Zum Lehrer nicht geeignet!

Diskussion zu pädagogischen Themen aller Art
SL

Beitrag von SL »

Ja, Rico, du hast schon recht.

Ich will die Schwierigkeiten im Referendariat auch garnicht verharmlosen. Auch im Referendariat braucht man gute Nerven, keinen Frage.

Und wie in jeder Ausbildung wird einem auch hier genau auf die Finger geschaut.
Was die Beurteilung betrifft, ist das übrigens zumindest hier in Bayern nicht so, dass jeder mit dem man als Ref zu tun hat daran beteiligt ist. (Das machen nur Seminarlehrer und Seminarvorstand bzw. Seminarleiter)

Mir gehts darum, dass man sich, wenn man Lehrer werden will, das gut überlegt haben sollte. Und dass man sich im klaren darüber sein muss, dass der Beruf kein Zuckerschlecken ist.

Leonidas
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Registriert: 31.08.2007, 20:52:45
Wohnort: Bremen

Beitrag von Leonidas »

Ihr Wort in Gottes Ohr SL!

Was mich darüber hinaus einfach seit dem Studium schon nervt ist, dass Lehrer immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung pauschal als faul, geldgeil... gelten.

In den Kommentaren zum Artikel urteilen Leute, die nur Halbwissen über unseren Beruf haben (Ich kenn' aus meinem Bekanntenkreis ein paar Lehrer...) und sich trotzdem aufführen, als wären Sie auf jeden Fall die besseren Lehrer.

Woher kommt das?! Neid/Missgunst?? Unverständniss??

Is schon richtig, dass man als Lehrer ein dickes Fell haben muss, aber solche Pauschalisierungen bringen mich echt immer schnell in den roten...

Nervt Sie das als "Forumsältester" (geboren irgendwo zwischen 1870/71-1914 :D :D ) garnicht??

Gruß Leonidas

RogerRabbit
Beiträge: 224
Registriert: 08.05.2006, 20:15:36

Beitrag von RogerRabbit »

In diesem Zusammenhang möchte ich auch mal ein Wort zu den vielen Beiträgen hier über Psychotherapien verlieren.
Ich kann nicht belegen, dass es bei den angehenden Lehrern besondern viele sind, die schon vorher mal psychische Probleme gehabt haben, aber es scheint mir so.
Jedenfalls liegt dort ein großes Problem. Der Lehrerberuf erfordert mehr als andere Berufe eine besondere psychische Stabilität und Robustheit. Wer psychische Probleme hat, sollte nicht Lehrer werden. Die Welt als Lehrer ist eben nicht so heil, wie man es sich vorstellt.
Dazu muss ich jetzt, als Referendarin, die kurz vor Beginn des Referendariats im Februar 07 ihre Psychotherapie beendet hat, etwas schreiben.
Ich stimmt dir natuerlich zu, dass der Lehrerberuf einen u.a. psychisch stark fordert und man in der Lage sein sollte, mit Problemen umzugehen. Nur ist mir nicht ganz klar, warum prinzipiell davon ausgegangen wird, dass Menschen, die sich mal in psychologischer Behandlung fanden, das nicht koennen sollen. Natuerlich gibt es immer solche und solchen und ich kann jetzt nur von mir sprechen. Wenn ich jetzt aber mich mal mit meinen Mitreferendaren vergleiche, faellt mir auf, dass ich zu denen gehoere, die relativ wenig jammern (klar, ab und zu muss das auch mal sein) und nicht alles ganz schrecklich finden. Klar hab ich auch Phasen, in denen ich einfach nicht weiss, wo ich mit der Arbeit anfangen soll und in denen ich einfach schlecht drauf und gefrustet bin, aber das ist meiner Meinung nach ganz normal und kommt in jedem Job bzw. bei jedem Menschen vor. Ich kann von mir behaupten, dass ich sehr belastbar sind und es mit Sicherheit viele Menschen ohne Psychotherapie gibt, die deutlich weniger belastbar sind. Ich bin im Ref noch nicht lange dabei, aber ich kann, denke ich, ohne schlechtes Gewissen behaupten, dass ich nicht zu den ungeeigneten Lehrern gehoere. Klar, wenn man so etwas von sich selbst sagt, klingt das oft nicht so glaubhaft oder arrogant oder... Aber zum einen beziehe ich mich hier auf meine Selbsteinschaetzung und zum anderen auf Urteile von Seminarleitung, Fachleitern, Ausbildungsleiter, Kollegen. Auch die oben angesprochene Belastbarkeit wird mir durchaus von verschiedenen Seiten zugesprochen.
Ich bin bisher auch noch nicht weinend zusammengebrochen, wenn mich ein Fachleiter kritisiert hat. Richtig derbe Kritik habe ich da bisher noch nicht erfahren, aber Kritik natuerlich schon.
Und manchmal denke ich mir, dass es u.a. auch daran liegt, dass ich lernen musste, mit Problemen umzugehen. Mein Weg verlief nicht immer glatt, Kritik bin ich gewoehnt (was nicht heisst, dass sie mich nicht manchmal auch ziemlich hart trifft!), ich musste arg kaempfen, um mein Examen zu bekommen. Und nun kommt mir (bisher) das Referendariat nicht schlimmer oder stressiger vor als so manch andere Etappe in meinem Leben. Dahingegen faellt mir bei Leuten auf, von denen ich weiss, dass bei ihnen bisher so gut wie alles problemlos geklappt hat, dass diese unter Umstaenden schneller an ihre Grenzen stossen.
Dass der Lehrerberuf kein Zuckerschlecken ist, weiss ich - ich komme aus einer Lehrerfamilie. Und bisher gehoerte ich nicht zu denen, die feststellten, dass sie es unterschaetzt haben.

Oh je, das ist jetzt wahnsinnig viel geworden, aber das musste ich mal loswerden. Man begenet so vielen Vorurteilen (bei der PKV geht's weiter) und ist eben pauschal erstmal der labile kleine Psychopath.

Piccola
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Beitrag von Piccola »

Hi,

also, ich bin zwar erst seit diesem Schuljahr "richtige" Lehrerin, aber ich muss sagen, dass der Beruf selbst nicht so ein Psychogetrallere ist wie das Ref.

Klar hat man ständig die Eltern auf der Matte, KOnferenzen, Probleme, bla und blubb.
Aber das alles ist NICHTS im Gegensatz zum Referendariat.

Ich habe nun 12 Stunden mehr als im Ref, bin Klassenlehrerin einer fünften Klasse an einer Privatschule (Eltern haben hohe Ansprüche) und habe noch 4 Std. Latein an einer anderen Schule, werde nach TVL E 13 bezahlt, weil ich freiwillig an die Schule ging, in der es eine Probezeit gibt und daher eine Verbeamtung erst ab dem zweiten Jahr möglich ist.

Trotz alledem an mehr Arbeit, habe ich jetzt wieder angefangen, mehr Kurse im Fitnesstudio zu geben, ich fange im Januar an mit der A-Lizenz und habe im Frühjahr die Prüfungen.

Das alles konnte ich im Ref wegen des Psychodrucks nicht leisten!

Es werden oft sensible Menschen Lehrer, ja. Doch genau das sollte ein Lehrer unter anderem auch sein.
Manch einem steht eben dies in Grenzsituationen im Weg.

Ich frage mich, wer denn dann Lehrer werden soll? Will man jetzt in Zukunft junge Menschen, die "geeignet" sind, dazu zwingen?

Seltsame Theorie...

Es gibt genug Lehrer, die zuerst unzufrieden sind, gar nicht Lehrer werden wollten und dann doch in dem Beruf aufgehen.

Umgekehrt gibt es auch welche, die es immer sein wollten und nach 5-10 Jahren daran zerbrechen.

Warum? Menschen ÄNDERN sich halt!

Ziemlich eindimensional, dieser Artikel. Zum Glück ist dessen Autor KEIN Lehrer...

Piccola
Mens sana in corpore sano :-)

matiz
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Registriert: 22.10.2006, 14:43:24

Beitrag von matiz »

Ich darf mal aus dem Artikel zitieren:
Der Chef des Beamtenbundes Baden-Württemberg, Volker Stich, forderte mehr Beratung für Schulabgänger und Studienanfänger, um die Selbsteinschätzung der jungen Menschen zu schärfen. "Da hilft nicht nur ein Schulpraktikum."
Wenn ich mir so die Praktikanten bei uns an der Schule anschaue, so halte ich diese grundsätzlich erstmal alle für geeignet, in den Beruf zu gehen. ALLERDINGS: Das Selbstbild und die Selbsteinschätzung sind völlig daneben. Warum? Sie halten sich für absolut toll und meinen, das das Unterrichten schon irgendwie hinhauen werde. Nach harscher Kritik aus dem Kollegium nach einigen schlampigen Stunden merken sie so langsam, dass es so nicht funktioniert. Vielleicht kommt man auf diese Art und Weise schneller an den Punkt, dass man sich psychisch überfordert sieht: Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung/Selbstbild und Realität.
http://www.bilingualer-unterricht.de

SL

Beitrag von SL »

Leonidas hat geschrieben:Ihr Wort in Gottes Ohr SL!

Was mich darüber hinaus einfach seit dem Studium schon nervt ist, dass Lehrer immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung pauschal als faul, geldgeil... gelten.

In den Kommentaren zum Artikel urteilen Leute, die nur Halbwissen über unseren Beruf haben (Ich kenn' aus meinem Bekanntenkreis ein paar Lehrer...) und sich trotzdem aufführen, als wären Sie auf jeden Fall die besseren Lehrer.

Woher kommt das?! Neid/Missgunst?? Unverständniss??

Is schon richtig, dass man als Lehrer ein dickes Fell haben muss, aber solche Pauschalisierungen bringen mich echt immer schnell in den roten...

Nervt Sie das als "Forumsältester" (geboren irgendwo zwischen 1870/71-1914 :D :D ) garnicht??

Gruß Leonidas
Mich nervt das schon auch, wenn auch nicht mehr so stark wie früher.

Woher das kommt? Schwer zu sagen. Ja, vielleicht Neid. In jedem Fall eine große Portion Unwissenheit, oft verbunden mit fehlendem Interesse sich aufklären zu lassen:
Wenn der Lehrer davon spricht, dass er viel Arbeit hat, erntet er oft nur ein Lachen.
Wie gesagt, früher habe ich mich regelmäßig darüber geärgert, heute gehe ich meist einfach nicht mehr darauf ein.

Das Problem ist halt, dass jeder Mensch selbst mal in die Schule gegangen ist und deswegen meint, mitreden zu können. Und viele haben in der Schule mal eine negative Erfahrung gemacht und sozusagen noch eine Rechnung mit einem Lehrer offen...

Im Urlaub habe ich mir angewöhnt, nicht über meinen Beruf zu sprechen. Wenn man Menschen trifft, die einen nicht kennen und die nach dem Beruf fragen, gebe ich meist eine ehrenamtliche Tätigkeit von mir als meinen Beruf aus. (Diese Tätigkeit kann man auch hauptberuflich machen.) Ich habe viel bessere Erfahrungen gemacht, seitdem ich nicht mehr sage, dass ich Lehrer bin. Traurig aber wahr.

SL

Beitrag von SL »

RogerRabbit hat geschrieben:Dazu muss ich jetzt, als Referendarin, die kurz vor Beginn des Referendariats im Februar 07 ihre Psychotherapie beendet hat, etwas schreiben.
Ich stimmt dir natuerlich zu, dass der Lehrerberuf einen u.a. psychisch stark fordert und man in der Lage sein sollte, mit Problemen umzugehen. Nur ist mir nicht ganz klar, warum prinzipiell davon ausgegangen wird, dass Menschen, die sich mal in psychologischer Behandlung fanden, das nicht koennen sollen.
[...]
Man begenet so vielen Vorurteilen (bei der PKV geht's weiter) und ist eben pauschal erstmal der labile kleine Psychopath.
Ich gebe gerne zu, dass ich bei diesem Thema auch sehr von Vorurteilen geleitet bin und damit verbunden auch sicher manche Fehlvorstellung habe.
Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren und bin sicher nicht der Mensch, der jemanden als "labilen kleinen Psychopath" abstempelt. Tut mir Leid, wenn das so rüberkam.

Ich frage mich nur, ob ich jemandem, der schon mal wegen Rückenproblemen in Behandlung war, empfehlen würde, Möbelpacker zu werden...

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