Mal wieder W-Seminar mit Bitte um eure Einschätzung

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Sonntagskind
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Mal wieder W-Seminar mit Bitte um eure Einschätzung

Beitrag von Sonntagskind »

Hallo zusammen,

war schon lange nicht mehr hier und bin auch keine Referendarin mehr, fühle mich aber gerade ein bisschen wie in einem Waldd, den ich vor lauter Bäumen nicht mehr sehe, und würde daher einfach mal um eure fachliche Einschätzung bitten.
Das Problem kurz zusammengefasst:
Es geht um die Frage: Wie viel Eigenverantwortung kann ich bei der Erstellung von Seminararbeiten (ehemals Facharbeit) von meinen Schülern wirklich verlangen?
Die Frage stellt sich mir aufgrund des Einwands einer Schülerin, die sich bzw. ihre Arbeit durch mich ungerecht bewertet sieht.
Hintergrund: Die Schülerin hatte in einem Französischseminar im Rahmen ihres Themas die Aufgabe, Chansons zu analysieren, hat dies auch an sich ganz gut hinbekommen, nur die musikalische Gestaltung der Chansons hat sie bei ihrer Analyse nicht berücksichtigt.
Dass dieser Teil auch mit zur Untersuchung von Chansons gehört, habe ich ihr im Rahmen ihrer Beratungsgespräche auch gesagt, aber aus irgendeinem Grund ist dieser Hinweis meinerseits bei ihr offenbar nicht angekommen. Sie selbst sagt nun, mein Hinweis sei für sie nicht klar genug gewesen, es sei für sie überhaupt nicht logisch gewesen, dass man Chansons auch musikalisch analysieren müsse.
Ich selbst bin aber eigentlich der Auffassung, dass man von einer Oberstufenschülerin durchaus erwarten kann, dass sie selbst darauf kommt, ein Chanson auch musikalisch zumindest in Ansätzen zu untersuchen - schließlich lebt ein Chanson gerade durch die musikalische Gestaltung. Ganz unabhängig davon, ob sie nun meinen Hinweis wahrgenommen hat oder nicht. Dazu kommt, dass ich im Rahmen des Unterrichts mit den Schülern auch ein Chanson analysiert habe, wobei auch die musikalische Gestaltung mit besprochen wurde. Aus meiner Sicht hätte sie also auch von selbst auf die Idee kommen können.
Was denkt ihr darüber? Wieviel Selbstständigkeit und Eigenverantwortung kann/darf man den Schülern zumuten? Ich finde es im Rahmen der Beratungsgespräche, obwohl dies schon mein drittes W-Seminar war, immer ziemlich schwierig zu entscheiden, wie weit ich den Schüler bei der Erstellung der Arbeit anleiten soll. Dass ich ihn z.B. auf die Gefahr einer Themaverfehlung hinweise, wenn sie besteht, ist für mich klar. Bei der inhaltlichen Konzeption und Gestaltung bin ich mir aber oft unsicher, wie weit die Beratung und Betreuung reichen soll.
Über konstruktive Beiträge würde ich mich freuen!
- Sonntagskind - (F, D)
StRin z.A. ab Februar 2010
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krabappel
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Re: Mal wieder W-Seminar mit Bitte um eure Einschätzung

Beitrag von krabappel »

Ich misch mich mal wieder ein, ohne Ahnung zu haben :mrgreen: . Ich find das ist ein saucooles Fach! hatten wir nicht.

Die Schüler müssen doch Gliederungsentwürfe und so Zwischenberichte abliefern. Kannst du da nicht deine Anmerkungen auf dem Bewertungsbogen festhalten, den ihr am Ende nutzt? dann hättest du deine Hinweise a) schriftlich und b) nach denselben Kriterien, die an den fertigen Text gestellt werden und niemand braucht im Nachhinein um Punkte betteln.

Und haben sie Beispiele von sehr guten Arbeiten zum Vergleich?

Außerdem fiele mir noch ein: vielleicht gibt der genaue Titel der Arbeit noch was her. Wenn dort explizit drinsteht, dass es nur um den Textschreiber im Mittelalter des Chansons aus den Beneluxstaaten geht, kann sie sich vielleicht die musikalische Ausgestaltung sparen. Aber äweng albern ist das schon, über Musik zu schreiben und dann die Musik dabei auszulassen...

Jedenfalls würd ich nicht mit ihr rumdiskutieren, wenn das sogar im Unterricht so ausführlich besprochen wurde!

Stark
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Re: Mal wieder W-Seminar mit Bitte um eure Einschätzung

Beitrag von Stark »

Zieh das durch. Du hast sie dahingehend beraten, wenn sie das nicht mitnimmt, ist das ihr Problem.
Für die Zukunft: Ich erstelle in der Regel während der Beratung ein Beratungsprotokoll, das wir beide (Schüler und ich) unterschreiben. Da würde so etwas drinstehen, damit ich mich absichere.

Sonntagskind
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Re: Mal wieder W-Seminar mit Bitte um eure Einschätzung

Beitrag von Sonntagskind »

Ja, Du hast recht, das Protokoll habe ich versäumt, habe mir nur Notizen gemacht, aber die sind natürlich kein sicherer Beweis, wenn Einwände kommen. Sowas hab ich einfach nicht erwartet, aber da war ich dann wohl etwas zu kurzsichtig... Fürs nächste Mal hab ich sicher draus gelernt, weil ich auf sowas echt keine Lust habe!
- Sonntagskind - (F, D)
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User65
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Re: Mal wieder W-Seminar mit Bitte um eure Einschätzung

Beitrag von User65 »

Wäre ich an Stelle der Schülerin gewesen, wäre ich auch nicht im Traum darauf gekommen, die musikalische Umsetzung des Chansontextes zu interpretieren. Dazu müsste man ja z. B. Notenkenntnisse haben und sich mit musikalischen Stilmitteln auskennen. Wozu muss man das im Fremdsprachenunterricht wissen? Weshalb ist ausgerechnet das für das Erlernen der Fremdsprache von Bedeutung?
Sonntagskind hat geschrieben:Dass dieser Teil auch mit zur Untersuchung von Chansons gehört, habe ich ihr im Rahmen ihrer Beratungsgespräche auch gesagt, aber aus irgendeinem Grund ist dieser Hinweis meinerseits bei ihr offenbar nicht angekommen. Sie selbst sagt nun, mein Hinweis sei für sie nicht klar genug gewesen, es sei für sie überhaupt nicht logisch gewesen, dass man Chansons auch musikalisch analysieren müsse.


Diesen Einwand kann ich wirklich sehr gut nachvollziehen. Für das Verständnis des Chansontextes und seiner Interpretation ist die musikalische Gestaltung aus meiner Sicht nicht relevant.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

qchn
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Re: Mal wieder W-Seminar mit Bitte um eure Einschätzung

Beitrag von qchn »

ich bin anderer Meinung; die Aufgabe war ja nicht, einen Chansontext zu analysieren, sondern einen Chanson zu analysieren. Das Besondere am Chanson im Vergleich zum Gedicht ist doch, dass es eine Melodie hat - kann man doch nicht einfach weglassen. Ich fände es auch äußerst seltsam, wenn jemand beispielsweise eine Opernarie analysieren soll und sich nur auf den Text konzentrierte - oder nur auf die Musik.
Entscheidendes Argument ist aber m.E. dass die Analyse der Musik als Teil der Chansonanalyse im Unterricht behandelt wurde und die S daher entsprechende Begriffe zur Verfügung haben sollte.

Sonntagskind
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Re: Mal wieder W-Seminar mit Bitte um eure Einschätzung

Beitrag von Sonntagskind »

@User65: Eine so umfassende Untersuchung war natürlich nicht verlangt.
Es ging also nicht um Tonart, Takangaben oder genaue Melodiefolgen.
Vielmehr sollte eine Beschreibung der musikalische Charakteristika irgendwo vorkommen, also z.B.:
stimmliche Interpretation (Wo wird der Sänger lauter, an welcher Stelle nimmt er sich stimmlich zurück)
Instrumentierung (Sparsam oder eher aufwändig?)
Änderungen im Tempo, etc.
Dafür braucht es nun wirklich keine tiefergehenden musikalischen Kenntnisse, und wie gesagt, eine genaue Analyse der Noten war nicht das Thema.
Und doch, die Musik hat bei einer Kunstform wie dem französischen Chanson fast immer eine Aussage und deswegen auch einen Stellenwert, wenn Chansons näher betrachtet werden. Beispiel: Brels "Ne me quitte pas" - sehr kraftvolle Interpretation einiger Strophen, die beispielsweise die Verzweiflung eines von seiner Geliebten verlassenen Mannes zum Ausdruck bringen.
- Sonntagskind - (F, D)
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