"Denunziations-Plattform" der AfD

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Löwenherz
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"Denunziations-Plattform" der AfD

Beitrag von Löwenherz »

Hätte das gerne im Bereich "Thema des Monats" eingestellt, da ich dort aber keine Berechtigung habe Themen zu erstellen, erstmal hier. Die AfD in BaWü plant eine Online-Plattform zu erstellen, wo Lehrer, die angeblich gegen das Neutralitätsgebit verstoßen anonym an die AfD gemeldet werden können. In HH gibt es das offenbar bereits ("Neutrale Schule"), weitere Landesverbände der AfD planen ähnliches. Offenbar werden au fder Hamburger Plattform spezifisch kritische Äußerungen von Lehrkräften über die AfD gesammelt (von der AfD HH bestätigt). Ziel sei es bei Bedarf mit Lehrkraft und aufsichtsführender Behörde das Gespräch zu suchen (ganz nebenbei lassen sich so Daten von Kritikern sammeln... Honni soit qui mal y pense...).

Hier aktuelle Artikel zum Thema:

https://www.swr.de/swraktuell/baden-wue ... r-100.html

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inha ... cca6f.html

https://www.stuttgarter-nachrichten.de/ ... 75bd1.html

In vielen der Zeitungsartikel zum Thema wird dankenswerterweise direkt auf den Beutelsbacher Konsens hingewiesen, ebenso wie darauf, dass Beamte als Lehrer verpflichtet seien sich Entwicklungen entgegenzusetzen, die dem Geist des Grundgesetzes wiedersprechen:

"(...) Lehrer dürfen im Unterricht eigene Meinungen äußern, solang sie sie als solche kenntlich machen und klarstellen, dass es auch andere legitime Standpunkte gibt. Schüler müsen abweichende Meinungen äußern dürfen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben. Als Beamte sind Lehrer allerdings verpflichtet, Entwicklungen entgegenzutreten, die sich gegen Inhalte des Grundgesetzes richten." (https://www.badische-zeitung.de/suedwes ... 07755.html )


Bin gespannt, was ihr davon haltet. Eventuell gibt es Kollegen aus HH hier, die bereits direkte oder indirekte Erfahrungen mit dem Hamburger Modell haben und sich äußern können und wollen.

rossi87
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Re: "Denunziations-Plattform" der AfD

Beitrag von rossi87 »

Nun, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Bb-Konsens häufiger durch Anti-AfD-Äußerungen verletzt wird, als durch Pro-AfD-Äußerungen, und dass der Verweis auf den Schutz des Grundgesetzes das nur teilweise rechtfertigen kann.
Gleichwohl ist es gerade momentan wichtiger denn je, Schüler zu sensibilisieren mit Blick auf extremistische politisch-gesellschaftliche Tendenzen bzw. solche, die eine gesellschaftliche Spaltung provozieren. Die Rhetorik der AfD ist voll davon, Begriffe wie "Pack" (Gabriel) oder "Dunkeldeutschland" (Gauck) gehören allerdings auch dazu.

Ich denke nicht, dass die AfD mit diesen Prangern erfolgreich sein wird. Da muss schon wirklich etwas vorgefallen sein, damit so eine Anschuldigung rechtlich weiter verfolgt wird.

tiger
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Re: "Denunziations-Plattform" der AfD

Beitrag von tiger »

Eine Strafverfolgung dürfte auch nicht das sein, was die Kollegen fürchten (in unrechtmäßiger Weise äußern dürfen sie sich ja ohnehin nicht), sondern das öffentliche Anprangern.

Ich fände es jedenfalls nicht so toll, wenn über mich auf rechten Hetzseiten so etwas stünde wie "Studienrat T. (ganz links, mit schwarzem Balken über den Augen) ist ein Vaterlandsverräter und fordert seine Schüler auf, linksgrünversiffte Parteien zu wählen" oder Ähnliches.

kecks
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Re: "Denunziations-Plattform" der AfD

Beitrag von kecks »

hilfe, mein leerer zwingt mich, links zu sitzen!

Löwenherz
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Re: "Denunziations-Plattform" der AfD

Beitrag von Löwenherz »

Ich frage mich, wie die Reaktion der AfD am Ende aussieht. Mit als kritisch angesehenen Politikern gehen die ja keineswegs zimperlich um und schicken gerne mal die freundliche, dunkelbunte Burschenschaft namens Identitärer Bewegung vorbei. Ich gebe zu, da ist zumindest ein klitzekleiner Teufel in meinem Ohr, der flüstert, ich solle mich dann doch mal selbst melden wegen irgendeines tauglichen Unsinns im passenden Duktus, um zu sehen, was daraus folgt...

In jedem Fall finde ich das demokratische Selbstverständnis das hinter solche einem öffentlichen Pranger steht (statt bestehende und taugliche Instrument wie die direkte Klärung mit Lehrer/Schule oder auch die Beschwerde an Schulleiter/Schulamt/RP/KuMi zu nutzen) symptomatisch für ein Grundproblem der AfD: Sicherlich sind nicht alle AfD-Flügel dem stramm nationalistischen Flügel zuzurechnen, aber dieser Flügel baut seinen Einflussbereich aus und damit zunächst die Anti-Establishment-Ansätze die links- wie rechtspopulistische Parteien auszeichnen. MIt der Etablierung eines solchen alternativen Instruments zur Kontrolle von Lehrern bewegt sie sich darüber hinaus ein gutes Stück auf Anti-System-Ansätze typischer rechts- oder linksextremer Parteien zu. Bei manchen in der AfD bedeutet das lediglich, dass sie ehrlicher zeigen, was sie tatsächlich anstreben, bei anderen bedeutet das einen relevanten Sprung nach rechts und ins Abseits der Demokratie.

Revisor
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Re: "Denunziations-Plattform" der AfD

Beitrag von Revisor »

"Ich frage mich, wie die Reaktion der AfD am Ende aussieht. Mit als kritisch angesehenen Politikern gehen die ja keineswegs zimperlich um und schicken gerne mal die freundliche, dunkelbunte Burschenschaft namens Identitärer Bewegung vorbei."

Ich glaube das verwechselst du mit Linken und der Antifa ;-)

Aber nun, natürlich wird die AfD mit ihren "Prangern" nicht erfolgreich sein. Darum dürfte es ja auch nicht gehen. Es geht um Symbolpolitik, Provokation. Das die meisten Lehrer eher links-grün sind, dürfte bekannt sein und dass viele daraus auch mit bestem Gewissen und den ihnen zur Verfügung stehenden intellektuellen Gaben vor ihren Klassen kein Geheimnis machen, auch.
Man will zeigen, dass im Kampf um die kulturelle Hegemonie in politisch-gesellschaftlichen Diskursen ein neuer selbstbewußter Akteur mitspielt. Auch die AfD hat ihren Gramsci gelesen.

Der Zeitgeist war 40 Jahre lang links. Jetzt schwingt das Pendel eben zurück und dabei bleibt es zunächst nicht in der Mitte stehen. Ich bin guten Mutes, dass die bundesrepublikanische Demokratie auch das überlebt. So wie sie Links- und Rechtsterrorismus, Wirtschaftskrisen und und und überlebt hat. Zudem: Die Union war an ihren rechten Rändern nie wirklich dicht, die SPD nie an ihren Linken, die FDP war jahrzehntelang eine komfortable Heimat für ehemalige NSDAP Mitglieder, die Linke steht in der Rechtsidentität der SED und schließlich die Grünen mit ihrem penetrant errigierten Zeigefinger, dem weltfremden Infantilismus und dem nie völlig aufgearbeiteten Pädophilenproblem.
All diese Parteien haben es mehr oder weniger geschafft, sich in die deutsche Parteiendemokratie zu integrieren und sie zu bereichern. Das wird auch der AfD gelingen, oder sie wird verschwinden, wovon ich allerdings nicht ausgehe.

Löwenherz
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Re: "Denunziations-Plattform" der AfD

Beitrag von Löwenherz »

Revisor hat geschrieben: Ich glaube das verwechselst du mit Linken und der Antifa ;-)
Ich glaube du verwechselst hier "Linke" und "Linksextreme". Das es eine analoge Gewaltbereitschaft im linksextremen Spektrum (mit dem Teile der Linkspartei gerne mal flirten, wenn sie das Schäkern mit den SED-Altkadern grad leid sind) gibt, wie im rechten Flügel der AfD und der Jungen Alternativen- bei denen nicht nur Leute wie Höcke und Poggenburg mit der IB anbändeln- würde ich nie leugnen, im Gegenteil.
Ich stimme dir dahingehend zu, dass die bundesrepublikanische Demokratie stabil genug ist, um beide Extreme auszuhalten, aber die AfD gewinnt an Macht und Einfluss indem sie eben die Elemente zu nutzen versteht, die diese Demokratie auszeichnen, nur um sie dann von innen heraus auszuhöhlen. Wir können zulassen, dass gerade in Teilen Deutschlands mit schwachen demokratischen Überzeugungen eben diese davon weiter geschwächt werden, uns zurücklehnen und uns sagen, dass unsere Demokratie robust genug ist, das wegzustecken. Oder wir machen uns bewusst, dass diese Stärke darin besteht eben nicht auszuharren, sondern im Sinne eines "Wehret den Anfängen" uns solchen Ansätzen - und zwar ganz gleich ob von recht oder links- entgegenzustellen.


Revisor hat geschrieben:Der Zeitgeist war 40 Jahre lang links.
Absolut, hat gerade das politische Klima in Bayern der letzten 40 Jahre ja vollständig widergespiegelt. Von wann war nochmal der Radikalenerlass (der in erster Linie gar nicht so radikale, wohl aber linke, politisch engagierte Studenten aus dem Staatsdienst heraushalten sollte)? In Bayern wurde der erst Anfang der 90er abgeschafft und auch im Rest der BRD nicht viel früher...

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