18 Stunden eigenverantwortlicher Unterricht

Umfrage und Diskussion über das aktuellste schulpolitische Thema
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Sind 18 Stunden eigenverantwortlicher Unterricht zu viel?

Umfrage endete am 25.02.2005, 16:51:42

Nein, ich habe noch Reserven. Die zwei Stunden schaffe ich auch noch!
2
15%
Naja, ich versuche das beste daraus zu machen. Es wird schon irgendwie klappen.
2
15%
Ja! Ich arbeite bereits am Limit. Wie ich die 18 Stunden schaffen soll, weiß ich nicht!
9
69%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 13

Severus Snape

Beitrag von Severus Snape »

Wirklich rasant weiterentwickeln tut sich der Wissenstand der Menschheit doch nur dort, wo naturwissenschaftliche Fragestellungen im Spiel sind. Durch die Möglichkeit der Isolation der Variablen und der Reproduzierbarkeit der Versuchssituation ist dort rascher Fortschritt möglich.

Das Feld, über welches wir hier sprechen, bietet diesen Luxus nicht. Und die Welt, in der wir leben hat weder die Absicht, noch die Mittel, in Schule mehr als eine industrielle Bildungsmaschine zu sehen. Wir suchen also nach dem günstigsten Verfahren, um eine große Menge Leute effizient auszubilden. Hierbei geht es den Verantwortlich nicht um die Schönheit des Prozesses. Was das Endergebnis angeht, so stimme ich zumindest darin überein, dass die Fähigkeit, aus Büchern zu lernen, ein sehr kostbares Gut ist.

Gruß,
Remus

Christoph
Beiträge: 17
Registriert: 22.05.2005, 12:24:16

Beitrag von Christoph »

Severus Snape hat geschrieben:
Wirklich rasant weiterentwickeln tut sich der Wissenstand der Menschheit doch nur dort, wo naturwissenschaftliche Fragestellungen im Spiel sind.
Oooooh, da kann ich nur empfehlen sich den Verlauf der Wissenschaftsgeschichte aller Wissenschaften mal näher anzusehen...!!! Die wachsen nämlich alle (spätestens) seit dem Zeitalter der Aufklärung exponentiell in ihren Ergebnissen an.
Durch die Möglichkeit der Isolation der Variablen und der Reproduzierbarkeit der Versuchssituation ist dort rascher Fortschritt möglich.
Ich bin zwar keiner, ... aber lass das mal die Geisteswissenschaftler hören... ...und obwohl ich keiner bin, kann ich nur sagen, dass die wissenschaftliche Methodik als Mittel des Erkenntnisgewinns für alle Wissenschaften gleich gilt. (siehe Wikipedia Stichwort "Wissenschaft") Alles Andere sieht sich zurecht einer großen Kritik ausgesetzt - da es keine Wissenschaft ist. Aber Naturwissenschaft zur "besseren"/"exakteren" Wissenschaft erklären zu wollen, nur weil man in einigen Teilbereichen von ihr vermeintlich objektiv Messen und Beobachten kann - entspricht etwa dem "Klotzmaterialismus" des 19 Jahrunderts - der spätestens in der heisenbergschen Unschärferelation u. den Orbialmodellen seine Grenzen findet - von Einstein u. Stringtheorien mal ganz abgesehen.. Spätestens wenn dir dann noch die radikalen Konstruktivisten (ich bin keiner!) in die Quere kommen u. mit Hilfe naturwissenschaften Methoden der Hirnforschung beweisen, dass alle deine Erkenntnisse Konstruktionen deines Gehirnes sind - ist es aus mit der besseren Objektivität der Naturwissenschaften gegenüber den Geisteswissenschaften. (Diese traditionelle Trennung sollte man eh unterlassen u. nur noch von "Wissenschaft" und "nicht Wissenschaft" reden - meiner Meinung nach.)
Das Feld, über welches wir hier sprechen, bietet diesen Luxus nicht. Und die Welt, in der wir leben hat weder die Absicht, noch die Mittel, in Schule mehr als eine industrielle Bildungsmaschine zu sehen.
Woran machst du fest, dass dies eine grundsäztlich unveränderbare Variable ist? Und um ein älteres Zitat von dir Aufzugreifen:
Meine Aufgabe als Gymnasiallehrer besteht u.a. darin, meine Schüler studienfähig zu machen. Ich muss sie in die Lage versetzen, eigenständig zu lernen, ohne dabei auf mich angewiesen zu sein.
Müsstest du da nicht erst recht deinen Schülern helfen durch eigenes beobachten, interpretiere u. reflektieren zu eigenen Erkenntnissen zu gelangen und nicht auf eine Autorität (Auch Bücher / Internet sind ja "Dozenten", "Autoritäten" die "sagen wie es ist") zu hören, die ihnen die "Wahrheit" kund tun?

Und ist es in diesem Zusammenhang nicht wichtig deinen Schülern den Prozess des fachwissenschaftlichen Erkenntnisgewinns transparent zu machen, damit sie echte wissenschaftliche Aussagen von "pseudowissenschaftlichen" oder gar manipulativen Aussagen unterscheiden können? (Stichwort Bioethik, Wissenschaftethik ?)
Wir suchen also nach dem günstigsten Verfahren, um eine große Menge Leute effizient auszubilden.
...und stellen bei sämtlichen großen und kleinen Untersuchungen immer wieder fest, dass es mit der Versorgung der Masse gerade noch so hin haut, aber an der Effizienz der Qualität gewaltig harpert...
Hierbei geht es den Verantwortlich nicht um die Schönheit des Prozesses
.

Was ja auch richtig ist, denn es soll ja nicht "Schön" oder "besonders aufwändig und kreativ" sein, sondern effizient im pualitativen Output. (Leider verlangen nicht wenige Fachleiter von Ihren Referendaren das sie primär "schönen" Unterricht machen... und die Frage nach dem Warum - ignorieren... weil sie mangels Ausbildung keine plausible Antworten darauf geben können..)
Was das Endergebnis angeht, so stimme ich zumindest darin überein, dass die Fähigkeit, aus Büchern zu lernen, ein sehr kostbares Gut ist.
Würde ich prinzipiell nie bestreiten! Ob aber das Buch als zentrales methodisches Element im naturwissenschaftlichen Unterricht jedoch richtig aufgehoben ist, wo doch die Naturwissenschaften selbst ihre Erkenntnisse durch die Interpretation von Beobachtungen u. Experimenten gewinnen und nicht durch die Analyse von Texten (wie es in den Literaturwissenschaften der Fall ist) - da habe ich meine großen Zweifel!

Sonnige Grüße

Christoph

Severus Snape

Beitrag von Severus Snape »

Die [Geisteswissenschaften] wachsen nämlich alle (spätestens) seit dem Zeitalter der Aufklärung exponentiell in ihren Ergebnissen an.
Das tut übrigens auch die Zahl der Wissenschaftler, womit wir eine andere korrelierende Erklärungsmöglichkeit hätten... 8)


Alles Andere sieht sich zurecht einer großen Kritik ausgesetzt - da es keine Wissenschaft ist.
Und da sind wir doch beim Kern. Ist Pädagogik eine Wissenschaft oder Cargo-Kult? Nach Kuhn zumindest befindet sich die Pädagogik noch in ihrer prä-paradigmatischen Phase.


Aber Naturwissenschaft zur "besseren"/"exakteren" Wissenschaft erklären zu wollen, nur weil man in einigen Teilbereichen von ihr vermeintlich objektiv Messen und Beobachten kann
Machen wir uns nichts vor, in der Pädagogik kannst du ein Experiment nicht unter gleichen Bedingungen wiederholen, egal wie viele physikalische Fachausdrücke du zitierst. Damit ist jeder Fortschritt dort schwieriger. Wertend bist du geworden - ich hab es Luxus genannt.
der spätestens in der heisenbergschen Unschärferelation u. den Orbialmodellen seine Grenzen findet
Das ist doch Quatsch. Gerade die neuen Modelle ermöglichen doch präzise Vorhersagen über atomare Prozesse. Grenzen sind das nur für Leute, die alles in einer streng mechanistischen Sicht haben wollen. Auch Einstein sagt nicht, dass man nicht genau messen kann, man muss nur andere Regeln beachten, als man bislang dachte. Und der Radikale Konstruktivismus hat eine Menge mit der speziellen Relativität gemeinsam. Man wandelt ein paar Annahmen in Ausgangspostulate und schaut, wo einen das dann hinführt. Ich finde die Idee genial... Klar, hab ich ja auch konstruiert! :wink:
Müsstest du da nicht erst recht deinen Schülern helfen durch eigenes beobachten, interpretiere u. reflektieren zu eigenen Erkenntnissen zu gelangen und nicht auf eine Autorität (Auch Bücher / Internet sind ja "Dozenten", "Autoritäten" die "sagen wie es ist") zu hören, die ihnen die "Wahrheit" kund tun?
Wenn sie die Mittel und 10.000 Jahre Zeit mitbringen würden, wäre das sicher eine interessante Variante. Wir haben aber nur 8 Jahre am Gym.
...und stellen bei sämtlichen großen und kleinen Untersuchungen immer wieder fest, dass es mit der Versorgung der Masse gerade noch so hin haut, aber an der Effizienz der Qualität gewaltig harpert...
Irgendwie ignorierst du hartnäckig meine Einwände: Viele Länder haben "unser" Qualitätsproblem nicht und bilden mehr mit Büchern aus als wir. Es kann doch per se nicht gegen Bücher sprechen, wenn Länder, die solche Ausbildungen kultivieren, mehr Erfolg aufweisen als solche, wo die Verwendung eher verpöhnt ist.

Mich stört deine Polemik im letzten Absatz. Ich werde dich aber nicht weiter auf die Arbeitsweise der Naturwissenschaften hinweisen, da ich mir sicher bin, das auch du weißt, wie man dort vorgeht. Aber wie erklärst du einem Laien die vielen Bücher im Regal?

Gruß,
Snape

refex
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Registriert: 31.05.2005, 11:56:33

Die Grenzen der Geisteswissenschaft

Beitrag von refex »

Die ersten abendländischen Wissenschaftler waren Naturwissenschaftler und die Naturwissenschaft hat riesige Fortschritte gemacht:

Vom Messer über das Dynamit bis zur Atombombe!

Die Geisteswissenschaft dreht sich dagegen immer wieder im Kreis mit ihrer uneffektiven Diskutiererei, ob und wie man die genannten Dinge einsetzen solle.
Immer unter Strom ist zu stehen hält die stärkste Birne nicht aus.[url]http://www.proll-is-out.de[/url]

Christoph
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Beitrag von Christoph »

Und da sind wir doch beim Kern. Ist Pädagogik eine Wissenschaft oder Cargo-Kult? Nach Kuhn zumindest befindet sich die Pädagogik noch in ihrer prä-paradigmatischen Phase.
Nun, wenn ich mich richtig informiert habe, hat Kuhn diese Aussage in den Siebzigern gemacht, also vor ca. 30 Jahren. Für die Gegenwart dürfte dies kaum noch gelten - und bei allen Wirrungen und Irrunge der Vergangenheit, auch damals war Pädagoik u. Lernpsychologie kein "Cargo-Kult"!
Aber Naturwissenschaft zur "besseren"/"exakteren" Wissenschaft erklären zu wollen, nur weil man in einigen Teilbereichen von ihr vermeintlich objektiv Messen und Beobachten kann
Machen wir uns nichts vor, in der Pädagogik kannst du ein Experiment nicht unter gleichen Bedingungen wiederholen, egal wie viele physikalische Fachausdrücke du zitierst. Damit ist jeder Fortschritt dort schwieriger.

Wertend bist du geworden - ich hab es Luxus genannt.
Schwieriger vielleicht - aber sollte man die Erkenntnisse deshalb (als unwissenschaftlich oder beliebig) ignorieren, weil man ihre Wissenschaft für einen "Luxus" hält?
der spätestens in der heisenbergschen Unschärferelation u. den Orbialmodellen seine Grenzen findet
Das ist doch Quatsch.
Villeicht - aber Hoimer v. Ditfurth hat für meine Erfahrungen nur wenig "Quatsch" produziert. ...und es war doch so, dass man bis dahin meinte das zumindes theoretisch alles "exakt" zu bestimmen sei - und auch hier der "Laplace-Dämon" einmal mehr seine Zähne verloren hat... (der ja eine Verkörperung und Zuspitzung dieses vermeintlich exakten Weltbildes und seiner Erforschung u. Vorhersage mittels der Naturwissenschaften ist...)
Gerade die neuen Modelle ermöglichen doch präzise Vorhersagen über atomare Prozesse. Grenzen sind das nur für Leute, die alles in einer streng mechanistischen Sicht haben wollen. Auch Einstein sagt nicht, dass man nicht genau messen kann, man muss nur andere Regeln beachten, als man bislang dachte.
Eben - und wie macht man das ? Du hast die entscheidende Methodik selbst benannt! Man bildet Modelle, meist über statistische Analysen! (Orbitalmodell) Diese Modelle müssens sich dann wieder bewähren, sonst werden sie verbessert oder ersetzt. Modelle sind dabei keine vergrößerte 1:1 Abbildung der Realität, sondern "geistige Krücken", die uns helfen etwas zu erfassen, was unser Gehirn nicht anders erfassen kann. Die moderne Pädagogik (als angewante Variante der modernen Psychologie) arbeitet ebenfalls mit genau dieser Methodik! Statistische Analysen - Modellbildung - Modellkritik anhand neuer Daten ggf. Modelländerung usw.
Müsstest du da nicht erst recht deinen Schülern helfen durch eigenes beobachten, interpretiere u. reflektieren zu eigenen Erkenntnissen zu gelangen und nicht auf eine Autorität (Auch Bücher / Internet sind ja "Dozenten", "Autoritäten" die "sagen wie es ist") zu hören, die ihnen die "Wahrheit" kund tun?

Wenn sie die Mittel und 10.000 Jahre Zeit mitbringen würden, wäre das sicher eine interessante Variante. Wir haben aber nur 8 Jahre am Gym.
Die Zeit im Unterricht reicht - sehr knapp - aber reicht! Man hat mir schließlich im Ref. beigebracht wie ich das in 45 - 90 Minuten anständig auf die Beine bekomme und mittels guter Gesprächsführung auch so schaffe, dass es wirklich die Ideen der Schüler sind - und nicht meine Intensionen. Trotzdem kommen wir am gewünschten Ende an - da auch Schüler logisch denken - und ich ihre Fähigkeit zur logischen Schlussfolgerung für die Lenkung meines Unterrichts verwenden kann. (Somit besitzen die Schüler auch die notwendigen Mittel...) Nur brauche ich dafür Vorbereitungszeit (damit die 45-90 Min. reichen) die erheblich länger ist, als wenn ich ein Buch mit vorgefertigten Fragen (und Antworten im Lehrerband) benutze. Es läuft ja auch viel Forschung in diesem Bereich (Siehe Aktuelle Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft - Sonderteil der DFG, Schule als Labor S. 7)
Irgendwie ignorierst du hartnäckig meine Einwände: Viele Länder haben "unser" Qualitätsproblem nicht und bilden mehr mit Büchern aus als wir. Es kann doch per se nicht gegen Bücher sprechen, wenn Länder, die solche Ausbildungen kultivieren, mehr Erfolg aufweisen als solche, wo die Verwendung eher verpöhnt ist.
Ich sage ja nicht das Bücher schlecht sind, ich sage nur, dass der andere Weg nachweislich besser ist! (Siehe z.B.: Herbers, R. Konzeption eines Spiralmodells zur Behandlung der chemischen Schadstoffe im Chemieunterricht verschiedener Jahrgangsstufen, basierend auf den Ergenisseneiner empirischen Untersuchung. Dissertation im Fachbereich Chemie, Lehrbereich Chemiedidaktik der Uni Münster, 1991)

Deshalb wird er ja auch im Referendariat verpflichtend gelehrt (in Nds. zumindest) - und nicht "wie mache ich Unterricht mit dem Biobuch". Aber warum bringt man mir das (berechtigter Weise) erst bei, wenn man mir hinterher kaum noch Changse lässt es in der Praxis umzusetzen? (- u. selbst Direktoren u. Dezernenten das eben noch hart abgeprüfte - mit besagten Kommentaren wiederholt belächeln...)???
Viele Länder haben "unser" Qualitätsproblem nicht und bilden mehr mit Büchern aus als wir.
Woher weist du so genau, dass diese Länder mehr mit Büchern ausbilden als wir? Kennst du hierzu eine (pädagogische) Studie?

Vielleicht bilden sie genau so viel mit Büchern aus wie wir, so dass die gemessenen "Qualitätsunterschiede" gänzlich andere Ursachen haben. (...und es somit vielleicht für alle Länder besser wäre, man würde es anders machen...)
Mich stört deine Polemik im letzten Absatz.


Uuups, war gar nicht als Polemik gemeint! Wenn es so angekommen ist, dann sorry - war wohl ein Missverständnis!!!
Ich habe es genau so gemeint wie ich es geschrieben habe - auf der Sacheben betrachtet!
Aber wie erklärst du einem Laien die vielen Bücher im Regal?
Weil man aus Büchern durchaus etwas lernen kann, wenn es auch (bestenfalls) der zweitbeste Weg ist.

Weil die meisten Bücher für Erwachsene geschrieben wurden, die anders lernen als Kinder und Jugendliche und nachweislich weniger Probleme haben auf einer sehr abstrakten (Meta-) Ebene zu denken u. zu lernen.

Weil Bücher ein gutes (traditionelles) "Datenspeichermedium" sind. (Aber eben keine guten Didaktiker und somit den Unterricht u. den persönlichen Lehrer nicht ersetzen können - sonst könnten wir sie abschaffen.)

Es gibt nachweislich Menschen die eher akustische Lerntypen sind, andere sind eher visuelle lerntypen und wieder andere lernen bevorzugt haptisch (taktil).

Ein Alter Hut der Lernforschung ist ja:

Wir behalten im Gedächtnis:
20% durch hören
30% durch sehen
50% durch hören u. sehen
70% durch sprechen
90 % duch selber tun

Wenn ich jetzt auch nicht für die 100prozentige Exaktheit dieser Prozentzahlen die Hand ins Feuer legen würde, dürfte der Grobe Rahmen stimmen - da auch die moderne Hirnfoschung (die ja rein naturwissenschaflich arbeitet) zu vergleichbaren Erkenntnissen kommt.

Zitat:
Verarbeitungstiefe: ...Je intensiver wir uns mit Inhalten beschäftigen, desto eher hinterlassen sie Spuren im Gedächtnis. Noch einmal: Ein bestimmter Inhalt wird nicht von einem Kasten zum nächsten weiter gegeben (dieses Bild ist vollkommen falsch) {gemeint sind Ultrakurzzeitged., Kurzzeitged., etc.}, sondern im Kopf bearbeitet, von verschiedenen Arealen des Gehirns zugleich und interaktiv verarbeitet, es wird mit ihm geistig hantiert. Je mehr, je öfter, je tiefer, desto besser für das Behalten. (Gemeint ist nicht die Zahl der Wiederholungen, sonder die Zahl der gleichzeitigen Verarbeitungsprozesse! – siehe nachfolgendes Exeriment im zitierten Buch, bei dem Menschen in einen Tomographen gelegt werden u. dem Hirn bei unterschiedlicher Aufgabenstellung zugesehen werden kann.)

Wer lernen für einen passiven Vorgang hält, der such nach dem richtigen Trichter. Wer Lernen aber wie eine Aktivität versteht, wie das Laufen oder Essen, der sucht keinen Trichter, sondern denkt über die Rahmenbedingungen nach, unter denen diese Aktivität stattfinden kann.

Aus Manfred Spitzer, Lernen, Gehirnforschung u. die Schule des Lebens, Spektrum Verlag – Heidelberg, Berlin 2002

Im gleichen Buch wird schon im Einstieg sehr gut erläutert, warum das Internet eben (aus besagten Gründen) kein guter "Trichter" ist - und das gilt für Bücher als "Trichter" ebenso - da es egal ist wo die Worte u. Bilder gespeichert sind - auf dem Papier oder im Web. (Ich halte trotzdem das Internet für ein gutes Unterrichtswerkzeug - wenn auch eher zum Datenaustausch u. zur Kommunikation und nicht als Informationsmedium und in einem kleineren Ausmaß als es im gegenwärtigen Internet-Schul-Hype gepriesen wird...)

Fröhliche Grüße

Christoph

refex
Beiträge: 172
Registriert: 31.05.2005, 11:56:33

Beitrag von refex »

Christoph hat geschrieben:
Die moderne Pädagogik (als angewante Variante der modernen Psychologie)
Und wenn die Psychologie nun in einer empirischen, wissenschaftlichen Studie herausfände, dass die Lernmotivation durch den Einsatz von Stockschlägen gesteigert werden könne?

Wie würde die moderne Pädagogik diese Erkenntnis umsetzen müssen?
Immer unter Strom ist zu stehen hält die stärkste Birne nicht aus.[url]http://www.proll-is-out.de[/url]

Christoph
Beiträge: 17
Registriert: 22.05.2005, 12:24:16

Beitrag von Christoph »

Und wenn die Psychologie nun in einer empirischen, wissenschaftlichen Studie herausfände, dass die Lernmotivation durch den Einsatz von Stockschlägen gesteigert werden könne?

Wie würde die moderne Pädagogik diese Erkenntnis umsetzen müssen?
Die Lernpsychologie hat solche Effekte schon vor Jahrzehnten (40iger Jahre) bereits mittels Experimenten untersucht - Stichworte: operantes Konditionieren, "der kleine Albert" etc.
Sie ist zu anderen Ergebnissen gekommen bei denen sie schon zu genüge nachgewiesen hat, dass man durch intrinsische Motivation (Neugier, Interesse, Identifikation ... zu einem Thema - Gegenstand) besser lernt, als durch extrinsiche Motivation (Angst vor Strafe, Hoffnung auf Belohnung).

Dazu kommt noch, dass Schmerzen (konnte man sogar im Scanner = Tomographen sichtbar machen) lernen hemmt, zumindest lernt man nicht das gewünschte.

Wie in jeder guten Wissenschaft - so auch in der Pädagogik/Fachdidaktik/Lernpsychologie - reicht nicht eine einzelne Studie aus, um eine Hypothese zu verifizieren. Es bedarf vieler Studien und Kontrollen - und selbst dann muss man (wie in jeder Wissenschaft - auch der Naturwissenschaft) die Ergebnisse in ihrem Kontext diskutieren, um sie richtig zu interpretieren u. einzuordenen, was fast immer Folgestudien mit sich bringt, die Randaspekte untersuchen.

Christoph

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