Erfahrungen Referendariat Schleswig-Holstein

Habt ihr Fragen speziell an Ehemalige? Einige Junglehrer, die auch in der Referendarsbetreuung tätig sind, versuchen euch zu helfen.
Thickstone
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Erfahrungen Referendariat Schleswig-Holstein

Beitrag von Thickstone »

Hey, da ich mich wahrscheinlich bald zwischen zwei Plätzen entscheiden muss, wäre ich sehr an Erfahrungen zum Ref in SH interessiert.

Meine Schule sagt mir sehr zu und sie wäre auch in einer Stunde erreichbar, was ich völlig vertretbar finde. Was mich etwas verwirrt sind diese einmal wöchentlich stattfindenden Module.

Wie empfandet ihr persönlich das Pendeln zu den Modulorten? Gibt es irgendwo eine Liste mit potentiellen Modulorten? Ich konnte dazu leider gar nichts finden. Ich befürchte, dass ich auch mal von Hamburg nach Flensburg pendeln müsste und da man schon 8.30 da sein muss, wäre das eher ätzend. Machbar, aber anstrengend.

Wie hat euch das Ref in SH ansonsten so gefallen?

joker28
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Re: Erfahrungen Referendariat Schleswig-Holstein

Beitrag von joker28 »

Würde mich auch interessieren...

Bibi88
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Re: Erfahrungen Referendariat Schleswig-Holstein

Beitrag von Bibi88 »

Habe schon die ganze Zeit überlegt, ob ich antworte, da meine Erfahrungen vielleicht nicht allgemeingültig sind. Aber gut, ihr habt gefragt :lol:

Ich habe das Ref in SH als unfaire, von Machtspielchen geprägte, schlecht organisierte Veranstaltung erlebt. Aber zu den Mittwoch-Veranstaltungen:
Das Fahren zu den verschiedenen Mit-Referendaren ist vielleicht gut gedacht, in der Praxis steht jeder ohne Auto vor teilweise unüberwindbaren Hindernissen, wenn man bspw. in Orte kommen soll, die keine Bahnanbindung haben. Theoretisch sind die Modulgruppen sortiert, d.h. nach Kreisen bzw. Regionen (Südwest zB reicht von Wedel über Pinneberg und Elmshorn bis neuerdings Husum)... Ich war in Pädagogik in der "Hamburg"-Gruppe, was auf dem Papier sicher gut aussieht, de facto von Wedel nach Büchen aber eine Strecke von 2,5h im Berufsverkehr bedeutet.. Die Pflichtmodule, die du zuätzlich je nach Fach noch machen musst, werden meistens an drei verschiedenen Standorten angeboten, mit Glück musst du also nicht von HH nach Flensburg..

Was den Rest vom Ref angeht: je nachdem, welche Fächer und Laufbahn du hast. Meiner Erfahrung nach ist der Umgangston im Sek-I-Bereich deutlich freundlicher und konstruktiver als bei den "Gymnasialen".
Das Ref ist so aufgebaut, dass du vom ersten Tag in der Schule 10-12 Stunden eigenständig unterrichtest. Mit Glück in der Klasse eines deiner Mentoren, sodass du nachfragen und ggf. Material mitnutzen kannst. Mit Pech in einer unbekannten Klasse, wo du dich selbst reinfinden musst. Des Weiteren musst du bei deinen Mentoren hospitieren, sowie diese bei dir (zwei mal die Woche). Zusätzlich gibt es eine wöchentliche Beratungsstunde mit jedem Mentor und, so die Schule einen hat, mit dem Ausbildungskoordinator. Je nach schulinterner Absprache kommt dein Direktor entweder nur zu den offiziellen Besuchen ("UB", Unterrichtsbesuch deines Studienleiters) in deinen Unterricht, oder aber häufiger zu festgelegten Terminen. Das ist der schulische, praktische Teil der Ausbildung.
Das IQSH (Institut für Qualitätssicherung in SH) regelt deine theoretische Ausbildung, indem du dich jeden Mittwoch mit deinen Fach- bzw. der Pädagogikgruppe triffst. Dort wird erst eine Stunde eines Mit-Refs gezeigt (meist 2. oder 3. Semester), die dann von Studienleiter und Gruppe mehr oder weniger konstruktiv zerrissen wird. Mit Glück ist es wirklich konstruktiv, mit Pech nutzen die Mit-Refs diese Plattform, sich zu profilieren (hatte beides in meinen Fächern).
Nach Stunde und Besprechung steht der restliche Tag im Zeichen eines fachbezogenen (oder pädagogischen) Themas, das in unterschiedlichen Arbeitsformen (Studienleitervortrag, Gruppenarbeit, Eigenstudium) bearbeitet wird. Wiederum gilt, mit Glück ist das hilfreich und interessant, mit Pech hätte man sich alles zu Hause anlesen können und vertut nur seine Zeit. Diese Veranstaltung gehen meistens bis 16:30 Uhr.
Die UBs oder Unterrichtsbesuche sind Vorführstunden, die du mit deinen Klassen hältst und bei denen dich dein Studienleiter, Direktor und Mentor (manchmal auch Ausbildungskoordinator) beobachten und beurteilen. Diese werden nicht bewertet, sondern dienen der Beratung (in manchen Fällen auch der verbalen Zerstörung des Referendars, aber ich soll ja neutral bleiben)...
Von diesen UBs hast du je nach Laufbahn drei oder vier (kann mich irren und es sind nur noch drei) pro Fach und zwei in Pädagogik, auf drei Semester verteilt. Das klingt wenig und ist es auch, aber immer noch genug, um mit schlechter Planung in Stress zu geraten, weil drei Besuche kurz hintereinander liegen. Zudem sind diese Besuche auch eine der wenigen Möglichkeiten, herauszufinden, was dein Studienleiter sehen will.
Hast du alle Besuche, Pflichtmodule hinter dir, eine Hausarbeit zu einem fachlichen oder pädagogischen Thema (20 Seiten) geschrieben, ein Portfolio (10 Seiten) verfasst, wirst du zur Prüfung zugelassen: Diese besteht aus zwei zu zeigenden Unterrichtsstunden, einem fachdidaktischen Teil (Studienleiter legen vorher fest, wer dich in welchem Fach prüft), einem schulrechtlichen Teil und einem sogenannten Prüfungsgespräch, in dem du so ziemlich alles gefragt werden kannst. Hast du das erfolgreich überstanden, bist du Lehrer in SH.

Ich habe mich bemüht, das Ganze neutral wiederzugeben, aber mein persönliches Empfinden war und ist, dass das Ref in SH vor allem von der Willkür der Studienleiter (und des Schulleiters) abhängt. Ich möchte darauf hier nicht näher eingehen, in anderen meiner Beiträge finden sich genug Beispiele. Nur so viel: Solltest du wirklich in SH anfangen, leg dir ein dickes Fell zu. Lass Kritik nur an deine Arbeit, nicht an deine Persönlichkeit heran, auch wenn sie direkt darauf zielt. Weigere dich, unkonstruktive Kritik anzunehmen. Distanziere dich von unterschwellig beleidigenden und vernichtenden Aussagen zu dir, deiner Person oder deinem Lehrstil. Nur so hast du die Chance, unbeschadet aus dieser Knochenmühle wieder rauszukommen.
Und ja, es mag für einige völlig übertrieben klingen, aber ich kenne genug Referendare, die während und nach dem Ref in so tiefe Löcher gefallen sind, dass sie teilweise in Behandlung mussten.
Zum Abschluss ein Originalzitat meiner Deutsch-Studienleiterin im letzten UB vor der Prüfung:
"Bei Ihnen habe ich es ja besonders schwer, da Sie durch den Fachleiterwechsel so viel Zeit verloren haben. Man braucht ja immer einige Zeit, die Referendare zu brechen und neu auszurichten."
Our destiny is frequently met in the very paths we take to avoid it.

joker28
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Re: Erfahrungen Referendariat Schleswig-Holstein

Beitrag von joker28 »

Hey Bibi88,

erst mal danke für deine Erfahrungen und dass du doch noch geschrieben hast. So was ist ziemlich wichtig, um vorher abwägen zu können, was auf einen zukommt. Das klingt nach viel Stress, musstest du eigentlich jede Woche zu jedem Besuch von deinem Mentoren eine Verlaufsskizze anfertigen? Das dauert ja manchmal ewig... Die Lehrproben finden doch an einem Tag statt, oder? Kommen die dann an die Schule für den ganzen Tag und schauen sich die Stunden an? Ich fange jetzt auch bald an, bis jetzt ist meine Schulleiterin sowie Mentoren ziemlich nett, kann aber natürlich im Laufes des Refs ändern.

Bibi88
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Re: Erfahrungen Referendariat Schleswig-Holstein

Beitrag von Bibi88 »

joker28 hat geschrieben:musstest du eigentlich jede Woche zu jedem Besuch von deinem Mentoren eine Verlaufsskizze anfertigen?
Ich musste das nur in einem Fach, in dem anderen war meine Mentorin sehr locker. Bei der anderen musste ich jedes mal einen Ablaufplan schreiben, aber der konnte recht kurz sein, nur zur besseren Übersicht. Ich habe durch beide Herangehensweisen viel gelernt, aber es kommt immer auf den Mentor an.
joker28 hat geschrieben:Die Lehrproben finden doch an einem Tag statt, oder? Kommen die dann an die Schule für den ganzen Tag und schauen sich die Stunden an?.
Du meinst sicher nicht die Prüfung (die findet an einem Tag statt), sondern die normalen UBs. Bei denen legst du vorher mit dem Studienleiter fest, in welcher Stunde der Besuch stattfindet. Also zB Montag, vierte Stunde. Dann ist die fünfte Stunde für die Besprechung vorgesehen, in der auch meist dein Schulleiter noch anwesend ist.
Die Modulbesuche (bei denen die gesamte Modulgruppe zu Besuch ist) finden immer mittwochs statt. Du hast ja am Mittwoch nie Unterricht, daher musst du dir für die Stunde (meist die zweite oder dritte) eine deiner Klassen "ausleihen". Die "zeigst" du dann für eine Stunde, danach wieder Besprechung. Du wirst also nie dauerhaft beobachtet, sondern meist nur stundenweise.
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joker28
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Re: Erfahrungen Referendariat Schleswig-Holstein

Beitrag von joker28 »

Ah, super! Wie empfandest du den Prüfungstag? Hört sich ja ziemlich stressig an, alles an einem Tag durchkloppen zu müssen. Wie oft kommt das Seminar eigentlich zu Besuch in den 1,5 Jahren?

Bibi88
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Re: Erfahrungen Referendariat Schleswig-Holstein

Beitrag von Bibi88 »

Besuch bekommst du eigentlich maximal dreimal (Fach 1, Fach 2 und Pädagogik). Es kann aber auch sein, dass du in einer großen Gruppe gar nicht oder in einer sehr kleinen mehrfach dran bist. Ist aber eher die Ausnahme.

Was die Prüfung angeht, ich empfand den Tag als wahnsinnig anstrengend. Mein Tipp an alle ist, sich für die Dauer der gesamten Prüfung jemanden zu engagieren (einen Mitref am besten), der einem gut zuredet, Essen organisiert und generell ein bisschen zur Seite steht. Die Mentoren sind die ganze Zeit mit den Prüfern zusammen und können einem da nicht helfen. Ich hatte aus verschiedenen Gründen niemanden und saß in den Pausen teilweise komplett alleine im Lehrerzimmer und hätte heulen können. Man macht sich ja doch Gedanken und Sorgen ;) Im Grunde geht der Tag recht schnell vorbei (verhältnismäßig), aber danach ist man völlig durch :mrgreen:
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