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Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Servent
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Beitrag von Servent »

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Löwenherz
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Re: Problem mit Kollegin

Beitrag von Löwenherz »

In dem Gespräch hätte ich auf jeden Fall nachgefragt welche SuS sich unfair behandelt fühlen und was sie genau als unfair empfunden haben. Immerhin ist das die Ausgangsbasis, die alle am Gespräch Beteiligten kennen sollten (mir unverständlich, dass da dein Mentor nicht nachgehakt hat, "Spezl" hin oder her). Das hat erstmal auch nichts damit zu tun etwas von dem, was die Kollegin sagt in Zweifel zu ziehen. Geh da davon aus, dass sie ehrlich das wiedergibt, was die Klasse ihr berichtet hat, dann strahlst du das auch aus. Mach deutlich, dass du ihre Worte keinesfalls in Zweifel ziehst, selbst wenn du am Ende die geschilderten Situationen aus deiner Perspekive anders empfunden hast und das auch darstellst. Danke der Kollegin für den wichtigen Hinweis und ergänze, dass du leider nur eine Wochenstunde in der Klasse hast, weshalb dir bewusst ist, dass wichtige Zeit für Beziehungsarbeit fehlt. Sag ihr, dass du mit der Klasse über die Vorfälle sprechen wirst und mach das dann auch.

Solche Gespräche sind sehr schwer zu führen, da verstehe ich dich gut. Das wird besser werden mit etwas mehr Übung. Ich versuche gerade bei so besonders komplizierten Menschen (egal ob Kollegen, SuS oder im Privatleben) grundsätzlich eine Sache an diesen Menschen ganz bewusst wahrzunehmen und zu spüren, die ich an diesen Menschen mag/sympathisch finde/die diese gut machen. Bei manchen Menschen muss man etwas länger suchen, es lässt sich aber immer etwas finden. An diesen positiven Aspekt denke ich in solchen Gesprächen, das hilft mir eine positive Grundhaltung zu bewahren und meinem Gegenüber zu signalisieren, dass ich es respektiere und wertschätze. Das macht oft ganz viel aus.
Auch eine konsequente Gesprächsführung mit Ich-Botschaften ("Ich habe jetzt verstanden, dass Carlo sich unfair behandelt fühlt, wenn ich ihm für seine Zwischenrufe einen Strich gebe, ist das richtig?") kann sehr entlastend wirken. Versuch auch gerade in solch einseitig wirkenden Gesprächen an das 4-Ohren-Modell zu denken und ganz bewusst mit "einem anderen Ohr" vorrangig zuhören, als sonst. Was ist zum Beispiel die Selbstoffenbarungsebene deiner Kollegin in diesem Gespräch gewesen? Hat sie sich überfordert gefühlt von den Vorwürfen der SuS? Hat es sie wütend gemacht in ihrem Unterricht darüber sprechen zu müssen?... Was war die Appelfunktion- teilen Sie ihren SuS deutlich mit, wofür sie einen Strich erhalten? Auch diese Art Überlegungen können helfen, so ein Gespräch mit etwas mehr Distanz zu betrachten und zumindest im Nachhinein etwas besser zu verstehen, damit du ein nächstes Gespräch vielleicht schon ein wenig anders angehen kannst.

Nimm dir auf jeden Fall speziell in dieser Klasse immer mal wieder ein wenig Zeit für Beziehungsarbeit (also tatsächlich gerade jetzt mehr frontal arbeiten, als in anderen Sozialformen, denn Gruppenarbeit bedeutet auch, dass du dich aus der Bezeihungsarbeit etwas zurückziehst, fragend-entwickelnder Unterricht ist dagegen u.a.eine Option bei wenig gemeinsamen Wochenstunden möglichst intensiv an der L-S-Beziehung zu arbeiten. Ich habe eine meiner Klassen auch nur eine Wochenstunde. Ist die einzige Klasse, in der ich fast ausschließlich mit fragend-entwickelndem Unterricht + als methodische Alternative TPS arbeite. Kreativere Gruppenarbeitsmethoden gibt es nur in Klassen, bei denen die Beziehungsebene bereits stimmt bzw.bei denen ich genügend Wochenstunden habe, um diese schrittweise zu entwickeln.). Gerade jetzt nach diesem Gespräch würde ich da offen mit der Klasse sprechen, was sie als unfair empfinden, wie vielleicht eine gemeinsame alternative Lösung zur Regeleinhaltung aussehen könnte... Hol dir die zurück ins Boot und mach ihnen begreiflich, dass du jemand bist, mit dem sie offen über derartige Sorgen sprechen können ohne Nachteile befürchten zu müssen, dass aber -Ref hin oder her- bei dir klare Regeln gelten die du auch durchsetzen wirst. Lass dir vielleicht auch etwas anderes einfallen, als einen Schüler für dich Striche machen zu lassen. Mach da vielleicht vorne an der Tafel etwas ("Treppe"/"Fass"). Damit sehen alle wo sie stehen (sehr wichtig finde ich) und bei den beiden erwähnten Varianten haben die SuS dann auch selbst in jeder Stunde in der Hand, ob überhaupt jemand eine Sonderaufgabe erhalten muss. Das hilft meiner Erfahrung nach in vielen Klassen, da die SuS sich gegenseitig ermahnen, um eine Strafarbeit zu vermeiden. Denk da immer zuerst an den Team-Gedanken "wir haben es fast geschafft, noch 5min, dann muss keiner eine Sonderaufgabe erledigen heute" und lass auch mal "Fünfe gerade sein" wenn die SuS einen anstrengenden Tag hatten (KAs), Freitag 5.oder6.Stunde,... Artikulier so etwas, damit die SuS merken "ah, der sieht, dass wir heute erschöpfter sind und macht nicht nur Schema F".

Frag die Klassenlehrerin vielleicht auch, wie sie mit Störungen umgeht. Tut ihrem Ego gut, nachdem sie aber ja 10 Stunden jede Woche in der Klasse ist, sind ihre Regeln den SuS präsenter, als deine. Wenn ihr da an einem Strang zieht, kann dich das im Hinblick auf die Kollegin entlasten und zeigt umgekehrt auch den SuS, dass sie euch nicht nach Belieben gegeneinander ausspielen können.

Gibt es noch einen Ref bei euch ander Schule, mit dem du darüber sprechen könntest, damit ihr ein wenig eure Strategien abgleicht? Sonst würde ich so etwas auch ins Seminar tragen und dort mit anderen Anwärtern diskutieren. Bei uns gab es da zu Beginn der Päd-Veranstaltungen (teilweise auch in FD) immer die Option solche Probleme anzusprechen und gemeinsam mit den Päd-LBs unter Peers über Möglichkeiten des Umgangs zu diskutieren.

Servent
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Servent
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Servent
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Löwenherz
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Re: Problem mit Kollegin

Beitrag von Löwenherz »

Kennst du den Ansatz des "inneren Teams" von Schultz von Thun? Ist ein Ansatz, an den ich gerade bei deiner Beschreibung deiner emotionalen Verfassung in diesem Gespräch denken musste und wie du da mit dir selbst zu ringen hast. Könnte sich vielleicht lohnen, da mal reinzulesen und damit zu arbeiten. Die Grundidee ist, dass wir alle verschiedene Anteile in uns haben mit teilweise sehr konträren Interessen, Wünschen, Bedürfnissen, Prioritäten. Manchmal wird uns das bewusst, dann haben wir das Gefühl "mit uns selbst" im inneren Widerstreit zu liegen. Gerade konfliktträchtige Situationen können dabei "verschiedene Teammitglieder" (nicht zu verwecheln mit multiplen Persönlichkeiten, es geht um psychisch gesunde Menschen) angetriggert werden und in den Vordergrund rücken. Je klarer wir uns in uns selbst über unsere Teammitglieder und deren Interessen sind, desto gelassener können wir bleiben, weil wir bewusst ein Teammitglied unserer Wahl in solch ein professionelles Konfliktgespräch "schicken" können.

Wenn zur Tafel drehen unmöglich ist in der Klasse, schreib es auf eine Folie auf dem OHP (falls ihr sowas noch habt) oder ein Blatt unter der Dokumentenkamera. Beide Optionen erlauben es dir in störungsfreudigeren Gruppen dieser zugewandt zu bleiben und sie im Blick zu behalten.

Wer keinen Bock auf Ethik hat und lieber schwätzt, wird gerade im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch viel weniger Möglichkeiten zu Störungen haben, als in freieren Unterrichtsformen. Ich mache zum Ende von Unterrichtseinheiten immer eine kleine Feedbackrunde (schriftlich) à la "Das habe ich gelernt, das würde ich gerne noch wissen/fehlte mir/besonders spannend oder langweilig fand ich.../für die nächste Einheit wünsche ich mir/..." Wenn ich Heftnoten mache oder Hausaufgaben korrigiere schaue ich mir das dann an. Vor allem SuS die lieber weniger aktiv mitarbeiten bzw.gerne schwätzen melden mir da zurück, dass es echt doof sei, dass ich sie immer aufrufe, wenn sie schwätzen bzw.sich nicht gemeldet hätten. Kann ich gut verstehen, funktioniert aber exzellent: Die wissen nämlich, dass sie aufpassen müssen, weil sie jederzeit drankommen können. Mein Unterricht findet in einer Klasse mit 26 SuS auch tatsächlich mit 26 SuS statt, die ich im Regelfall auch mindestens einmal pro Schüler und Unterrichtsstunde aufgerufen habe. Da bin ich aus Schülerperspektive echt ekelhaft präsent in diesen Dingen (und halte es mit dem guten Kounin). Damit mache ich am Ende aber eben auch etwas für die L-S-Beziehung, denn wenn meine SuS mich darauf ansprechen sage ich ihnen, dass ich jeden einmal hören will im Unterricht und Leute die sich nie melden eben mindestens einmal aufgerufen werden und dass ich ihnen helfen will aufzupassen (meist lässt sich das ja direkt mit den Noten solcher Störer verknüpfen) und sie gerade deshalb aufrufe, wenn sie abschweifen oder nicht mehr mitdenken. Genau denselben "Unruhestiftern" sage ich aber auch am Ende einer Stunde "heute hast du richtig konzentriert mitgearbeitet" oder "toll, dass du dich bei der Hausaufgabenbesprechung direkt gemeldet hast", damit sie wissen, dass ich so eine Verhaltensveränderung sehe und wertschätze. Das macht es für die SuS auch glaubwürdig, dass es mir nicht nur darum geht sie zu gängeln mit meinem Aufrufeverhalten (so ätzend das aus Schülerperspektive auch ist), sondern ein echtes Interesse an ihrem Lernfortschritt habe.

Das muss gar nicht alles passen für dich, ist ja mein Weg, nicht deiner. Aber vielleicht sind ein paar Hinweise dabei, die du auch für dich umsetzen kannst. Auch hier gilt: Klassenführung ist eine Frage der Erfahrung (Lebenserfahrung wie auch Berufserfahrung- beides hilft hier ganz ungemein). Da kann man von einem Ref oder Junglehrer noch nicht erwarten bereits ein klares Konzept oder "seinen" Weg gefunden zu haben.

Servent
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