Referendare korrigieren ihre eigenen Gutachten, normal?

Habt ihr Fragen speziell an Ehemalige? Einige Junglehrer, die auch in der Referendarsbetreuung tätig sind, versuchen euch zu helfen.
Lukas1981
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Referendare korrigieren ihre eigenen Gutachten, normal?

Beitrag von Lukas1981 »

Eine weitere Begebenheit aus meinem Referendariat (Bayern, Gym):

Als zum Ende hin die berüchtigten "Gutachten" geschrieben werden mussten, erklärte meine Seminarlehrerin zunächst wieder lang und breit, wie ungern sie sie schreibe, allerdings sei sie dazu verpflichtet, und diese Gutachten seien aber eh vollkommen unwichtig (?!), würden nie von jemandem gelesen werden (?!), naja, außer vielleicht, jemand von uns würde sich an einer Privatschule bewerben, dann könne man sie schon vorlegen (!). Im gleich Atemzug erwähnte sie, naja, aber wir würden uns ja alle nur ärgern, wenn wir sie lesen würden, aber sie müsse diese ganzen negativen Dinge über uns schreiben (?!).

Was stimmte an den Aussagen meiner Seminarlehrerin denn nun, und was nicht?

Noch schräger finde ich im Nachhinein, dass wir von ihr dann alle unsere Gutachten als Entwurf ausgehändigt bekamen mit der Aufforderung, dass wir die Rechtschreibfehler korrigieren sollten.

Ich fand das nicht nur "daneben", sondern erniedrigend. Sie stampft uns in Schriftform in Grund und Boden, und wir müssen dann noch schön alles glattbügeln.

Ich machte Anmerkungen zu den sachlich falschen (oder herabwürdigenden) Aussagen in dem Gutachten und sprach sie später darauf an, das wurde von ihr ignoriert.

Die Rechtschreibfehler durfte ich aber korrigieren und die korrigierte Fassung im Schulsekretariat abgeben.

Ist dieses Vorgehen normal? Hätte ich ein Recht auf Einspruch beim Inhalt gehabt?

Besonders in meinem Gutachten waren viele Rechtschreibfehler, da da die Semianrlehrerin sich bei mir darüber aufregte, dass der Zweitgutachter (mein zweiter Seminarlehrer) dass Gutachten wahrscheinlich gar nicht gelesen habe, er sei so faul, er habe es ihr nur kommentarlos und ohne Änderung zurückgegeben, dabei seien ihr ja so viele Flüchtigkeitsfehler darin passiert, das hätte der doch sehen müssen.

Auch eine interessante Aussage.

ffm313
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Re: Referendare korrigieren ihre eigenen Gutachten, normal?

Beitrag von ffm313 »

Klingt für mich äußerst befremdlich! Auf jeden Fall würde ich mir das "Original" mal aufheben, für alle Fälle - man weiß ja nie...

m_schnabel
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Re: Referendare korrigieren ihre eigenen Gutachten, normal?

Beitrag von m_schnabel »

Gutachten anonymisieren und an die Boulevard-Zeitung mit den vier großen Buchstaben schicken ;-)

Lukas1981
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Re: Referendare korrigieren ihre eigenen Gutachten, normal?

Beitrag von Lukas1981 »

Ja, das ganze hatte echt VIERBUCHSTABEN-Qualität, das sehe ich im Nachhinein jetzt auch so. :)

(Damals fand ich es halt unheimlich belastend, ständig in so undurchsichtigen Situationen von Leuten abhängig zu sein, deren Entscheidungen und Aussagen so widersprüchlich bzw. undurchschaubar sind, und man darf aber auch keinen Mucks sagen.)

Lukas1981
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Re: Referendare korrigieren ihre eigenen Gutachten, normal?

Beitrag von Lukas1981 »

In meinem Gutachten steht ja auch, ich besäße ein "angemessenes Denk- und Urteilungsvermögen". Ich weiß noch, dass mich das damals extrem wütend gemacht hat, obwohl das wahrscheinlich in Beamtendeutsch ja was Positives heißen soll - ich frage mich heute noch, wieso das da drin steht bzw. was es genau bedeutet und was der Hintergrund solcher Aussagen sein soll. (Wurde von meiner Seminarlehrerin nur vage auf Nachfrage erklärt, sie müsse das beurteilen.)

Ich glaube, was mich so wütend gemacht hat, war, dass jemand, der zB selbst so wirre Aussagen wie mit dem 7-stufigen Notensystem im Referendariat trifft (siehe anderes Thema), also Sachen durcheinanderwirft aber als Tatsache verkauft, dann rein aufgrund eines persönlichen Eindrucks beurteilen will, ob ich - salopp - "doof" sei oder nicht. Ich habe während des Referendariats zB nie einen professionellen IQ-Test oder ähnliches abgeleistet, also konnte ich mir die Grundlage solcher Aussagen nur schwer erklären. Wobei selbst bei solchen Tests Schlüsse daraus wie - salopp gesagt - "doof" oder "schlau" ja eher auf unsicherem Boden stehen.

meinbenutzer
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Re: Referendare korrigieren ihre eigenen Gutachten, normal?

Beitrag von meinbenutzer »

Das kommt mir auch etwas befremdlich vor, kommt jedoch darauf an, wie genau das abgelaufen ist. Ich gehe davon aus, dass es sich um das Gutachten gemäß §22, §22a und §22b LPO II handelt?

Hier habe ich gehört, dass das an den Schulen etwas unterschiedlich läuft. Grundsätzlich ist es so, dass die diesbezüglich erbrachten Leistungen in eine Note gegossen werden müssen. Dies liegt natürlich ziemlich in der Willkür der Seminarlehrer, da es schwierig werden dürfte nachzuweisen, dass diese Kompetenzen von der Benotung abweichen. Zumindest solange wir von geringfügigen Abweichungen (ein bis zwei Notenstufen) reden. Aus den gewählten Noten ergibt sich dann quasi der Text. Man kann schlecht schreiben, dass ein Referendar, welcher beispielsweise in der erzieherischen Kompetenz eine 4 erhält immer vorbildliche und nachhaltige erzieherische Arbeit leistet. Ähnlich wie bereits bei der Beurteilung von fertigen Lehrkräften gibt es hier Schlüsselbegriffe, welche dem Kenner einer Notenstufe kenntlich machen. Sofern die Note eben nicht so toll ist, müssen dann auch diese Begriffe auftauchen. So würde ich beispielsweise aus dem „angemessenen Denk- und Urteilsvermögen“ ableiten, dass wir hier über eine Handlungs- und Sachkompetenz im Bereich 3 – 4 reden (natürlich abhängig von den restlichen Formulierungen).

Dass dieses Gutachten keine Bedeutung hat würde ich jedoch grundsätzlich stark bezweifeln, da §23 LPO II ganz klar regelt, dass diese Noten einen Großteil des zweiten Examens ausmachen.

Was die Herausgabe an die Refis betrifft, so sind mir hier unterschiedliche Verfahren bekannt. Teils werden „Mitarbeitergespräche“ geführt, in denen der Inhalt (in Andeutungen) mit dem Refi besprochen wird. Hier hat man dann auch die Gelegenheit sich zu äußern und ggf. Einwände vorzubringen. Das ist z.B. dann der Fall, wenn man an einer Schulveranstaltung was ganz tolles gemacht hat, dies jedoch keine Würdigung gefunden hat.
An anderen Schulen läuft es auch so, dass die Beurteilung nur eröffnet wird. Dort erhält man dann ein schriftliches Exemplar und eine gewisse Zeitspanne. Nach Ablauf dieser Zeit muss man dann bei der Schul- / Seminarleitung unterschreiben, dass alles besprochen wurde und in Ordnung ist. Vor dieser Unterschrift kann man natürlich auch Einwendungen vorbringen und um Überarbeitung bitten. Sofern die Schul- / Seminarleitung hier der Meinung ist, dass diese nicht berechtigt sind, wird dann in der Regel eine Notiz angefügt, dass die Lehrkraft bezüglich Punkt XY abweichender Meinung ist. Anschließend wird das Gutachten dann von beiden Seiten unterschrieben.

Im Zuge der Eröffnung kann man dann natürlich auch auf Rechtschreibfehler aufmerksam machen, jedoch ist es eher unüblich (meiner Meinung nach auch peinlich) diese grundsätzlich von der beurteilten Lehrkraft überprüfen zu lassen.

Ich hoffe ich konnte mit diesen Erfahrungswerten etwas zur Aufklärung beitragen.

Lukas1981
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Re: Referendare korrigieren ihre eigenen Gutachten, normal?

Beitrag von Lukas1981 »

Vielen Dank für die fundierte Auskunft!

Aber muss der Seminarlehrer nun in dem Gutachten die "Intelligenz" des Referendars überhaupt begutachten? Ich finde das befremdend und bin mir nicht sicher, ob dieses Kriterium in der LPO / ZALG auftaucht.

Oder wird es - weil es so schön schwammig und wenig nachprüfbar - gerne mal als pauschaler "Notendrücker" eingesetzt? Da ich annehme "angemessenes Denk- und Urteilsvermögen" bedeutet umgangssprachlich formuliert "ist nicht unbedingt die hellste Kerze auf der Torte", finde ich das im Nachhinein wirklich dreist von meiner Seminarlehrerin bzw. den Betreuungslehrern, wenn ich an die Diskussionen zurückdenke, die wir führten bzw. an Äußerungen, die diese Leute so vom Stapel ließen.

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