Hilfestellung bei Entscheidung

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
maximus
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Hilfestellung bei Entscheidung

Beitrag von maximus »

Hallo,

ich bräuchte einige Ratschläge bezüglich meiner Situation. Zurzeit bin ich mir nicht sicher, ob ich einfach nur frustriert bin und die Dinge zu negativ sehe oder ob das Lehramt in meiner Konstellation "suboptimal" ist.

Ich stehe vor dem Eintritt in das Referendariat (BBS) und habe vorher als Vertretungslehrer gearbeitet. Eine abgeschlossene Ausbildung und Berufserfahrung besitze ich ebenfalls in dem Bereich und habe danach ein Studium (Lehramt) angeschlossen.
Leider sind die Rahmenbedingungen in meinem Bundesland derart pervers, dass ich für mich zurzeit die Frage stelle, überhaupt nicht in das Ref einzutreten.

Mir wurde von der zuständigen Stelle gesagt, dass ich zwar aufgrund von Mangelfächern definitiv eine Stelle bekommen werde (sowohl im Ref als auch danach), diese aber weiter weg liegen wird (in einer Distanz, die nicht mehr pendelbar ist, da die Studienseminare für meine Kombination weiter weg liegen). Also soll ich für die Zeit des Refs ausziehen, was ich persönlich als schlimme Belastung empfinde.

Nun wurde mir auch vom Gesundheitsamt mitgeteilt, dass ich aufgrund von Vorerkrankungen (die mich aber in keiner Weise einschränken) keine Verbeamtung bekommen werde und eine Anstellung dann im Angestelltenverhältnis stattfinden würde.

Wenn ich jetzt noch berücksichtige, dass ich (um den Job halbwegs ordentlich zu bewerkstelligen) jede Woche mindestens 60+ Stunden investieren müsste (24 Regelstunden + 2 Stunden Vorbereitung pro Stunde mindestens + Korrektur/Besprechungen/usw), dann frustriert mich die Gesamtsituation einfach nur noch.
Eine 60+ Stunden/Woche, das dazu getrennt vom Partner mit der Bezahlung im Angestelltenverhältnis empfinde ich als extreme Belastung oder sehe ich das nur zu eng?

Zurzeit stelle ich mir die Frage, wie negativ es in der freien Wirtschaft aufgenommen wird, wenn man nach der Berufsausbildung und Berufserfahrung ein Lehramtsstudium angeschlossen hat (bei denen die Noten auch nur Mittelmaß waren, da ich unter der Regelstudienzeit mit "Gewalt" durchstudiert habe. Die Noten waren/sind durch die Fächerkombination zweitrangig für das Lehramt)?

Habt Ihr Ratschläge oder einfach eigene Meinungen zu der Konstellation oben? Sollte ich das Ref irgendwie durchziehen und hoffen, dass es zumindest mit der Entfernung besser wird oder mit der Wochenbelastung? Eigentlich möchte ich nur in einem Beruf sitzen der mir Spaß macht und für den ich gerne Zeit investiere, aber durch die ganzen Rahmenbedingungen oben und der permanente Beobachtungs-/Leistungsdruck wird alles zerstört. Dazu kommt, dass E13 für eine 60+ Stundenwoche eine wirklich schlechte Bezahlung sind.

Liebe Grüße

maximus

Rets
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Re: Hilfestellung bei Entscheidung

Beitrag von Rets »

Ich kann dich sehr gut verstehen. Es fällt schwer einen Rat zu geben. Daher zunächst meine persönlichen Gedanken, die ich dazu vor einiger Zeit mal hatte und anschließend der Versuch eines Ratschlags:

Im Angestelltenverhältnis wäre der Beruf für mich nicht zu ertragen. Nicht unbedingt, weil das objektiv gesehen so schlimm ist. Es hätte mein Gerechtigkeitsempfinden einfach nachhaltig gestört, wenn ich unter 50 Kollegen der einzige wäre, der mal locker 600 Euro Netto (ja, auch nach Abzug der PKV) weniger hat. Da hätte ich nie mit glücklich werden können. Ein paar Vorerkrankungen, die aber nicht beeinträchtigen, bringe ich auch mit und daher war mit meiner Frau schon vor Jahren abgesprochen, dass ich bei einem Nein des Amtsarzt in die freie Wirtschaft gehe (Wir haben alternativ mit dem Gedanken gespielt, nach Berlin zu gehen, um dort die außertarifliche Bezahlung abzugreifen).

Aber: Das ist meine persönliche Meinung, basierend darauf, dass ich mir sicher bin, diese Gehaltsdifferenz und die damit einhergehende Ungerechtigkeit mir nachhaltige Unzufriedenheit beschert hätte. Der Beruf an sich macht auch mit weniger Geld Spaß. Das Arbeiten als Lehrer ist toll und wirklich befriedigend. Es stellt sich meiner Meinung nach vor allem die Frage, wie du das persönlich siehst. Du musst dich kennen und du musst mit der Entscheidung leben. Letztlich muss man aber mit kaum einer Entscheidung ewig leben, so dass du auch einfach mal dein Glück in Ref und Beruf versuchen könntest. Solange da keine familiären Zwänge im Hintergrund sind, kann man sich so eine Freiheit ja rausnehmen und später immer noch einen anderen Weg einschlagen.

Und: In der freien Wirtschaft muss man auch erstmal E13 verdienen. Je nach Ausbildungsweg mag das nicht schwierig sein, aber das muss du einordnen. Ich würde übrigens für E13 keine 50 oder 60h-Woche einbringen...

maximus
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Re: Hilfestellung bei Entscheidung

Beitrag von maximus »

Lieber Rets,

vielen Dank für deine Meinung und schnelle Reaktion. Ja, die Sache mit der Verbeamtung wiegt ziemlich schwer, da 500-600 Euro weniger pro Monat nicht mehr wegzulächeln ist (alleine die Lücke in der Rentenversicherung aufgrund des Studiums ist hart).

Das "Problem" ist, dass mir beide Berufe Spaß machen (eigentlich). Nur empfinde ich die Arbeitsbelastung im Lehrberuf zurzeit wirklich extrem. Natürlich könnte ich auch im Ref. nur Frontalunterricht mit dem Buch durchziehen und für die Lehrproben den "Show-Unterricht" auspacken, aber dann wäre ich mit mir selbst nicht zufrieden. Ich kenne viele Referendare, die derart verheizt werden, dass sie jeden Tag bis 24 Uhr Unterricht/Seminaraufgaben vorbereiten müssen.

In der freien Wirtschaft hatte ich als Informatiker bereits ohne Studium die Gehaltsklasse äquivalent von E12/E13 und das bei einer 40 Stunden Woche (maximal) ... Wenn ich daran denke, dass ich zwar mit den Erfahrungsstufen im ÖD irgendwann mehr haben werde, aber dafür gut 20 Stunden mehr Zeit investieren muss, ist das gerade nicht berauschend. Zurzeit habe ich auch die Angst, dass ich dann aufgrund der Ungerechtigkeit und der Pendelei es dann wirklich in Frontalunterricht aus dem Buch endet.

yestoerty
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Re: Hilfestellung bei Entscheidung

Beitrag von yestoerty »

Ich kenne die Bedingungen in deinem BL nicht, kann aber sagen, dass ich im Ref nur selten 60-Stunden-Wochen hatte. Ja, das ist mal in Klausurphasen, vor Unterrichtsbesuchen, der Examensarbeit oder UPP vorgekommen, aber es gab auch entspannte 30-Stunden-Wochen oder Ferien, die das ausgeglichen haben. Da muss man für sich selbst eine Balance finden und je nach Fächern und Schulformen ist das bestimmt mal mehr oder weniger schwer.

Mein Mann ist selbst Informatiker und wir haben uns trotz des netten Gehalts dafür entschieden, dass er fürs Land arbeitet und dort verbeamtete deutlich weniger verdient, aber dafür familienkompatible Arbeitsbedingungen hat. Wenn du trotzdem so geregelte Arbeitszeiten gefunden hast, freut mich das, hatte er nie.

Je nachdem wie lange das Ref bei dir dauert, würd ich es zumindest riskieren. Unentschieden kann man sich ja noch immer...

Max_Cohen
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Re: Hilfestellung bei Entscheidung

Beitrag von Max_Cohen »

maximus hat geschrieben: Nun wurde mir auch vom Gesundheitsamt mitgeteilt, dass ich aufgrund von Vorerkrankungen (die mich aber in keiner Weise einschränken) keine Verbeamtung bekommen werde und eine Anstellung dann im Angestelltenverhältnis stattfinden würde.
Diese Entscheidung trifft nicht der Amtsarzt, sondern die Einstellungsbehörde, und dieser steht seit 2013 kein Ermessensspielraum mehr zu. Diese Entscheidung ist gerichtlich voll überprüfbar, und dazu würde ich dann auch raten, weil es in der Tat um sehr viel Geld und Sicherheit geht.

kecks
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Re: Hilfestellung bei Entscheidung

Beitrag von kecks »

grundsätzlich ist ein umzug im ref normal und erwartbar, was auch für die hohe arbeitsbelastung gilt - alles geht vorüber, alles geht vorbei. ich persönlich würde auch unbefristet angestellt den job sehr gerne weiterhin ausüben, aber es gibt sehr viele lehrer, denen die verbeamtung extrem wichtig ist. du bist mit dieser motivation also nicht allein. 60 stunden und e13 ist je nach region recht wenig (aber definitv keine miese bezahlung), oder sogar eher gutes geld. leben kostet in deutschland ja dann doch sehr unterschiedlich viel. zudem geht die arbeitszeit nach ein paar jahren schon deutlich zurück.
bundeslandwechsel evtl. als option?

tiger
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Re: Hilfestellung bei Entscheidung

Beitrag von tiger »

Du klagst auf hohem Niveau. Ob E13 oder A13, du würdest weit mehr verdienen als das Medianeinkommen. Dass man dafür seinen Wohnsitz vorübergehend oder dauerhaft in die Nähe der Dienststelle verlegen muss, ist im privaten Sektor nicht grundlegend anders.

Auch die Bemerkungen zur Wochenarbeitszeit kann ich nicht verstehen. Der Beamte hat eine wöchentliche Arbeitszeit von ca. 40 Stunden vorgegeben, der Angestellte auch. In dieser Zeit erledige ich alles, was ich erledigen "muss" - unterrichten, Unterricht vorbereiten, korrigieren, an Konferenzen teilnehmen, Elterngespräche führen und so weiter. Zusätzliche Zeit investiere ich nur in die Dinge, die mir Spaß machen. Das kann eine unterrichtsnahe Tätigkeit sein, zum Beispiel das Überarbeiten einer eigentlich "okay" laufenden Unterrichtseinheit, oder etwas, was nicht direkt mit dem laufenden Unterricht zu tun hat, etwa ein fächerübergreifendes Projekt, oder ich plane etwas, dass ich in einer Arbeitsgemeinschaft mit Schülern bearbeiten will, oder ich bastele oder programmiere ein bisschen. Hauptsache, es verursacht bei mir keinen Stress, denn meine Bereitschaft für beruflichen Stress ist nach 40 Stunden in der Woche schlagartig erschöpft.

Die entscheidende Frage für dich sollte im Übrigen nicht an die Rahmenbedingungen geknüpft sein; die sind, wie oben beschrieben, objektiv gesehen nämlich nicht schlecht. Frag dich lieber, ob du bis zur Pensionierung (im Alter von ca. 72 Jahren) mit jungen Menschen arbeiten willst. Wenn dich das erfüllt (oder sogar glücklich macht), sollte dich weder das Pendeln stören noch die in deinen Augen "schlechte" Bezahlung als Angestellter (ja, ich weiß, ein widerliches Wort). Wenn es dich glücklich macht, in einem anderen Beruf zu arbeiten und dabei netto 50 Prozent mehr als mit E13 zu verdienen, dann solltest du diese Alternative treffen.

Ich beispielsweise habe, nach einem Lehramts- und mehreren wissenschaftlichen Abschlüssen, zuerst im privaten Sektor gearbeitet und nach kurzer Zeit festgestellt, dass ich ohne Unterrichten nicht sein kann. Natürlich verdiene ich als Lehrer deutlich weniger, habe kein Dienstfahrzeug und kaum Aufstiegschancen. Aus meiner Sicht wird das durch die Tätigkeit an sich aber mehr als aufgewogen.

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