Eigentlich ...

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
ExitRef
Beiträge: 1
Registriert: 14.02.2019, 23:17:19

Eigentlich ...

Beitrag von ExitRef »

finde ich das ganze Bewertungssystem im Ref unfair. Es ist, als würde man einen Medizinstudenten gleich am ersten Tag eine Herztransplantation alleine machen lassen... Der Chefarzt und sein Team sagen noch:"Wir sind dann mal einen Kaffee trinken..." und kommen nach 6 Stunden wieder zurück, Patient tot, Student wird zusammengefaltet.

Unfair ist, dass man mir sofort die perfekte Umsetzung der Seminarinhalte abverlangt, erwartet wird, dass man drei in der Fachdidaktik vorgestellte Methoden sofort auf jedes beliebige Thema anwenden kann, und wer nicht, wird mit lari-fari-Floskeln im Unklaren gelassen, welche Prognose die Fachleiter einem stellen.

Unfair ist auch, dass angenommen wird, dass man nicht besser wird... Nicht bis zur Lehrprobe, nicht in den Jahren/Jahrzehnten nach dem Ref.

Unfair ist zuletzt auch, dass auf meine Behinderung keine Rücksicht genommen wird. "Sie müssen an ihrem Tafelbild arbeiten..." Ja, klar arbeite ich dran, und die Digitalisierung ermöglicht mir, dass ich Tafelbilder als Präsentation erstelle, nicht mehr mit Kreide oder Stift an der Tafel. Da kann ich fast jederzeit alles optimieren... Manuell zu weit unten oder rechts angefangen oder zu groß geschrieben/gezeichnet, und dir geht halt irgendwann die Tafel aus...
Ich würde mir fürs Referendariat für zukünftige Generationen wünschen, dass mehr gewürdigt wird, dass sich ein Referendar in bestimmten Methoden versucht, dass er sich nicht dann erst traut, auch zu scheitern, wenn er "fertig" ist. Fast viel wchtiger als eine Methodenschlacht beim UB oder in der Lehrprobe finde ich, ob ein/e Referendar/in mit Schülern kann (mit den kleinen UND den großen), ob er/sie eine ausreichende Fachkompetenz hat und der Unterricht grundsätzlich erkennen lässt, ob sich jemad grundsätzlich Gedanken um die didaktische Strukturierung des Lehrstoffes gemacht hat. Ob jetzt ein oder zwei Methodenwechsel, der Sprechanteil der Schüler über 40%, die Ergebnissicherung in der Zeit abgeschlossen ist... Viele (weiterführende) Schulen fahren Doppelstundenmodelle... Hat man sich daran gewöhnt, die Ergebnisse in den letzten zehn Minuten der zweiten Stunde zu sichern, empfinde ich es als Kraftakt, es für einen Besuch schon am Ende der ersten Stunde zu schaffen.

Naja, alles wünschen ist aber sicher zwecklos... Bei uns fliegt offensichtlich jetzt zu Fasching wieder mal ein Referendar völlig ungerechtfertigt - meiner Meinung nach - aus dem Ref (nach Verlängerung), weil er von allen schlecht bewertet wird. Klar, sind da auch Probleme bei der Vermittlung... Aber statt ihm zu sagen:"Sie können da nicht hinschreiben: 2,5 = 1. Das verstehen die Schüler nicht", kann man das auch fachlich verpacken, z. B.:"Wenn Sie zur Umrechnung eines Ergebnisses eine Größe von 2,5 als Maß für eine neu definierte Einheit nutzen wollen, dann schreiben Sie einen Satz dazwischen, z. B.: 2,5 kg Stoff entsprechen einer Verpackungseinheit."

kecks
Beiträge: 1628
Registriert: 01.04.2009, 6:09:18

Re: Eigentlich ...

Beitrag von kecks »

zu deinem letzten beispiel: da sollte doch jemand, der lehramt studiert hat, doch bitte selber drauf kommen, oder? das ref ist keine kochanleitung fürs perfekte unterrichten.

meiner erfahrung nach ist fortlaufende schlechte bewertung von verschiedenen personen fast immer ein signal, dass der refi nicht das leistet, was er/sie mindestens fürs bestehen bringen muss. das ist leider manchmal so, wie bei sus eben auch. manche bekommen eine 6, wenn es gut läuft eine 5, vielleicht mal eine 4. nicht jeder kann das leisten, was er/sie gerne leisten würde. das rückzumelden und letztlich denjenigen nach mehreren chancen aus dem jeweiligen system zu entfernen ist richtig und wichtig, sonst kann das system seine funktion (hier: bildung und ausbildung) kaum erfüllen.

und ein nicht funktionierendes tafelbild, weil der ref an der falschen stelle zu schreiben beginnt, ist schon was, was man in woche zwei nicht mehr sehen will. such dir ein leeres klassenzimmer, übe das schreiben an der tafel, bis du es kannst. das machen viele im ersten jahr regelmäßig, kann halt nicht jeder sofort. oder hat das was mit einer behinderung deinerseits zu tun? dann ist das freilich was anderes, dazu kann dir hier wohl kaum einer sinnvoll raten mit so wenig infos.

Löwenherz
Beiträge: 268
Registriert: 02.10.2018, 17:57:53
Wohnort: BaWü

Re: Eigentlich ...

Beitrag von Löwenherz »

ExitRef hat geschrieben: Unfair ist zuletzt auch, dass auf meine Behinderung keine Rücksicht genommen wird. "Sie müssen an ihrem Tafelbild arbeiten..." Ja, klar arbeite ich dran, und die Digitalisierung ermöglicht mir, dass ich Tafelbilder als Präsentation erstelle, nicht mehr mit Kreide oder Stift an der Tafel. Da kann ich fast jederzeit alles optimieren... Manuell zu weit unten oder rechts angefangen oder zu groß geschrieben/gezeichnet, und dir geht halt irgendwann die Tafel aus...
Ich bin schwerbehindert, u.a. mit Auswirkungen auf Handfunktion und damit Tafelbilder. Da wir keine elektronischen Whiteboards haben arbeite ich bei Unterrichtsbesuchen durchgängig mit ausgedruckten Textbausteinen für Tafelbilder. Im normalen Unterricht mache ich das nur wenn es mir akut schlecht geht, ansonsten übe ich, so dass meine Tafelbilder sich inzwischen deutlich verbessert haben. Schwerbehindert zu sein bedeutet nicht, dass einem alles nachgesehen werden muss. Mich hat mein Mentor das ganze erste halbe Jahr immer wieder daran erinnert an meinen Tafelbildern zu arbeiten, also habe ich genau das auch getan. Such dir Lösungen, die für dich leistbar sind und die im Sinne des Lernprozesses deiner SuS sind, arbeite daran diese Lösungen zu perfektionieren und sprich dich mit deinem Seminar/Mentoren ab, damit am Ende keiner behauptet Tafelbilder müssten immer handschriftlich sein.
ExitRef hat geschrieben: (...) Fast viel wchtiger als eine Methodenschlacht beim UB oder in der Lehrprobe finde ich, ob ein/e Referendar/in mit Schülern kann (mit den kleinen UND den großen), ob er/sie eine ausreichende Fachkompetenz hat und der Unterricht grundsätzlich erkennen lässt, ob sich jemad grundsätzlich Gedanken um die didaktische Strukturierung des Lehrstoffes gemacht hat. Ob jetzt ein oder zwei Methodenwechsel, der Sprechanteil der Schüler über 40%, die Ergebnissicherung in der Zeit abgeschlossen ist... Viele (weiterführende) Schulen fahren Doppelstundenmodelle... Hat man sich daran gewöhnt, die Ergebnisse in den letzten zehn Minuten der zweiten Stunde zu sichern, empfinde ich es als Kraftakt, es für einen Besuch schon am Ende der ersten Stunde zu schaffen.
Wenn das Prüfungsformat verbindlich 45min sind, dann übst du eben genau diese 45min-Taktung auch ein. Bedeutet angewendet auf ein Doppelstundenmodell (das wir auch haben), dass du zwei eng verzahnte Stunden planst, die aber doch jeweils einen klaren kleinen Einstieg und eine klare kleine Sicherungsphase (quasi ein Zwischenstand) haben und nur ausnahmsweise bei größeren Lernaufgaben (z.B. Vorbereitung eines Rollenspiels) einmal davon abweichst.
Die Anzahl der Methodenwechsel sagt tatsächlich nichts über den Lerngehalt einer Stunde aus, allerdings hilft es SuS, wenn der Unterricht aus mehreren kleinen Phasen besteht, anstelle von wenigen langen Phasen. Wechsel von Methoden bzw.Sozialformen können ein Teil eines solchen Phasenwechsels sein und erlauben es diese abwechslungsreicher zu gestalten. Ganz nebenbei sind Methoden niemals ein Selbstzweck, sondern haben eine dienende Funktion bei der Unterstützung einer bestmöglichen Erreichung des Unterrichtsziels.
In UB/Lehrprobe MUSS die Sicherung in der Stunde abgeschlossen werden. Das ist nunmal Teil deiner Prüfungsleistung zu zeigen, dass du das auf den Punkt beherrschst. Damit das dann klappt, muss du entsprechend viele Stunden mit deinen Prüfungsklassen machen, bei denen du im Prüfungstempo mit denen arbeitest, denn sowohl du, als auch deine Klasse müssen sich an diese schnelle Taktung gewöhnen. Im normalen Unterricht versuche ich am Ende jeder Unterrichtsstunde mindestens ein Zwischenergebnis zu sichern, sonst müsste ich in einigen Klassen in der Folgestunde wieder bei Null beginnen, weil sie noch nichtmal nachlesen könnten, wo wir stehen geblieben sind. Insofern ist die Sicherung ganz einfach auch eine Arbeitsentlastung sowohl für dich, als auch für deine SuS.
ExitRef hat geschrieben: Bei uns fliegt offensichtlich jetzt zu Fasching wieder mal ein Referendar völlig ungerechtfertigt - meiner Meinung nach - aus dem Ref (nach Verlängerung), weil er von allen schlecht bewertet wird. Klar, sind da auch Probleme bei der Vermittlung... Aber statt ihm zu sagen:"Sie können da nicht hinschreiben: 2,5 = 1. Das verstehen die Schüler nicht", kann man das auch fachlich verpacken, z. B.:"Wenn Sie zur Umrechnung eines Ergebnisses eine Größe von 2,5 als Maß für eine neu definierte Einheit nutzen wollen, dann schreiben Sie einen Satz dazwischen, z. B.: 2,5 kg Stoff entsprechen einer Verpackungseinheit."
So einen Hinweis kann man jemandem im 1.Praktikum geben während des Studiums und dann evtl.noch einmal nach der ersten selbst gehaltenen Stunde im Ref daran erinnern. Spätestens dann darf und muss man aber erwarten, dass jemand mit einem abgeschlossenen Fachstudium sich fachlich adaquät auszudrücken weiß und vor dem Hintergrund des gewählten Berufs seine Tafelaufschriebe entsprechend vorbereitet, um solche Fehler zu vermeiden. In der Verlängerung landet man entweder infolge schwerer Erkrankug und entsprechender Fehlzeiten oder aber infolge ernsthafter unterrichtlicher Mängel. Wer die auch mit Verlängerung nicht beheben kann ist dann möglichlicherweise einfach nicht geeignet für den Beruf oder braucht zu lange um den geforderten Leistungsstand zu erreichen.
Ob der Ref "völlig ungerechtfertigt" aus dem Dienst entlassen wird kannst du wie deine Einschätzung seiner unterrichtlichen Mängel zeigt ganz offensichtlich nicht beurteilen. Erstmal selbst das Ref schaffen, zeigen, dass du guten Unterricht machen kannst und dort lernen Leistungen zu beurteilen, die du tatsächlich selbst gesehen hast . Bei uns wird auch sehr sehr deutlich gesiebt, aber mutwillig entlassen ohne ernstlichen Grund wird man sicherlich keinen Anwärter.

Maximer
Beiträge: 179
Registriert: 18.01.2018, 13:39:30

Re: Eigentlich ...

Beitrag von Maximer »

ExitRef hat geschrieben: Unfair ist auch, dass angenommen wird, dass man nicht besser wird... Nicht bis zur Lehrprobe, nicht in den Jahren/Jahrzehnten nach dem Ref.

Ich würde mir fürs Referendariat für zukünftige Generationen wünschen, dass mehr gewürdigt wird, dass sich ein Referendar in bestimmten Methoden versucht, dass er sich nicht dann erst traut, auch zu scheitern, wenn er "fertig" ist.

Naja, alles wünschen ist aber sicher zwecklos... Bei uns fliegt offensichtlich jetzt zu Fasching wieder mal ein Referendar völlig ungerechtfertigt - meiner Meinung nach - aus dem Ref (nach Verlängerung), weil er von allen schlecht bewertet wird.
Ich denke, dass sehr viele Referendare es so sehen wie du. Der Druck ist extrem hoch und ständig schwebt das Damoklesschwert über einem, weil man bis zum Schluss nicht weiß, wie die Prüfungen laufen. Unterricht ist ja immer irgendwo unberechenbar - mal läuft es super, mal steckt der Wurm drin. Dann sind die Prüfer auch sehr unterschiedlich in ihren Präferenzen. Viele Faktoren, die alles vage halten. Das belastet nervlich auch solche Leute, die eigentlich prima zurecht kommen.

Schwierig finde ich auch, dass immer so getan wird, als könne man ruhig Fehler machen und sich probieren. Fakt ist aber, dass im Zweifelsfalle nur die Perfektion zählt und dir jeder noch so kleine Fehler zum Verhängnis werden kann. Ob Fehler so oder so behandelt werden, hängt in der Hauptsache doch davon ab, ob man dich positiv oder negativ wahrnimmt als Lehrperson und hier sind die Wahrnehmungen nicht selten von persönlichen Aspekten geprägt und nicht unbedingt von fachlichen.

Bei uns gab es auch einige Fälle, wo Leute nicht mal die Prüfung machen konnten, weil sie "durchverlängert" wurden und dann hat man sie rausgeschmissen und den Stempel "unfähig zum Lehren" auf die Stirn geklatscht. Ziemlich hart...

Aber die Ausbildung zum Lehrer ist hart konzipiert, man muss für sich einen Weg finden, um diese Zeit möglichst unbeschadet zu überstehen. Also mit den Leuten klarkommen, sich mit niemandem anlegen und stets gelehrig wirken. Wenn man das Referendariat als eine Art Probezeit sieht, in der du dich möglichst gut verkaufen solltest, hat man weniger Probleme damit, dass es so läuft, wie es eben läuft. Nicht erst seit gestern.

Später können wir ja vielleicht etwas dagegen unternehmen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit nicht besonders hoch ist, dass wir es dann tatsächlich tun. Wer erst mal am längeren Hebel sitzt. Mensch bleibt Mensch... :)

Maximer

Servent
Beiträge: 78
Registriert: 23.07.2018, 20:17:19

...

Beitrag von Servent »

...
Zuletzt geändert von Servent am 22.09.2019, 10:17:46, insgesamt 1-mal geändert.

Maximer
Beiträge: 179
Registriert: 18.01.2018, 13:39:30

Re: Eigentlich ...

Beitrag von Maximer »

Servent hat geschrieben: Momentan sind bei uns in Sachsen die Winterferien, die ich nutzen sollte, um für Schulrecht zu lernen. Allerding kann ich seit Tagen an nichts anderes denken und weiß nicht recht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Es fällt mir ungeheuer schwer, aus meinen eigenen Fehlern und den bisherigen Erlebnissen eine Handlungsstrategie für die Zukunft abzuleiten, die mich komplikationsfrei durchs Ref bringt. Versuchen tu ich`s aber.
Grüß' dich Servent,

ich habe ähnliche Verwirrungen erlebt. Man sagte mir zu Beginn von Mentorenseite, dass ich zu wenig Position beziehe, einige Wochen später war ich dann plötzlich zu widerborstig und sollte mir gefälligst abgewöhnen, "aber" zu sagen.

Mittlerweile habe ich nicht mehr so viel mit den Mentoren zu tun, da ich ja größtenteils mein eigenes Ding mache, aber die wenigen "Kontrollen" sind weiterhin Stress und ich bin immer froh, wenn es vorbei ist.

Unsere Mentoren sind einfach in fast allen Fällen Laien in Sachen Erwachsenenbildung. Da werden teilweise junge Leute, die gerade mit dem Referendariat fertig sind, als Mentoren eingesetzt. Kein Wunder also, dass hier sehr schnell Spannungen entstehen. Das Hauptproblem ist aber die Abhängigkeit, in der wir Referendare uns befinden. Das ist ungesund und das sehe ich auch so wie du.

Ich würde dir raten, dich nach den Ferien bei den Mentoren und dem Schulleiter zu entschuldigen. Du hast dir Gedanken gemacht und dir sei bewusst geworden, dass die Kritik konstruktiv gemeint war und dich unterstützen sollte. Das wollen sie hören und damit sind sie - wenn du es klar und mit Überzeugung vermittelst - dann sicherlich auch zufrieden.

Es gibt so wenige Vorgesetzte, die in der Lage sind, Kritik von Untergebenen richtig einzuordnen und konstruktiv damit umzugehen. Wer in unserer Position widerspricht (auch wenn es noch so gut begründet ist), wird fast immer auf seinen Platz verwiesen. Aber stell dir vor: Schon in 11 Monaten kannst du dich an deinen Nachfolgern für das Unrecht rächen, was dir im Referendariat widerfahren ist. ;-)

Maximer

Servent
Beiträge: 78
Registriert: 23.07.2018, 20:17:19

...

Beitrag von Servent »

...
Zuletzt geändert von Servent am 22.09.2019, 10:17:59, insgesamt 1-mal geändert.

Antworten