1. Staatsexamen reformieren

Wenn das Lehramtsstudium Fragen und Probleme aufwirft ...
Teide
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1. Staatsexamen reformieren

Beitrag von Teide »

Hallo liebes Referendar – Team,
ich bin neu hier. Deshalb ein paar Fakten zur Vorstellung. Ich bin 25 Jahre alt und lege im Moment mein 1. Staatsexamen an Mittelschulen in Bayern ab (Als Wiederholer nach nichtbestehen). Mein Hauptfach ist Mathematik Didaktik: Arbeitslehre/Biologie/katholische Religion.
Gestern war nun meine 1. Examensprüfung und sie ist nicht so besonders gut gelaufen. Deshalb meine Frage an Euch: Wie habt ihr Euer 1. Staatsexamen empfunden? Ich denke mir die ganze Zeit, dass ich, besonders in der Fachwissenschaft, Dinge lerne die ich nie mehr brauche. Wozu muss ich in der Hauptschule wissen, wie man Stetigkeit beweist, Grenzwerte berechnet und Darstellungsmatritzen aufstellt. Hat irgendjemand motivierende Worte für mich.
Dann Didaktik. Wäre es nicht besser, eine Multiple – Choice Klausur zu stellen in der alle Inhalte geprüft werden? Ich habe ordnerweise Dinge gelernt und dann werden drei Themen geprüft??? Das kann doch nicht sein. Dieses Examen prüft einen kleinen Ausschnitt aus dem Fachwissen, das ich mir sei September aneigne. Und dann kommt ein Thema, das ich nicht auf dem Schirm hatte. Das soll nun eine Aussage darüber treffen ob ich ein guter Lehrer bin oder nicht? Ich verstehe den Sinn dahinter nicht. Wäre es nicht besser, einen Querschnitt aller Prüfungsthemen abzufragen? Wie gesagt ich verstehe den Sinn hinter dieser ganzen Aktion nicht ganz. Man lernt, lernt und lernt, aber wenn das falsche Thema dran kommt hat man verloren. Wenn man das falsche Thema wählt hat man verloren. Ich habe z.B. erst zum Schluss gemerkt, dass mir die Nummer drei meiner Aufgabe nicht liegt. Was dann tun? Ein Wechsel kommt, eine Stunde vor Schluss nicht mehr in Frage.
Jetzt noch einmal zurück zur Fachwissenschaft. Wofür der ganze Sch***? Und warum wird im Examen der Sonderfall vom Sonderfall geprüft. Der ganze Stoff ist schon anspruchsvoll genug, warum muss man dann Aufgaben stellen, die nur zu lösen sind, wenn man den Trick, der in der Aufgabe versteckt ist sieht. Was hat das damit zu tun, ob ich Schüler unterrichten kann oder nicht?
Bei meinem ersten Versuch hatte ich eine Menge anderer Sachen im Kopf, aber dieses Mal bereite ich mich seit September darauf vor. Und nun diese Schlappe in Didaktik. Am liebsten würde ich am Montag gar nicht mehr antreten. Ich will nicht 2x durchfallen und ich frage mich die ganze Zeit, wo der der Sinn hinter diesem ganzen Blödsinn steckt. Früher konnte man wenigsten mit den mündlichen Prüfungen noch einiges reißen. Auch diese Möglichkeit ist uns verwehrt. Ich habe diesesmal eigentlich das Gefühl den Stoff zu beherrschen, aber es kann trotzdem in die Hose gehen. Ist das fair? Ich bereite mich seit September konsequent vor, aber 11 Stunden sollen darüber entscheiden, ob ich es drauf habe oder nicht. Ich empfinde das als so unfair. Ich bin so enttäuscht, dass es gestern nicht gelaufen ist, trotz der langen Lernzeit. Das kann doch einfach nicht sein, oder?

Zukunftsfrage
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Re: 1. Staatsexamen reformieren

Beitrag von Zukunftsfrage »

Mein erstes Staatsexamen lief folgendermaßen ab:
Ich habe auf 3 Jahre Bachelor (fachwissenschaftlich orientiert mit minimalem Didaktikanteil) studiert, habe eine BA- Arbeit geschrieben. Das Gleiche im 2jährigen Master (didaktikorientiert mit minimalen fachwissenschaftlichem Anteil).
Ich habe beides zur zuständigen Behörde geschickt und einen Wisch darüber bekommen, dass die BA und MA Ergebnisse durch 2 geteilt werden und damit mit einem 1. StEx gleichgesetzt sind.

chilipaprika
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Re: 1. Staatsexamen reformieren

Beitrag von chilipaprika »

Ob du ein guter Lehrer wirst (und nicht 'bist'), entscheidet sich im Ref. Das erste Staatsexamen bescheinigt dir Fachwissen.
Und zum Rest sage ich lieber nichts, es erinnert mich zu sehr an Gesprächen mit einer 6-Klässlerin, warum sie denn diese 'hohe Mathematik' bräuchte oder pubertierenden 8-Klässlern, die doch wissen, dass sie nicht Dolmetscher werden, warum sollen die denn Französisch lernen?!

Rayanne
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Re: 1. Staatsexamen reformieren

Beitrag von Rayanne »

Ich hab ähnlich gedacht wie du, aber nach ein paar Monaten in der Schule war mir klar, warum ich so viel Mehrwissen gepaukt habe.
Es verleiht die Souveränität und Sicherheit in deinen Fächern. Es verleiht dir Spontaneität, denn du kannst so viel flexibler mit dem Stoff umgehen.
Es verleiht dir die Fähigkeit, deine Schüler zu begeistern, denn mit Mehrwissen den eher drögen Unterrichtsstoff durch die ein oder andere Anekdote aufzufrischen ist super!
Und natürlich lernst du generell die Kompetenz, dir neuen Stoff schnell anzueignen.

Meine Examina bestanden alle aus relevanten Fragen. Ich kenn das natürlich auch von Bekannten, dass echter Bullshit abgefragt wird. Was das dann soll, kann ich auch nicht vestehen.

kecks
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Re: 1. Staatsexamen reformieren

Beitrag von kecks »

ich fand das erste examen anstrengend, kann aber sagen, dass ich das alles an der schule brauche, immer und immer wieder (und ich war sowohl an berufsschulen mit spannender und vielfältiger klientel, als auch am gymnasium).

kecks
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Re: 1. Staatsexamen reformieren

Beitrag von kecks »

chilipaprika hat geschrieben:Ob du ein guter Lehrer wirst (und nicht 'bist'), entscheidet sich im Ref. Das erste Staatsexamen bescheinigt dir Fachwissen.
Und zum Rest sage ich lieber nichts, es erinnert mich zu sehr an Gesprächen mit einer 6-Klässlerin, warum sie denn diese 'hohe Mathematik' bräuchte oder pubertierenden 8-Klässlern, die doch wissen, dass sie nicht Dolmetscher werden, warum sollen die denn Französisch lernen?!
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Illi-Noize
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Re: 1. Staatsexamen reformieren

Beitrag von Illi-Noize »

Ich bereite mich seit September konsequent vor [...] Ich habe ordnerweise Dinge gelernt und dann werden drei Themen geprüft??? Das kann doch nicht sein. Dieses Examen prüft einen kleinen Ausschnitt aus dem Fachwissen, das ich mir sei September aneigne. Und dann kommt ein Thema, das ich nicht auf dem Schirm hatte.
Bei drei Themen zur Auswahl - und man kennt doch die Klassiker der letzten Jahre - sollte doch meistens was dabei sein, was man kann? Sei es, dass man es gelernt hat (ich hatte z. B. zig Beweise für den Sinus- und Kosinussatz drauf), oder eben ein Allerweltsthema, zu dem man immer irgendwas "schwafeln" kann. Bei mir war 2008 in der Didaktik auch kein Thema dabei, das ich richtig gut gelernt hatte. Aber für den 3er hat es vollkommen ausgereicht, sich an die eigene Schulzeit bei dem Thema zu erinnern und dann ein wenig den gesunden Menschenverstand einzusetzen.
Und warum wird im Examen der Sonderfall vom Sonderfall geprüft. Der ganze Stoff ist schon anspruchsvoll genug, warum muss man dann Aufgaben stellen, die nur zu lösen sind, wenn man den Trick, der in der Aufgabe versteckt ist sieht.
In der Fachwissenschaft sind tatsächlich immer ein paar Aufgaben dabei, die ich nicht bearbeiten konnte. Aber es sind doch auch hier bei jedem Thema immer wieder die gleichen gut machbaren Klassiker dabei. Herr Schörner hat dazu eine tolle Seite und einen guten Kurs in München: http://www.mathematik.uni-muenchen.de/~ ... en-s15.php

Wenn man die Klassiker drauf hat, dann ist auch hier das Bestehen (4 gewinnt!) eigentlich gut machbar. Um dann in die vorderen Notenbereiche vorzurücken ... da muss man dann wirklich stark sein ... ich war es nicht. Bin aber schriftlich überall ohne 5 durchgekommen ohne die hellste Kerze auf der Mathetorte zu sein.

ich drücke die Daumen, dass das bei Dir (noch) ein gutes Ende nimmt!

PS: Auch wenn ich die anderen wiederhole: Man kann durchaus die eine oder andere Geschichte gut brauchen, auch wenn es die Schüler noch nie gehört haben. Sie es, dass Du dadurch sicherer bei den einfach Sachen bist oder mal schnell im Kopf etwas nachrechnen kannst. Nur mal als blödes Beispiel: "Fakultät" ist bei uns kein Begriff, kommt aber im Bereich "Daten und Zufall" immer wieder in Rechnungen vor (Wie können sich 4 Leute für ein Foto aufstellen? -> 4!): 2 Tasten am Taschenrechner und man hat die Lösung - die Schüler wissen bis heute nicht, was was "!" am Taschenrechner bedeutet...

PPS: Um noch auf den Threadtitel zu kommen: Klar könnte man das Staatsexamen reformieren und nur Sachen abfragen, die auf Schulniveau sind. Dir muss aber klar sein, dass dann A12 / A13 mehr als weit entfernt sein werden... ich würde mal auf A8 / A9 tippen - wenn überhaupt.

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