Abbrechen und nächstes Jahr neu beginnen?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Ninchen93
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Registriert: 06.04.2018, 19:04:32

Abbrechen und nächstes Jahr neu beginnen?

Beitrag von Ninchen93 »

Hallo ihr Lieben,

Ich bin jetzt seit Anfang Februar im Referendariat und an sich mache ich meinen Job wirklich sehr gerne und fühle mich auch wohl in meiner Schule und im Kollegium.
Allerdings bereue ich im Moment sehr, dass ich schon dieses Jahr, nur wenige Monate nach dem ersten Staatsexamen, das Ref begonnen habe und mir nicht ein Pausenjahr gegönnt habe.
Ich bin ein sehr ergeiziger, perfektionistischer Mensch, der sich selbst sehr unter Druck setzt. Dies liegt hauptsächlich daran, dass ich als Kind und Jugendliche von meinen Eltern immer stark unter Druck gesetzt wurde. Mein aktuelles Problem ist, dass ich gerade psychisch echt fertig bin, da es mir so schwer fällt, mir klare Grenzen zu setzen, wann Schluss mit der Arbeit ist. Mir wird gerade richtig deutlich, dass mir ein Jahr für mich - mit einem simplen 9 to 5 Job - zwischen Studium und Ref richtig gut getan hätte.
Meine engsten Freunde sind alle der Meinung, ich hätte eine Depression und müsste jetzt zuerst mal mein Leben in den Griff bekommen. Ganz falsch liegen sie damit nicht - ich merke zur Zeit selbst, dass ich allgemein weniger Freude an allem empfinde.
Nun überlege ich, das Ref erstmal abzubrechen, mich um mich selbst zu kümmern (evtl mit Psychoterapie), einen einfacheren Job zu machen und dann nächstes Jahr neu zu starten.
Hat jemand Erfahrungen mit den Konsequenzen eines solchen Abbruchs und der Möglichkeit einer Wiederaufnahme?
Sollte ich aus gesundheitlichen (psychischen) Gründen abbrechen und dann in dem Jahr ne Therapie machen, dann habe ich wahrscheinlich nie wieder ne Chance auf ne Verbeamtung und die Wiederaufnahme in die PKV kann ich dann bestimmt auch vergessen, oder?

Ich bin für jeden Ratschlag dankbar :)!'
Liebe Grüße

Max_Cohen
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Re: Abbrechen und nächstes Jahr neu beginnen?

Beitrag von Max_Cohen »

Meine engsten Freunde sind alle der Meinung, ich hätte eine Depression und müsste jetzt zuerst mal mein Leben in den Griff bekommen.
Depression ist eine schwerwiegende Erkrankung. Der Kommentar, man solle sein Leben in den Griff bekommen, ist zynisch. Zu einem Diabetiker sagt man das auch nicht.
Eine Krankschreibung und ein zeitnaher Termin beim Psychiater wäre anzuraten, daraus ergibt sich dann alles weitere. Ohne Kenntnis des Bundeslands kann man sowieso nicht mehr sagen.
Sollte ich aus gesundheitlichen (psychischen) Gründen abbrechen und dann in dem Jahr ne Therapie machen, dann habe ich wahrscheinlich nie wieder ne Chance auf ne Verbeamtung und die Wiederaufnahme in die PKV kann ich dann bestimmt auch vergessen, oder?
Du musst deinen derzeitigen PKV-Vertrag in eine Anwartschaft umwandeln, um den Gesundheitszustand bei Vertragsabschluss für einen Wiedereintritt zu sichern.
Nach dem Jahrhunderturteil des BVerwG im Jahre 2013 (BVerwG 2 C 16.12) wird die Beamtung nur noch verwehrt, wenn andere Möglichkeiten als eine Frühpensionierung aus gesundheitlichen Gründen objektiv nicht maßgeblich nicht Betracht kommen. Zweifel gehen zu Lasten des Dienstherrn, und das wird bei einer leichten oder mittelschweren depressiven Episode der Fall sein.

MarlboroMan84
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Re: Abbrechen und nächstes Jahr neu beginnen?

Beitrag von MarlboroMan84 »

Was ist denn für dich ein "einfacherer Job"? Picker bei Amazon oder Callcenter-Outbound?

Montecruz
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Re: Abbrechen und nächstes Jahr neu beginnen?

Beitrag von Montecruz »

MarlboroMan84 hat geschrieben:Was ist denn für dich ein "einfacherer Job"? Picker bei Amazon oder Callcenter-Outbound?
Über Callcenter-Outbound lache ich. Habe ich schon gemacht. Also mal runter vom hohen Ross. Übrigens mache ich lieber nochmal den Offizieranwärterlehrgang Teil 1 bei der Bundeswehr inklusive Schwimmen im Starnberger See bei Temperaturen um den Gefrierpunkt als nochmal das Ref. Das ist einfach eine schwierige Zeit. Und so kannst du mir ihr auch nicht reden, gerade in der Situation, in der sie steckt.

Ok, nachdem dies nun geklärt ist, gehen wir das mal systematisch durch.
Ninchen93 hat geschrieben: Sollte ich aus gesundheitlichen (psychischen) Gründen abbrechen und dann in dem Jahr ne Therapie machen, dann habe ich wahrscheinlich nie wieder ne Chance auf ne Verbeamtung und die Wiederaufnahme in die PKV kann ich dann bestimmt auch vergessen, oder?
Das glaube ich so pauschal nicht und der Vorposter hat ja auch begründet, dass das im Einzelfall zu betrachten ist und diese Prüfung auch zu deinen Gunsten ausgehen kann.
Ninchen93 hat geschrieben:Hat jemand Erfahrungen mit den Konsequenzen eines solchen Abbruchs und der Möglichkeit einer Wiederaufnahme?
Das ist von BL zu BL unterschiedlich und sollte noch genau geklärt werden. In SH darfst du zum Beispiel nicht "endgültig nicht bestanden" haben (das wäre erfüllt) und es muss noch genügend Restlaufzeit verbleiben, damit du das Ref im 2. Abschnitt erfolgreich beenden kannst (das müsste man ausrechnen).
Ninchen93 hat geschrieben:Ich bin ein sehr ergeiziger, perfektionistischer Mensch, der sich selbst sehr unter Druck setzt.
Das lässt sich natürlich nicht von heute auf morgen ändern ;) es passt aber nicht gut zum Ref, weil es da oft eher darum geht, eine irrsinnige Menge von Aufgaben zu erledigen, und das in etwa akzeptabler Qualität, weil dann schon die nächste Aufgabe kommt und man mit allem noch sehr langsam ist. Zudem setzt das System Ref den Refi schon stark unter Druck und verstärkt deine Neigung zum Perfektionismus. Ich kann dir da nicht richtig gut einen Rat geben, aber:
Ninchen93 hat geschrieben:Allerdings bereue ich im Moment sehr, dass ich schon dieses Jahr, nur wenige Monate nach dem ersten Staatsexamen, das Ref begonnen habe und mir nicht ein Pausenjahr gegönnt habe. Mir wird gerade richtig deutlich, dass mir ein Jahr für mich - mit einem simplen 9 to 5 Job - zwischen Studium und Ref richtig gut getan hätte
Warum glaubst du das? Der Stress im Ref ist dann doch wieder der gleiche. Und im Ref bist du dann eher schwerer formbar. Das letzte, was viele Fachleiter wollen, ist jemand, der im "normalen Leben" einen Beruf jahrelang erfolgreich ausgeübt hat oder - oh Schreck - schon erfolgreich als Vertretungslehrer tätig war. Diese Person kann nicht mehr so einfach beeinflusst und geformt werden und hat es im Ref eher schwerer.
Ninchen93 hat geschrieben:Nun überlege ich, das Ref erstmal abzubrechen, mich um mich selbst zu kümmern (evtl mit Psychoterapie), einen einfacheren Job zu machen und dann nächstes Jahr neu zu starten.
Ggf. ist eine Aussprache mit dem Hausarzt, eine Krankschreibung, um den umittelbaren Druck wegzubekommen, und ein längeres Gespräch mit einem Therapeuten ein geeigneter Weg, dann hast du zum einen erstmal den Kopf frei und kannst deine Optionen in relativer Ruhe abwägen. Es wäre ja ohnehin gut, einen Beleg zu haben, warum der eventuelle Abbruch erfolgte. Viel Glück!

LG
Monte

kecks
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Registriert: 01.04.2009, 6:09:18

Re: Abbrechen und nächstes Jahr neu beginnen?

Beitrag von kecks »

ich war vor dem ref viele jahre als vertretungslehrkraft tätig.ich war ganz eindeutig gerade deshalb jemand, der bei zwei von drei seminarlehrkräften mehr durchgewunken wurde als sonstwas. erstes zitat nach erstem unterrichtsbesuch: "sie sind für mich kein referendar, sondern kollege." es gab auch andere ausbildungslehrkräfte, aber mit ein bisschen berufserfahrung und menschenkenntnis geht das dann schon. ist nicht angenehm, aber alles geht vorüber und alles geht vorbei. letztlich sagt deren verhalten immer auch mindestens genauso viel über sie aus wie über dich.

ich hatte aber auch kollegen, die ihre vertreteungsstelle vor dem ref während der ausbildung die ganze zeit (außer auf dem papier, aber da hat keiner reingeschaut) verschwiegen haben, aus angst, als zu wenig "formbar" gesehen zu werden. bei dem seminarlehrer war das auch angebracht imo.

also nein, man kann nicht pauschal sagen, dass man "formbar" sein muss im ref. man muss ein guter lehrer sein oder werden, und dazu muss man sowieso flexibel sein. dann hat man auch erfolg im ref, zumindest in den allerallerallermeisten fällen.

Ninchen93
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Re: Abbrechen und nächstes Jahr neu beginnen?

Beitrag von Ninchen93 »

Danke erstmal für eure Antworten :)!
Der Ausdruck simpler Job war vielleicht nicht ganz richtig, ich hab dabei eher an einen Job gedacht, bei dem ich nicht stundenlang zu Hause am eigenen Schreibtisch sitze und kein Ende finde - und genau das fällt mir schwer. Meine Alternative wäre jetzt, aus persönlichen Gründen das Ref erstmal abzubrechen um dann ein bis zwei Jahre im Kindergarten zu arbeiten. Die Möglichkeit habe ich ja durch das erste Staatsexamen im Grundschullehramt. Während dessen würde ich dann ne Therapie machen, die ich selbst bezahle.
In der Hoffnung, dass es mir anschließend wieder besser geht und ich Strategien kennengelernt habe, mit dem Druck umzugehen und nicht mehr so negativ eingestellt zu sein, würde ich dann nochmal ins Ref starten. Dann hätte ich vielleicht auch wieder mehr Freude am Beruf, den ich nämlich eigentlich sehr sehr gerne mache.
Meine hauptsächliche Frage wäre noch, wie es dann mit der Verbeamtung aussieht.
Nächste Woche habe ich einen Termin beim Personalrat und hoffe mal, dass das hilft.
Bundesland ist übrigens BW.
Liebe Grüße :)

Max_Cohen
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Re: Abbrechen und nächstes Jahr neu beginnen?

Beitrag von Max_Cohen »

Ninchen93 hat geschrieben: Während dessen würde ich dann ne Therapie machen, die ich selbst bezahle. [...]

Meine hauptsächliche Frage wäre noch, wie es dann mit der Verbeamtung aussieht.
Wie oben bereits erwähnt. Im Übrigen haben selbst bezahlte Therapien nie stattgefunden, solange du anderen Ärzten keine Berichte zustellen lässt.

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