jetzt bei DELL angenommen worden.

Natürlich hätte ich auch schon viel eher an einer Privatschule wie Inlingua/Studienkreis etc. unterkommen können aber ich fühlte mich mit meinem Universitätsabschluss irgendwie zu schade um für den Mindestlohn arbeiten zu gehen.

Bei Dell sagten sie mir, dass sie sehr viele Quereinsteiger hätten und das dies auf dem heutigen Arbeitsmarkt ganz normal sei. Insofern ist das 1. Staatsexamen schon ein wenig mehr Wert um bei McDonals arbeiten zu gehen.

Letztendlich kann man sich überall bewerben wo Soft Skills gebraucht werden, denn gerade das braucht man als Lehrer doch auch.

Natürlich verdien ich jetzt bei Dell nicht so viel wie ein Lehrer am Gymnasium aber viel weniger ist es auch nicht und man könnte tatsächlich auch davon leben und nicht unbedingt das 2. Staatsexamen machen, zumal ich auch unbefristet eingestellt bin.

Nico.

p.s.: Beim Jobinterview wurde mir das erste Mal bewusst, dass 1.7 doch nicht so sch*** ist, wie es einem bei der Bewerbung fürs Ref. vermittelt wird.