Schweres/leichtes Ref-Fach?

Habt ihr Fragen speziell an Ehemalige? Einige Junglehrer, die auch in der Referendarsbetreuung tätig sind, versuchen euch zu helfen.
dreistein
Beiträge: 216
Registriert: 02.06.2016, 23:38:49

Re: Schweres/leichtes Ref-Fach?

Beitrag von dreistein »

Ich meine, dass es eher von den Ansprüchen der Ausbilder denn von den Fächern abhängt.

Der Vermutung, dass im Fach Mathematik "die Vorbereitung schnell gemacht ist", kann ich als Mathematiklehrer nicht zustimmen. Ja, die Didaktik des Faches ist sehr alt (~ 5000 Jahre) und die Struktur des fachlichen Kerns ist klar.

Andererseits stellt das Fach hohe Ansprüche an die Schüler, denn vieles baut aufeinander auf. Beispiel: Ohne die Bruchrechnung (Klasse 5/6) verstanden zu haben, ist man in jedem Schuljahr bis hin zum Abitur immer wieder aufgeschmissen. Die meisten Schüler haben aber solche Lücken und man muss aufpassen, dass man diese nicht abhängt und am Ende einer Stunde nur die besten zwei oder drei Schüler die Lernziele erreicht haben. Aus dem gleichen Grund hat man im Mathematikunterricht oft eine weniger breite Beteiligung: Legt der Deutschlehrer ein Gedicht oder der Politiklehrer einen Zeitungsartikel vor, dann kann jeder Schüler etwas dazu sagen, der lesen kann. (Die Beiträge können ja durchaus sehr schlicht sein, aber auch der schwächste Schüler hat die Möglichkeit dazu.) Im Mathematikunterricht gibt es oft Mindesthürden der Abstraktion, über die nicht jeder Schüler ohne Hilfen hinwegkommt. Merkt man auch daran, dass man schon einiges daransetzen muss, in einer Erörterung die Note "6" zu bekommen, aber in Mathe geht das ganz leicht.

Für mich als Lehrer heißt das: Über die fachlichen Anteile der Unterrichtsplanung brauche ich nicht nachzudenken, dass kann ich für jede Stunde und jede Jahrgangsstufe "aus dem Stand". Dafür fließt unglaublich viel Arbeitszeit in Überlegungen zur Differenzierung und zur Remediation: Wie schaffe ich es, dass Schüler, die ausweislich ihres Gesichtsausdrucks "nur Bahnhof" verstehen, die Lernziele erreichen, und wie schaffe ich es, Schüler, die den Kern eines Problems und seine Lösung "auf den ersten Blick" durchdrungen haben, bei der Stange zu halten?

Auch bei der Korrektur wird dem Mathematiklehrer oft vorgehalten, er müsse ja nur "richtig" und "falsch" vermerken. Tatsächlich muss man jeden Rechenschritt nachprüfen, jeden Winkel und jede Streckenlänge nachmessen, jedes Argument genau prüfen (und die Rechtschreibfehler muss man natürlich auch anstreichen). Wenn ein Schüler eine Lösung abliefert, die so gut ist, dass sie als Musterlösung dienen könnte, dann ist das schnell gemacht. Aber wehe, die Schüler beschreiten bei der Lösung Irrwege, dann wird es schwierig: Bei jedem Rechenfehler muss man bis zum Endergebnis nachvollziehen, wie er sich auf den Lösungsweg ausgewirkt hat.

State_of_Trance
Beiträge: 65
Registriert: 10.04.2015, 10:25:12
Wohnort: NRW

Re: Schweres/leichtes Ref-Fach?

Beitrag von State_of_Trance »

dreistein hat geschrieben:Ich meine, dass es eher von den Ansprüchen der Ausbilder denn von den Fächern abhängt.

Der Vermutung, dass im Fach Mathematik "die Vorbereitung schnell gemacht ist", kann ich als Mathematiklehrer nicht zustimmen. Ja, die Didaktik des Faches ist sehr alt (~ 5000 Jahre) und die Struktur des fachlichen Kerns ist klar.

Andererseits stellt das Fach hohe Ansprüche an die Schüler, denn vieles baut aufeinander auf. Beispiel: Ohne die Bruchrechnung (Klasse 5/6) verstanden zu haben, ist man in jedem Schuljahr bis hin zum Abitur immer wieder aufgeschmissen. Die meisten Schüler haben aber solche Lücken und man muss aufpassen, dass man diese nicht abhängt und am Ende einer Stunde nur die besten zwei oder drei Schüler die Lernziele erreicht haben. Aus dem gleichen Grund hat man im Mathematikunterricht oft eine weniger breite Beteiligung: Legt der Deutschlehrer ein Gedicht oder der Politiklehrer einen Zeitungsartikel vor, dann kann jeder Schüler etwas dazu sagen, der lesen kann. (Die Beiträge können ja durchaus sehr schlicht sein, aber auch der schwächste Schüler hat die Möglichkeit dazu.) Im Mathematikunterricht gibt es oft Mindesthürden der Abstraktion, über die nicht jeder Schüler ohne Hilfen hinwegkommt. Merkt man auch daran, dass man schon einiges daransetzen muss, in einer Erörterung die Note "6" zu bekommen, aber in Mathe geht das ganz leicht.

Für mich als Lehrer heißt das: Über die fachlichen Anteile der Unterrichtsplanung brauche ich nicht nachzudenken, dass kann ich für jede Stunde und jede Jahrgangsstufe "aus dem Stand". Dafür fließt unglaublich viel Arbeitszeit in Überlegungen zur Differenzierung und zur Remediation: Wie schaffe ich es, dass Schüler, die ausweislich ihres Gesichtsausdrucks "nur Bahnhof" verstehen, die Lernziele erreichen, und wie schaffe ich es, Schüler, die den Kern eines Problems und seine Lösung "auf den ersten Blick" durchdrungen haben, bei der Stange zu halten?

Auch bei der Korrektur wird dem Mathematiklehrer oft vorgehalten, er müsse ja nur "richtig" und "falsch" vermerken. Tatsächlich muss man jeden Rechenschritt nachprüfen, jeden Winkel und jede Streckenlänge nachmessen, jedes Argument genau prüfen (und die Rechtschreibfehler muss man natürlich auch anstreichen). Wenn ein Schüler eine Lösung abliefert, die so gut ist, dass sie als Musterlösung dienen könnte, dann ist das schnell gemacht. Aber wehe, die Schüler beschreiten bei der Lösung Irrwege, dann wird es schwierig: Bei jedem Rechenfehler muss man bis zum Endergebnis nachvollziehen, wie er sich auf den Lösungsweg ausgewirkt hat.
Im Endeffekt sind wir uns bezüglich Mathematik ja doch einig. Ich bezog mich mit "schnell gemacht" darauf, dass ich Mathematik am Schreibtisch planen kann, während ich mich in Physik mit Experimenten in der Sammlung auseinander setzen muss. Bezüglich der Differenzierung und der Wichtigkeit der Inhalte, bereits in Klasse 5 beginnend, kann ich dir nur zustimmen. Umgekehrt ist es auch mächtig frustrierend, wenn in der Oberstufe ständig Schwierigkeiten entstehen, die ihren Ursprung in unzureichend verstandenen Grundkenntnissen haben. Ich glaube das kennen wir alle :/

Volle Zustimmung auch zum Thema Korrektur. Das glaubt einem keiner, aber Chaoten-Arbeiten in Mathematik sind unfassbar aufwenig zu korrigieren, weil man versuchen muss in den abstrusesten Gedankengängen der Schüler noch richtige Ideen zu erkennen :D

Stark
Beiträge: 925
Registriert: 30.05.2013, 1:23:20

Re: Schweres/leichtes Ref-Fach?

Beitrag von Stark »

State_of_Trance hat geschrieben:Das glaubt einem keiner, aber Chaoten-Arbeiten in Mathematik sind unfassbar aufwenig zu korrigieren, weil man versuchen muss in den abstrusesten Gedankengängen der Schüler noch richtige Ideen zu erkennen :D
Ohne jetzt die unsägliche Neiddebatte lostreten zu wollen, in welchen Fächern die Lehrer am schlimmsten dran sind: Der obere Kommentar gilt natürlich in gleicher Form auch für die Argumentationsstruktur in sprachlichen oder gesellschaftswissenschaftlichen Arbeiten. Bei den Fremdsprachen kommt oft noch dazu, dass man die reine Aussageabsicht des Schülers erst noch sprachlich entschlüsseln muss.

Generell gilt aber: Im Prinzip haben wir alle unser (Arbeits-)Päckchen zu tragen. Jedes Fach hat seine Vor- und Nachteile. Bei den korrekturfreundlicheren Fächern, in denen (je nach Bundesland und Klassenstufe) weniger Arbeiten geschrieben werden, hat man halt dafür mehr Klassen, also mehr Lerngruppen, also mehr Verwaltungs- und Beratungsaufwand, mehr Klassen- und Notenkonferenzen etc.

qchn
Beiträge: 405
Registriert: 07.06.2013, 21:28:12

Re: Schweres/leichtes Ref-Fach?

Beitrag von qchn »

OT: ich war neulich ganz beeindruckt davon, dass ein Kollege im Lehrerzimmer eine Geometrieklassenarbeit ruckzuck mittels einer vorher erstellten Folie korrigiert hat, die er nur über die Aufgabe legen musste, um Abweichungen zu erkennen. In meinem jugendlichen Leichtsinn war ich als Schülerin davon ausgegangen, dass meine Mathelehrerin alles einzeln per Hand nachmisst. Jetzt ergibt es natürlich auch Sinn, dass der Maßstab vorgegeben war.

Antworten