Arbeitslos! Alternative privater Bildungsträger?

Abbruch des Ref? Durchgefallen - was dann?
User65
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Arbeitslos! Alternative privater Bildungsträger?

Beitrag von User65 »

Kurz zu meiner Person:

45 J. alt, II. Staatsexamen LA Realschule vor über 20 Jahren, Bewerbernote 2,2, Unterrichtsfächer Deutsch und Geschichte, dann kaufmännische Ausbildung

Etwas länger zu meinem Anliegen:

Nach dem (angeblich) erfolgreichen Vorbereitungsdienst habe ich die Schule mehr oder weniger fluchtartig verlassen und dann nach entsprechender Ausbildung gerne und auch erfolgreich als Kaufmann im Groß- und Außenhandel gearbeitet. Nach der Insolvenz meines letzten Arbeitgebers bin ich jetzt arbeitslos, und das Arbeitsamt versucht auch, mich als Lehrer zu vermitteln. Konkret musste ich mich bei einem privaten Bildungsträger bewerben. Dort soll ich arbeits- und lehrstellenlose Jugendliche unterrichten. Diese werden anscheinend von der Agentur für Arbeit dazu verdonnert, an solchen Lehrgängen teilzunehmen, deren Ziel wohl die Eingliederung in den Lehrstellen- und Arbeitsmarkt ist. Einen Lehrplan scheint es nicht zu geben („Wir sind da ganz frei“), und die Unterrichts- und Betreuungszeiten sind täglich von 8 bis 17 Uhr. So wie ich es verstanden habe, muss man dann auch diese ganze Zeit (verschiedene) Gruppen unterrichten/betreuen. Als Lehrer arbeiten dort auch Leute mit (nur) I. Staatsexamen, Sozialpädagogen, Meister „und Leute, die sich das so angeeignet haben“ (O-Ton Geschäftsführer). Als Bruttomonatslohn wurde mir 2.450,00 € angeboten; das ist erheblich weniger als ich bei meinem letzten Arbeitgeber als Debitorenmanager verdient habe. Ehrlich gesagt möchte ich den angebotenen Job nicht gerne machen. Das Ganze hört sich für mich langweilig und nervenzehrend an. Das Geld ist die eine Sache, aber vor allem scheue ich den Umgang mit extrinsisch motivierten Jugendlichen. Andererseits möchte ich auch nicht eines Tages als Handelskommissionierer bei einem Zeitarbeitsunternehmen mit 5,75 €/Std. landen. Ich bin daher hin- und hergerissen, den angebotenen Job anzunehmen.

Und nun zu meiner Frage:

Gibt es hier Leute, die Erfahrungen mit solchen Lehrgängen für arbeitslose Jugendliche haben? Was muss man da eigentlich konkret machen? Was wird dort vermittelt? Da die Sache vielleicht auch für den ein oder anderen arbeitslosen Junglehrer interessant sein dürfte, wage ich es einfach, mein Anliegen hier zu posten. (Vielleicht hat hier auch jemand eine Idee zu einer anderen, nicht-pädagogischen Berufsalternative.)

Danke fürs Lesen (und für evtl. Reaktionen)!
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

Fränzy
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Re: Arbeitslos! Alternative privater Bildungsträger?

Beitrag von Fränzy »

ich habe da erfahrung und rate ab! die nehmen hinz und kunz und zahlen schlecht. wenig urlaub. immer befristung. sehr schwierige jugendliche (wo das das einzige war, was ich persönlich gut fand). ich würde auf der kaufmannschiene bleiben :) viel erfolg.
שָׁלוֹם

Fränzy
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Re: Arbeitslos! Alternative privater Bildungsträger?

Beitrag von Fränzy »

Hallo,

ich nehme mir heute die Zeit doch noch ausführlicher zu antworten, gestern hing mir meim Baby am Arm und ich konnte nur einhändig tippen.

Diese Einrichtungen, von denen Du schreibst. haben Ausschreibungen von der Agentur für Arbeit an Land gezogen, die in der Regel alle 2 Jahre ausgeschrieben (und bewilligt werden). In der Regel bekommt der günstigste Bewerber den ZUschlag, das heißt, die Träger sparen an allem: vor allem am Gehalt (Berufseinsteiger: ab ca. 1800, Du mehr), Ausstattung, Material (nämlich meist keines da) und an der Teilnehmerzahl. EIn Bildungsbegleiter begleitet in der Regel 30-45 junge Menschen bei der Arbeitssuche bzw. begleitet sie in einer überbetrieblichen Ausbildung in der Einrichtung.

In den Berufsvorbereitenden BIldungslehrgängen (BVB) sitzen beruflich unorientierte Jugendliche, die an 4 Tagen Praktika absolvieren und am einem Tag einen Seminartag haben. Sollten die Jugendlichen den HSA nicht besitzen, sind sie an 2-3 Tagen in der Einrichtung und an den restlichem im Betrieb. Zu Beginn des Lehrgangs sind die Jugendlichen jeden Tag in der Einrichtung. Man hilft ihnen dabei Praktika zu finden und Bewerbungen zu erstellen. Außerdem gibt es Tests, die den Leistungsstand in den Kulturtechniken erheben. Je nach dem wie diese ausfallen, müssen die Jugendlichen Nachhilfe beim Träger in Anspruch nehmen.

Das heißt deine Tätigkeit könnte sein: Als Bildungsbegleiter die Praktika begleiten und Kurse im sozialen Lernen anbieten, Berufswegeplanung, Abstimmung mit Ämtern (hier vor allem Arge und Afa), Kontakt zu weiteren Institutionen.

Als Lehrer: Nachhilfe in D. M, ggf. E, Fachtheorie (in überbetrieblichen Ausbildungen). Gruppenangebote für den ganzen Kurs

Eine Sorge kann ich Dir nehmen: BVB Teilnehmer sind NIE langweilig. Der Job ist stressig.

Problematisch ist der Projektcharakter, sprich Du wirst NIE entfristet und stehst, wenn der Ausbildungsmarkt sich weiterhin so entwickelt wie jetzt irgendwann in absehbarer Zeit wieder auf der Straße, da dann nur noch der harte Kern von den wirklich nicht vermittelbaren Jugendlichen bzw. denen, die eine Ausbildung alleine nicht schaffen werden, übrig bleibt. Dafür braucht man aber weit weniger Personal und vermutlich werden dann die weniger einschlägig qualifizierten Bewerber auf die Straße gesetzt.
Das selbe geschieht, wenn Dein Träger nach 2 Jahren die Ausschreibung nicht bekommt.

Der Urlaubsanspruch beträgt in der Regel 24-26 Tage bei 40 Stunden, die aber leider kaum reichen, da mit wenig Personal geearbeitet wird. Viele meiner Bekannten in BVB Maßnahmen schieben Überstunden vor sich her.

Dass sie dort in diesen Projekten derzeit alle Möglichen Pädagogen und Meister einstellen hat damit zu tun, dass (gute) Sozialpädagogen zu diesen Bedingungen nicht arbeiten wollen, da man derzeit gut bessere Stellen bekommt (abseits der Unistädte). Die Fluktuation ist sehr hoch. Diese Träger betreiben sogar Akquise am Telefon, ich wurde in den vergangenen 5 Jahren mehrfach angerufen um abgeworben zu werden, was ich dankend ablehne.

Das ist nur ne ALternative, wenn man z.b. Zeit vorm Ref überbrücken möchte, bzw. in den sozialen Bereich (ohne Sozstudium) einen Fuß reinbringen will.

Grüße FRanzi
שָׁלוֹם

User65
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Re: Arbeitslos! Alternative privater Bildungsträger?

Beitrag von User65 »

Vielen Dank für die lange Antwort. Ich habe mich ein wenig im Bekanntenkreis umgehört, und die Einschätzungen dort decken sich mit deinen. Das Hauptproblem ist für mich nicht so sehr Urlaub und Überstunden sondern vielmehr die Bezahlung und gleichberechtigt die Tatsache, dass mir niemand genau sagen kann, was ich den Jugendlichen dort genau beibringen soll. Anscheinend ist die Agentur für Arbeit als Geldgeber daran überraschenderweise auch nicht sehr interessiert. Mein Eindruck ist, dass es sich bei solchen Veranstaltungen nur um Aufbewahrungshorte für angeblich unmotivierte Menschen handelt, denen dort mehr oder weniger Feuer unter dem Arsch gemacht werden soll, indem sie den ganzen Tag mit mehr oder weniger sinnlosem Zeug beschäftigt werden. Dazu eigne ich mich definitiv nicht. Ich würde gerne Menschen etwas beibringen, aber nur, wenn sie es wollen; wenn nicht, sollen sie gehen.

Allerdings ist mein Problem, dass dieser private Bildungsträger mich wohl sehr gerne einstellen will ("Hervorragend! Super! Sie haben alles: zwei Staatsexamen, kaufmänische Ausbildung und -erfahrung, praktische Berufskenntnisse..." - und ich habe auch noch nach dem Vorbereitungsdienst ein paar Jahre in der Flüchtlingssozialarbeit gearbeitet...). Ich kann jetzt gegenüber der Agentur für Arbeit das Angebot nicht einfach so ablehnen; das könnte zu Schwierigkeiten beim Leistungsbezug führen. Vielleicht kann ich den Geschäftsführer noch überzeugen, dass er der Agentur mitteilt, dass ich nicht der richtige Mann bin. Scharf wäre ich übrigens mehr auf seinen Posten oder den seines Stellvertreters. :D (Scheinen Kaufleute zu sein.)

Dass mich diese ganze Schulsache nach so vielen Jahren noch einmal verfolgen würde, hätte ich nicht gedacht. Manchmal habe ich den Eindruck, es wäre besser, es stände für diese Zeit im Lebenslauf ein Gefängnisaufenthalt mit ordentlicher anschließender Resozialisierung. Das gäbe wahrscheinlich im Gegensatz zu Studium und Vorbereitungsdienst hier und da noch Anerkennung. Gewiss ein wenig übertrieben, aber ein Fünkchen Wahrheit ist schon dran.

Nochmals schönen Dank für die Mühe mit der Antwort. Hätte gar nicht gedacht, dass sich eine wildfremde Person mehr als drei Minuten mit meinem Problem geschäftigen will.

Tschüß mir tiefer Verbeugung.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

Fränzy
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Re: Arbeitslos! Alternative privater Bildungsträger?

Beitrag von Fränzy »

Flüchtlingssozialarbeit? Vielleicht kannst du auch versuchen an andere Stellen in der sozialen Arbeit dran zu kommen? Der Stellenmarkt ist gut! Allerdings im kaufmännischen gibts einfach mehr Kohlen.

Aufbewahrungslehrgänge sind das nun wieder nicht, der Großteil der Jugendlichen hat nach dem Jahr schon eine Lehrstelle. Zumal die jugendlichen mehrheitlich in Praktika sind. Die Arbeitsbedingungen sind aber so schwierig, dass ich echt davon abrate.

Dein Lebenslauf klingt gut, Du findest sicher etwas gutes. :) Viel Erfolg!
שָׁלוֹם

Goya
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Re: Arbeitslos! Alternative privater Bildungsträger?

Beitrag von Goya »

Hallo,
zwar ist der Beitrag schon älter, aber ich antworte trotzdem darauf.
Ein Freund von mir hat sein Grundschulreferendariat geschmissen und ist in so einem Träger untergekommen. Er hat ca. 5 bis 8 Schüler und einen Lehrplan gibt es wirklich nicht. Der Lehrer ist frei die Themen zu entscheiden. Aber das ist in diem Fall auch wichtig da die ... (weiß den Fachausdruck nicht) sind. Rennen gegen die Wand etc. Aber er ist nicht alleine sondern hat zwei Pädagogen mit in der Klasse. Er ist total happy dort und ist glücklich die Grundschule verlassen zu haben.

Goya

Fränzy
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Re: Arbeitslos! Alternative privater Bildungsträger?

Beitrag von Fränzy »

Das ist dann aber keine normale BVB. Da sind Lehrer alleine und die Gruppen größer
שָׁלוֹם

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