Vom Referendar zum Informatiker o.Ä.?

Abbruch des Ref? Durchgefallen - was dann?
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paprick.enn
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Registriert: 07.01.2014, 11:17:22

Vom Referendar zum Informatiker o.Ä.?

Beitrag von paprick.enn »

Hallo zusammen,

nach meinem Lehramtsstudium, einigen Schulpraktika und nunmehr zwei Monaten Referendariat (seit November 2013) wird mir immer klarer, dass der Lehrberuf wahrscheinlich leider nichts für mich ist. Das Gefühl beschleicht mich schon lange - ich habe es nur immer wieder geschafft, es aus meinem Bewusstsein zu verdrängen. Mittlerweile schaffe ich das nicht mehr.

Für alle, die sich meine lange Vorgeschichte sparen wollen: Ich würde eigentlich nur gerne wissen, welche Alternativen ich mit den Fächern Informatik und Englisch im Alter von 28 Jahren neben dem Lehrerberuf habe und bin für jeden noch so kleinen Ratschlag dankbar!

Zu meiner aktuellen Situation:

Ich bin 28 Jahre alt, habe an der RWTH Aachen die Fächer Informatik und Englisch auf Lehramt studiert und im September 2013 mein Erstes Staatsexamen mit 1,8 abgeschlossen. Ich habe sieben Wochen Referendariat hinter mir, in denen ich die Weihnachtsferien kaum erwarten konnte und mir graut es schon davor, morgen wieder zum Studienseminar fahren zu müssen.

Zu meiner Person und Vorgeschichte:

Ich würde mich selbst als ziemlich introviert beschreiben, weshalb ich mir schon häufig Sorgen gemacht habe, ob ich mich überhaupt als Lehrer eigne. Mir fällt es schwer, soziale Beziehungen herzustellen und aufrecht zu erhalten. Ich habe gerne meine Ruhe und stehe ungerne im Mittelpunkt. Hinzu kommt, dass ich ein Perfektionist bin, gekoppelt mit mangelnder Selbstdisziplin. All diese Faktoren machen für mich den Lehrerberuf zum Grauen.

Ich sehne mich geradezu nach einem klassischen Bürojob, bei dem man vor allem feste Arbeitszeiten und einen eigenen Arbeitsplatz hat und nur mit einer überschaubaren Menge von Kollegen und Kunden gleichzeitig konfrontiert wird. Die Freiheit im Lehrerberuf, die viele zu schätzen wissen, überfordert mich einfach nur. Ich brauche mehr vorgegebene Struktur und vor allem eine klare Trennung von Arbeit und Freizeit, weil ich es selbst nicht schaffe, sie zu trennen. Das war für mich während des Studiums schon ein großes Problem.

Stichwort Studium: Nach meinem Abitur im Jahr 2005 war ich zunächst ratlos, wie es weitergehen soll. Ich wusste nur, dass ich trotz schlechter Noten in Mathematik eine Leidenschaft für die Informatik habe. Ich fing also zunächst ein reines Informatikstudium an der Universität Düsseldorf an, um schnell zu bemerken, dass meine mangelhaften Mathematikkenntnisse es mir unmöglich machen würden, dieses Studium zu meistern. Ich wechselte also 2006 zu besagtem Lehramtsstudium an der RWTH Aachen. Ich muss zugeben, dass ich das zwar durchaus auch mit der Absicht getan habe, später Lehrer zu werden, jedoch auch, um Informatik ohne viel Mathematik studieren zu können und mir mit dem Zweitfach Englisch womöglich andere Berufe offen zu halten. Ich begann das Studium recht motiviert, bekam gute Noten, holte nebenbei für Englisch sogar das große Latinum nach und blieb trotzdem im Grundstudium innerhalb der Regelstudienzeit. Das änderte sich allerdings im Hauptstudium. Ich wurde immer demotivierter, trat von angemeldeten Prüfungen mehrmals wieder zurück, wurde zunehmend unzufriedener und laut Hochschulpsychologin sogar depressiv... Ich zog auch eine Psychotherapie in Erwägung, wollte aber meine eventuelle spätere Verbeamtung dadurch nicht riskieren. Ich machte kein Auslandssemester in England, weil es nicht verpflichtend war und ich davor Angst hatte (Jetzt kämpfe ich mit der Angst davor, Englisch zu unterrichten und habe es bisher immer noch nicht gemacht. Ich habe allerdings auch gemerkt, dass mich die englische Sprache und Kultur nicht so interessiert, wie sie einen Englischlehrer interessieren sollten.) Ich weiß nicht, woran es lag, dass es so bergab ging, aber ich könnte mir vorstellen, dass ich unterbewusst das Studium gar nicht beenden wollte. Alles andere wurde wichtiger als das Studium: Mein Nebenjob als studentische Hilfskraft, mein Engagement im Wohnheim und in einer Theatergruppe... Fertig wurde ich erst nach 14 Semestern im September letzten Jahres. Seitdem ging es, was meine berufliche Zukunftsperspektive betrifft, leider überhaupt nicht mehr bergauf. Ich bin froh, meinen Abschluss und damit das Studium hinter mir zu haben, aber das Referendariat und die Aussicht auf den Lehrerberuf erfüllt mich nicht mit neuer Energie, sondern raubt mir stattdessen die letzten Reserven.

Man muss dazu sagen, dass das Referendariat nicht wegen der äußeren Umstände so quälend für mich ist. Von Fachseminarleitern über Ausbildungslehrer bis hin zu den Schülern befinde ich mich, soweit ich das beurteilen kann, in einer geradezu optimalen Situation. Alle sind äußerst nett und hilfsbereit. Ich habe auch bereits Informatik unterrichtet und laut meinem Ausbildungslehrer für einen Anfänger gute Arbeit geleistet. Das einzige, aber schwerwiegende Problem bin damit wohl ich. Es macht mir einfach alles keinen Spaß, weder Unterricht vorzubereiten noch ihn zu erteilen. Ich kann mit dem theoretischen Gerede, das sich nun nach dem Studium in Seminar und Schule fortsetzt, nichts anfangen. Ich sehne mich nach praktischer Arbeit. Ich sehne mich vor allem auch nach einer Arbeit, die ich nach Feierabend am Arbeitsort lassen kann und nicht immer mit nach Hause nehmen muss. Ich fühle mich total überfordert und bin durch die Aufgaben, die sich mir stellen, überhaupt nicht motiviert, sondern schiebe sie vor mir her, bis ich sie panisch auf den letzten Drücker erledige. Es ist jedes Mal die reinste Hölle.

Nun stellen sich mir viele Fragen:

Was soll ich tun? Ist es vor diesem Hintergrund sinnvoll, das Referendariat abzubrechen oder sollte ich trotzdem versuchen, es durchzuziehen, obwohl sich alles in mir dagegen wehrt? Sollte ich mich neben dem Referendariat schon nach Alternativen umschauen? Wie sehen diese Alternativen aus? Wäre es vielleicht möglich, etwas im Bereich Informatik o.Ä. zu machen? Wie kann ich mein Studium nutzen, um nicht mit 28 Jahren noch mal ganz von vorne anfangen zu müssen?

Ich weiß selbst nicht mehr weiter und wäre für jeden noch so kleinen Ratschlag und ermutigende Worte dankbar.

Viele Grüße
Patrick

Illi-Noize
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Re: Vom Referendar zum Informatiker o.Ä.?

Beitrag von Illi-Noize »

Zwei Monate Ref sind jetzt nicht die Welt. Evtl. ist zu überlegen, zumindest mal dieses Schuljahr zu Ende zu bringen und dann im nächsten Schuljahr zu sehen, ob nicht bereits ein wenig Routine in die ganze Sache kommt. Das erleichtert dann viel und Du kannst dann schon viel besser einschätzen, was nun wirklich wichtig ist und was man eher mal hinten anstellen kann.
Es ist immer schwierig für andere Leute Entscheidungen zu treffen ... aber wenn ich einen Rat geben muss, dann würde ich wohl zu "weitermachen und beobachten" tendieren.

CatherineDuquesne
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Re: Vom Referendar zum Informatiker o.Ä.?

Beitrag von CatherineDuquesne »

Ich weiß jetzt nicht, wie ein Informatikstudium fürs Lehramt beschaffen ist, dennoch: Mir sind einige Dinge aufgefallen. Zu denen ich leider erst einmal keine ermutigenden Worte habe...

Informatik ohne viel Mathematik? Da wirst Du wohl leider im direkten Vergleich mit Diplom-Informatikern ziemlich baden gehen. Denn wenn die was können, dann rechnen! Ein Diplomstudium Informatik befasst sich nämlich zum Großteil mit - Mathematik. Dies hast du bereits selbst bemerkt...Und genau da liegt schon mal ein Unterschied, der es Dir eher unmöglich bis schwer(er) möglich macht, in dem Bereich ernsthaft Fuß zu fassen. Ist aber jetzt meine bescheidene Meinung...
Und wenn die was können, dann programmieren und sind da recht firm im Umgang mit großen PC-Systemen.
Könnte sein, dass ein Diplom-Informatiker schon mal breit grinst, wenn er was aus der Schule mitbekommt...
Wie gut kann ein "Schulinformatiker" da auf dem Markt mithalten?
OK, ich kenne jetzt die Ausbildung an Deiner Uni nicht, aber ich wage mal vorsichtig zu behaupten, dass ein Dipl.-Inf. einen Schulinformatiker schnell abhängen dürfte.

Wobei im Bereich Informatik du nicht unbedingt im stillen Kämmerlein hocken könntest. Eventuell stehen Kundentermine vor Ort an, eventuell Schulungen vor Ort oder eventuell auch Telefon-/Videokonferenzen.
Na jaaa, gutes Englisch könnte da mitunter schon helfen, wenn es im internationalen Bereich ist ;).

Selbstdisziplin wirst Du ebenfalls brauchen. Manchmal gibt es Deadlines, und das sind Deadlines. Da muss man sich ranhalten, wenn Projekte anstehen.



Ich persönlich habe nun absolut nichts mit Informatik am Hut, aber habe zumindest einen kleinen Einblick in die Materie...durch einen Informatiker.
"Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren." B. Brecht

Namila
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Re: Vom Referendar zum Informatiker o.Ä.?

Beitrag von Namila »

Geh doch zur Karriere- / Absolventen- / Studienberatung an deiner Uni. In der Regel kennen die sich mit den Studienschwerpunkten recht gut aus und können dir Alternativen nennen.

Ich würde in der Situation das Referendariat möglichst so lange weiter durchziehen, bis es eine Alternative gibt. Arbeitslos sein macht sich nicht gut im Lebenslauf und auf dem Konto. Falls du privat versichert bist, kannst du dann auch nicht mehr im Beihilfe-Tarif bleiben und es wird teurer.

IchArmerThor
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Re: Vom Referendar zum Informatiker o.Ä.?

Beitrag von IchArmerThor »

Hallo,

ich habe mich in deiner Selbstbeschreibung zum Teil wieder erkannt.
Zwar habe ich die Mathematikteil im Info-Studium nicht gescheut, sondern im Gegenteil Mathe als Erstfach gewählt, aber wir teilen dieses Gefühl, in der Schule möglicherweise fehl am Platze zu sein.
Ich bin sogar einen Schritt weiter als du und habe das Ref nach missglücktem Start doch noch bestanden (Traumnote 3.5 :oops: ). Und nun bin ich seit einem knappen halben Jahr im Schuldienst an einer Gesamtschule, die ursprünglich in Aussicht gestellte Verbeamtung ist dank nur "Ausreichender" dienstlicher Beurteilung der SL in weite Ferne gerückt und es wird immer offensichtlicher, dass ich hier nicht wirklich hingehöre - kaum eine Stunde macht Spaß und mich gegen die Halbstarken durchzusetzen ist eine nervenaufreibende Schinderei... wenn es mir denn überhaupt mal gelingt.
ICH bin dabei mir Alternativen zu suchen, weil ich merke, dass nicht ganz das Zeug zum Lehrer habe. Ich bedaure etwas, dass ich das nicht schon nach dem ersten halben Jahr des Ref gemacht habe, was aber nicht heißt, dass du dir daran ein Beispiel nehmen musst.

Was ich dir raten kann: Studienseminare bieten glaube ich meistens kostenlose Beratungen an - Fallbesprechungen, Supervision etc. Wenn es bei dir so etwas gibt (auf der Homepage nachlesen und/oder beim HSL erfragen, an wen man sich wenden könnte), dann solltest du vielleicht drüber nachdenken. Auch wenn sie dir dann nicht den Spaß am Lehrerberuf zeigen können, dann können sie dich bei der Entscheidungsfindung unterstützen.

CatherineDuquesne
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Re: Vom Referendar zum Informatiker o.Ä.?

Beitrag von CatherineDuquesne »

Das Problem ist halt tatsächlich, dass man im direkten Vergleich mit den Diplominformatikern wirklich keine Chance zu haben scheint, wenn man das ansieht, was die machen und das, was auf die Schule abzielt.

Hatte nur die Infos aus dem Thread bezüglich Informatik mal besagtem Informatiker gesagt, was er davon hält.

Seinen Gesichtsausdruck beschreibe ich jetzt lieber nicht. Nur soviel: Er meinte, dass ein Informationstechnologielehrer hoffnungslos überfordert sei mit dem, was er macht (Programmieren für große Firmen, Schulungen...)
"Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren." B. Brecht

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