Funktionierende Gemeinschaftsschulen?

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Floating
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Funktionierende Gemeinschaftsschulen?

Beitrag von Floating »

Hallo zusammen,

nach meinen bisherigen Erfahrungen, nach dem Austausch mit Kollegen und nach einigen Studien, die ich bisher gesichtet habe, drängt sich bei mir die Frage auf, ob es überhaupt GMSs gibt, bei denen es läuft.
Ich möchte in erster Linie einen Austausch mit Kollegen, die in der Stadt unterrichten, denn hier haben die Eltern die Möglichkeit, zwischen mehreren Schulen, die in der Nähe sind, zu wählen. Daraus ergibt sich (zumindest bei uns), dass städtische Gemeinschaftsschulen von Sonder- und Hauptschülern geflutet werden und sich in der Klasse keine Kinder oder kaum Kinder befinden, die auf mittlerem oder gar erweitertem Niveau lernen können. Für mich zeichnet sich ab, dass wir in dem Umgang mit Heterogenität in diesem Ausmaß nicht ausgebildet wurden und mich beschleicht das Gefühl, dass die Kinder trotz moderner Methoden weniger lernen, als wenn noch äußerlich differenziert werden würde. Viele Schulen haben Klassenzimmer, die die geforderten Lernarrangements gar nicht möglich machen (zu klein) und es bestehen noch andere infrastrukturelle Probleme (zu wenig Räume). Im ländlichen Raum scheinen die Probleme weniger stark ausgeprägt zu sein.

Konkret würde mich nun interessieren, bei wem es wirklich gut mit der GMS läuft.
Wie ist die Schülerschaft aufgebaut (Klassenstärke, G-,M- und E-Niveauverteilung)?
Stadtnähe?
Wie ist der Unterricht strukturiert?
Wie differenziert/fördert ihr?
Rhythmisierung? Arbeitsbelastung?

Danke für Eure Erfahrungen.
Gruß
Floating

Illi-Noize
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Re: Funktionierende Gemeinschaftsschulen?

Beitrag von Illi-Noize »

Hat mit dem Ablauf des Referendariats nichts zu tun, daher verschiebe ich! *schwupps*

krabappel
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Re: Funktionierende Gemeinschaftsschulen?

Beitrag von krabappel »

Hallo,

ich finde die Frage sehr interessant. Bei uns (Sachsen) gibt es Oberschulen, also Haupt- und Realschule zusammen, ab Klasse 7 wird dort in ein paar Fächern nach den beiden Abschlüssen getrennt. Die Gymnasialempfehlung ist zwar festgelegt mit einem Schnitt von MA, DE, HSU 2,0 in Klasse 4, jedoch versuchen alle halbwegs interessierten Eltern, deren Kinder (gerade so) keine Gymnasialempfehlung bekommen haben, auf freie Schulen oder Schulen mit Sportprofil (einzige, die kräftig aussieben können) unterzukommen.

Das hat zur Folge, dass der Anteil Verhaltensauffälliger und sonstwie Benachteiligter an Oberschulen überdurchschnittlich hoch ist. Also ähnlich der Gesamt-/ Gemeinschaftsschulen, die hier übrigens nicht erlaubt sind. Gäbe es also erst eine Trennung nach Klasse 8... Aber gut, das mögen Träume bleiben.

Zu deiner Frage: Es gibt an Schulen immer auch hausgemachte Probleme. Klar, die Klientel kann man sich selten aussuchen. Aber der Schulleiter muss schon auch Lust haben, sich mit den Bedingungen auseinanderzusetzen und mit euch Wege zu erarbeiten, wie man z.B. sinnvoll differenzieren kann. Bist du denn der/ die einzige im Kollegium, der sich dafür interessiert?

Ich versuche immer mal wieder Wochenplan, das lieben die Kids, sie arbeiten begeistert und konzentriert, gerade die Schwierigeren aber Leistungsstärkeren. Es ist halt wesentlich arbeitsintensiver, als mit allen irgendwas im Arbeitsheft zu machen. Und dann ist es auch schwieriger, dauerhaft dranzubleiben, z.B. weil das Material in der Schule liegt, ich aber Sonntagabend vorbereiten will, oder weil der zerrissene Stundenplan das nicht zulässt. Daher habe ich selber nicht immer das Durchhaltevermögen.

Mir wäre es eine Wahnsinnserleichterung, an einer Schule zu arbeiten, die Ideen hat und für Ideen offen ist, dann wäre viel mehr möglich. Vielleicht magst du dir Seiten von freien Gesamtschulen ansehen, wie die ihr Potential nutzen, um Ideen zu sammeln.

Floating
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Re: Funktionierende Gemeinschaftsschulen?

Beitrag von Floating »

Hallo krabappel,

das Konzept bei Euch scheint dem der erweiterten Realschule zu entsprechen. Alle lernen auf dem mittlerem Niveau, dann wird nach dem Abschluss getrennt, den das Kind später erwerben soll (Eine aus meiner Sicht sinnvolle Alternative).

Äußerliche Differenzierung ist meines Wissens an Gemeinschaftsschulen in BW nicht erlaubt, an der ER schon. Bitte korrigiert mich, wenn meine Informationen veraltet sind.

Mein Kollegium hat sich aus meiner Sicht sehr für Schulentwicklung und für die Entwicklung eines Konzepts eingesetzt. Die SL hat am Ende dann alles so gemacht, wie sie es für richtig hielt. Dies hat sich natürlich nicht positiv auf die Mitarbeitermotivation ausgewirkt. Trotzdem würde ich das Kollegium als interessiert und willig beschreiben, Leistungen zu bringen, die über das normale Maß und Arbeitspensum hinausgehen. Trotzdem ist es ein Kampf gegen Windmühlen. Schon allein die infrastrukturellen Probleme und die Mehrarbeitszeit durch den Ganztag fressen Ressourcen.

Wochenpläne verwenden wir bereits. Da beginnt zum Beispiel das Problem, dass das Abarbeiten dieser Pläne nicht wirklich die Art des selbstorganisierten Lernens ist, wie man sich das vorstellt. Die SuS kontrollieren die Pläne schlampig, machen die Pläne gar nicht und in den unteren Klassen darf man ja auch keine Noten auf die Pläne geben, wodurch es den Schüler praktisch egal ist, ob sie den Plan machen oder auch nicht. Dass der Lehrer natürlich erheblichen Mehraufwand hat, davon brauchen wir erstmal nicht reden. Dieser würde die meisten weniger stören, wenn sie den Eindruck hätten, es würde die Kinder voran bringen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Kinder lernen in diesen Settings einfach sehr schlecht. Sie würden von klassischem Unterricht, äußerlich differenziert in Leistungsgruppen, mehr lernen. Die inklusiv beschulten Kinder trifft es am schlimmsten.

Gesamtschulen sind ja eher etwas für die ER. Denn die GMS dürfen meines Wissens in BW nicht äußerlich differenzieren. Ich habe jetzt viele Studien durchwühlt. Die Studien, die positiv abschneiden, haben entweder wichtige Parameter weggelassen (z.B. Leistungsstand der Schüler und Wissenszuwachs) oder wurden offensichtlich an Modellschulen durchgeführt (18 Kinder pro Klasse, riesige Klassenräume, 2 Lehrer pro Klassen, Platz für Lernateliers). Bei uns haben nicht mal alle Kinder ein Schulbuch. Nicht, weil sie es verlieren oder vergessen, sondern weil es keine ausreichenden Exemplare gibt.

krabappel
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Re: Funktionierende Gemeinschaftsschulen?

Beitrag von krabappel »

Meines Wissens hängt Lernerfolg weniger vom Schultyp ab, als von der jeweiligen Unterrichtsqualität. Dazu passt:
Floating hat geschrieben: Wochenpläne verwenden wir bereits. Da beginnt zum Beispiel das Problem, dass das Abarbeiten dieser Pläne nicht wirklich die Art des selbstorganisierten Lernens ist, wie man sich das vorstellt. Die SuS kontrollieren die Pläne schlampig, machen die Pläne gar nicht
Wenn die Kinder nicht an den Plänen arbeiten, läuft was schief. Ihr müsst das natürlich konsequent einfordern, bis es zur Selbstverständlichkeit geworden ist! Zur Not bleiben einige mittags länger etc., was man frontal eben auch machen würde. Regelmäßige Lernzielkontrollen sind ebenfalls wichtig, obs Noten gibt ist drittrangig.

Wenn der Schulleiter euch nicht unterstützt und vielleicht auch noch die Klientel nicht dein Ding ist, dann wär vielleicht die Versetzung ans Gymi gut für dich?

Floating
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Re: Funktionierende Gemeinschaftsschulen?

Beitrag von Floating »

Hallo Krababbel,

ich war immer gerne Realschullehrer, auch an Brennpunktschulen. Jetzt habe ich das Gefühl, dass zuviel in zu kurzer Zeit eingeführt werden soll: Inklusion, Ganztag (für den keine Kohle mehr da ist), GMS ...

Die Schüler werden größtenteils von ihren Eltern entschuldigt, wenn sie die Pläne oder andere Leistung nachholen müssen. Die Eltern sind bildungsfern und Schule ist "scheiße". Auf die Leistungsüberprüfungen wird nicht gelernt, weil es ja um nichts geht. Die Kinder, bei denen es läuft, haben entsprechenden Background.
Zur Unterrichtsqualität: Sie ist nicht ausreichend. Objektiv nicht und subjektiv auch nicht. Es fallen einfach viele durch's Raster, die kommen mit der hohen Eigenverantwortung nicht zurecht. Vor allem weil wir Schüler haben, die weder lesen können noch richtig schreiben. Ich halte das Konzept für falsch, das Kinder wie kleine Erwachsene behandelt.
In BW gibt es kaum Möglichkeit als RL ans Gymi zu wechseln.

krabappel
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Re: Funktionierende Gemeinschaftsschulen?

Beitrag von krabappel »

Sorry, weiß auch nicht, wie ich auf Gymnasium komme. Aber gibts denn überhaupt eine Möglichkeit der Vesetzung? Oder könnt ihr als Kollegium ein paar Vorschläge einbringen, die eure Situation verbessern? Das große Ganze lässt sich nicht ändern, aber wenn die Kollegen an einem Strang ziehen, lässt sich vielleicht langsam eine Veränderung eurer Bedingungen bewirken. Steht eurer SL auf den Füßen, ihr müsst da jeden Tag durch!

Z.B. mehr Klassenleiterunterricht. Je öfter ihr in eurer Klasse seid, desto besser läuft es mit den Schülern. Wenn sie nicht richtig lesen und schreiben können, bewegt ihr euch ja bereits auf Förderschulniveau. Und dann hat die Beziehung zum Klassenleher Vorrang, damit sie sich überhaupt auf (lesen)lernen einlassen.
Und Nachholen kann man im Ganztag doch prima einsetzen. Während diejenigen, die ihren Kram geschafft haben eine nette Fußball-AG aufsuchen, machen die Trödler ihre Leseübungen. Da würd ich die Eltern allenfalls informieren, nicht fragen.
Dann könnte man die Wochenpläne überdenken. Wenn sie das Pensum nicht überblicken, schieben sie Frust, da machen Noten sowieso mehr kaputt, als sie helfen. Schraubt die Erwartungen bei einigen noch mehr runter. Wenn sie sehen, sie schaffen, was ihr verlangt, kriegen sie ganz von alleine Lust. Auf den ersten Blick scheint das ein Rückschritt, ist es aber nicht. Schlimmer kanns schließlich nicht werden, sie lernen so ja auch nichts.

Dadurch werden sie nicht wie Erwachsene behandelt, sondern im Gegenteil, wieder wie Kinder. Wenn Kinder in die Schule kommen, lernen sie noch freiwillig.

Ich weiß, wie anstrengend der Kampf gegen Bildungsarmut ist. Allerdings versuche ich vom resignierten Jammern wegzukommen. Weil: was bringts mir außer Frust? Ich mach den Job, für den ich bezahlt werde und versuche ihn so zu machen, wie unter diesen Umständen möglich. Und wenn mein Schulleiter alles kaputt macht, frage ich ihn möglichst nicht mehr nach seiner Meinung ;-)

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