Arbeitsbelastung und Engagement

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Drops
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von Drops »

Ich verstehe Dich sehr gut, Some Might Say.
Mir ging bzw. geht es teilweise noch genauso, obwohl mittlerweile genau so lang im Geschäft wie Illi.

Das meiste wurde bisher genannt, doch ich gebe einen Tipp wieder und wieder, wobei man auch der Typ dafür sein muss:
Ich persönlich würde meinen Job nicht schaffen, wenn ich Unterrichtsvor- und -nachbereitung + Korrekturen unter der Woche zu bewältigen hätte. Geht mit meiner Kombi auf vollem Deputat nicht. Daher bereite ich alle Reihen in den Ferien vor. Ich plane und bereite alles entweder von Ferien zu Ferien vor oder ich bereite bereits das komplette Halbjahr in den Sommerferien vor und das für jede meiner Klassen.
Nach 7 Jahren "im Business" kann ich so mittlerweile auf einen relativ großen Reihen- und Materialfundus zurückgreifen, auch bereite ich (fast) nur noch Reihen vor, zu denen es auch (gute) Materialien gibt. "Mein" Verlag war früher immer Stark; seitdem dieser von Raabe geschluckt wurde, benutze ich für Englisch Raabe und für Deutsch Olzog.

Diese Vorgehensweise ließ mir irgendwann einen größeren Spielraum für Engagement. Nun bin ich aber eine Person, die sich nicht in jede Steuerungsgruppe hockt, nur weil es die gibt, sondern ich benötige eine Aufgabe, die ich mag und mir vorstellen kann, länger auszuführen. Nach einigen Überlegungen habe ich eine solche Aufgabe auch gefunden und führe diese auch mit Leidenschaft aus. Trotzdem komme ich in Sachen Engagement längst nicht an Kollegen mit Kombinationen wie Sport / Musik ran (nur zum Beispiel; in diesen beiden Fächern gibt es an unserer Schule keine LKs).

Das ist ein bisschen unfair, wenn es an Beförderungen geht, denn ich kann nicht mit gefühlt 17.000 Nebenaktionen punkten, dafür kriege ich aber meinen Job auf die Reihe UND kann durch die vorherige Planung auch neue Methoden und/oder Projekte, von denen Du in Deinem Post sprachst, einbauen.

Ich fühle mich auch nicht mehr so gestresst oder zugeworfen mit Arbeit. Klar gibt es immer noch diese Hochphasen, in denen man überhäuft ist mit Arbeit und Korrekturen, aber ich kann halt auch nur schaffen, was der Tag und meine Kondition so hergeben.

Die anderen Kollegen, die mit ach so irren Methoden aufwarten, kochen übrigens auch nur mit Wasser. Es ist nichts falsch am Buch-Unterricht; tatsächlich atmen manche Schüler regelrecht auf, wenn man einfach mal am Buch arbeitet und nicht den neuesten iPad-Schnackes mit ihnen durchhechelt.
Zieh Du Deinen Stiefel durch und bleib vor allem authentisch! Das hilft oft viel, viel mehr! :-)

Stark
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von Stark »

Ich stimme meinen Vorrednern uneingeschränkt zu, möchte aber einige Punkte nochmal aufgreifen, um sie zu präzisieren:

1.) "Buchunterricht" vs. Methodenfeuerwerk
Sicherlich sollte der Unterricht durch Methoden abwechlsungsreich und schüleraktiviert ablaufen. Vor allem in der Oberstufe beobachte ich aber, dass gerade junge Kollegen (zu?) viel Wert auf Methodenfeuerwerk legen und die knallharte Abivorbereitung dabei etwas auf der Strecke bleibt. Irgendwann müssen die Schüler einfach bestimmte Aufgabenformen (Analysis; Comment; Mediation) lernen und auch einüben. Das kann man dann sicherlich auch ein wenig methodisch aufpeppen, aber der 27. "Hot Chair" und das 47. "role play" wird ihnen nicht dabei helfen, mit Texten zu arbeiten und eigene Texte zu strukturieren. Ich verwende deswegen durchaus auch ganze Doppelstunden zur Besprechungen von zu Hause geschriebenen Texten oder zum gemeinsamen Verfassen von Mustertexten. Das mag weniger spannend sein als ein methodisch durchgeplanter Unterricht, aber v.a. die älteren Schüler sind dafür meist recht dankbar und melden mir zurück, dass sie es jetzt endlich verstanden haben. Leicht abgeschwächt /abgewandelt gilt das auch für Unter- und Mittelstufe. Die Mischung machts hier.

2.) Zusatzaufgaben
Der Trick ist hier wirklich, sich Aufgaben zu suchen, an denen man auch ein wenig Spaß hat. Das ist als junger Kollege nicht immer ganz einfach, weil viele Aufgaben bereits verteilt sind und man nehmen muss, "was frei wird". Aber man kann sich durchaus auch schon für solche Aufgaben in Position bringen, indem man sein Interesse offen äußert oder dem aktuell damit betrautem Kollegen einfach unter die Arme greift. Dafür muss man aber auch wissen, was einem Spaß macht, aber auch das kommt mit der Erfahrung.
Bei mir ist es so, dass ich mittlerweile (>15 Dienstjahre) einige Extraaufgaben habe, die ich mir alle selbst ausgesucht habe und die ich auch gerne verrichte. Die Arbeit daran stresst mich deshalb nicht, manchmal mache ich sie nach anstrengenderen Aufgaben (Korrekturen!) noch schnell, weil ich zwar zu müde/unmotiviert bin, um noch an dem Anstrengenden weiterzuarbeiten, aber insgesamt durchaus noch gut Ressourcen habe. Ist dann auch so eine Art "sinnvolle Prokrastination". Da muss man wirklich sein eigenes Ding finden.

3.) Perfektionismus
Hier schließe ich mich tiger an. Pareto hat mir das (Privat-)Leben gerettet, als ich als junger Studienrat mit Deutsch und Fremdsprache gar kein Land mehr gesehen habe. Auch in Bezug auf die Korrekturen: Der Schüler lernt nicht weniger und die Note ändert sich nicht großartig, wenn ich in einer Schulaufgabe 3-4 Fehler übersehen habe. Auch der Umfang der Schlussbemerkungen kann durchaus variieren. Hier hängt es auch ein wenig davon ab, wie der Fachbetreuer so drauf ist und wie gut/selbstbewusst man seinen Standpunkt ggf. im Respizienzgespräch vertreten kann. Da hat man es mit ein paar Dienstjahren sicherlich leichter. Aber jeder (!) Lehrer kennt den Zeitdruck und die Arbeitsbelastung und jeder (!) Lehrer weiß, dass dabei die Korrekturen am schlimmsten zu Buche schlagen. Wer sich als Fachbetreuer nicht gerade auf dem Rücken der jungen Kollegen profilieren möchte, wird hier auch mit Augenmaß urteilen.

4.) Außenwirkung
Jeder gute Schulleiter weiß, dass junge Kollegen sehr stark mit ihrem Unterricht und ihren Korrekturen belastet sind, vor allem in den Korrekturfächern. Er wird dementsprechend von den jungen Kollegen auch weniger Extraengagement verlangen. Mach dir deshalb nicht so einen Druck. Das kommt dann alles von selbst.

krabappel
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von krabappel »

Du arbeitest zu viel und zu ineffektiv, denn wie du schon sagtest, andere haben nebenher noch Familie oder Hobby. Wenn du dich am Buch orientierst (was auch absolut legitim ist), was machst du dann 5 Stunden in der Schule?!

Fang an zu meditieren. Und das meine ich ganz ernst, das ist eine fantastische Sache, die sich auf dein Lebensgefühl auswirken wird. Z.B. MBSR 8-Wochen-Kurs (kostet einiges) oder mit ner CD loslegen.

Wenn du Teilzeit beantragen willst, um dann noch mehr zu machen, lass es lieber.

kecks
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von kecks »

ach ja, vergessen: persönlich finde ich sport sehr hilfreich. paar mal die woche hartes training in irgendwas, was dir freude macht, das klärt den kopf und verhindert zuviel stressakkumulation. wichtig ist das meiner erfahrung nach gerade dann, wenn man meint, dafür nun wirklich keine zeit übrig zu haben.

tiger
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von tiger »

Some Might Say hat geschrieben:Ich bin immer schon früh morgens in der Schule und arbeite meistens bis in den Abend.
Zu diesem Satz will ich noch etwas sagen: Denk immer daran, dass du für 40 Stunden in der Woche bezahlt wirst. Das sind 8 Stunden pro Tag und ein arbeitsfreies Wochenende.

Rechne mal genau durch, was das für einen normalen Tag bedeutet. Dabei sollen Pausen, in denen du dich mit Kollegen bei einem Kaffee über Privates unterhältst, nicht als Arbeitszeit zählen; "durchschnittliche" Pausen, in denen du Dienstliches zu erledigen hast, aber schon. Aufsichten, Telefonate nach "Schulschluss" usw. bei der Auflistung nicht vergessen.

Wer 25 Stunden pro Woche unterrichtet, kann demnach höchstens – allerhöchstens, weil viele dienstliche Tätigkeiten, die in der Schule stattfinden, noch gar nicht berücksichtigt wurden – ganze vier Stunden pro Tag am heimischen Schreibtisch verbringen. Das schließt sämtliche Vorbereitung und alle Korrekturen sowie Fortbildungen mit ein.

Daraus habe ich für mich abgeleitet: Niemals, niemals, niemals nach 18 Uhr für die Schule arbeiten. Wenn die Klassenarbeit einen Tag später zurückgegeben wird: Wen juckt's. Wenn das Arbeitsblatt schief gelocht ist oder die Zeit nicht gereicht hat, alle Schulbücher nach einer noch besseren Version der gesuchten Abbildung zu durchforsten: Macht nix. Wenn für die Vorbereitung irgendeiner Stunde nur noch fünf Minuten Arbeitszeit übrig sind: Ja, dann ist das halt so. Nicht jede Stunde muss die Schüler didaktisch, methodisch, materialmäßig und inhaltlich vom Hocker reißen.

Das alles hängt wieder mit Pareto zusammen: Zunächst mit 20 Prozent des Zeitaufwands die notwendige Basis von 80 Prozent Güte herstellen und erst danach überlegen, wo man die restliche verfügbare Arbeitszeit möglichst gewinnbringend einsetzen kann. Aber nicht nach 18 Uhr oder am Wochenende, das ist schlecht für den Blutdruck.

Some Might Say
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von Some Might Say »

Vielen Dank für die vielen Antworten, ich schreibe bei Gelegenheit noch mehr dazu.

Sport und Meditation mache ich bereits (habe sogar auch einen 8-Wochen-MBSR-Kurs gemacht), wobei mich das manchmal zusätzlich stresst, weil man eben weiß, dass man noch was in den Tag unterbringen muss.

Das mit den Reihen ist auch meine Methode, allerdings ist es momentan eher so, dass ich mir Puffer machen und da dann zumindest immer gleich einige Wochen für eine Klasse vorbereite. Dann kann ich es mir auch leisten, mal eine Woche nur zu korrigieren. Am Wochenende versuche ich auch, abzuschalten und wenn nötig dann nur Korrekturen zu machen.

Landei
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von Landei »

Grade entdeckt, nun will ich auch noch meinen Senf dazu geben. ;-) Die Thematik hat mich am Anfang meiner Zeit als Studienrätin auch sehr beschäftigt. Zugeschüttet mit Arbeit, keine Klasse parallel, in beiden Fächern zum ersten Mal eine K12. Folge: Im zweiten Jahr musste ich nur noch die K13 in einem Fach vorbereiten (schlimm genug), das andere habe ich selbstverständlich das zweite Mal ziemlich genauso durchgezogen, weil ich so froh war, dass ich schon was hatte. Dann kam das erste Abitur, eine Masse an mündlichen Prüfungen (hatte ja zwei Kurse), musste auch alles vorbereitet werden (davon habe ich die Folgejahre auch gezehrt, auch im G8). Man hat schon wirklich immer viel zu tun ...

Vielem, was gesagt wurde, stimme ich zu! Vor allem der Aussage "Die Kollegen kochen auch nur mit Wasser." Nichts könnte wahrer sein. Erzählen kann man viel. Du sagst selbst, du hast nirgends hospitiert, also weißt du nicht, wie es in deren Unterricht läuft.
Mir ist nicht ganz klar, wieso du deren Material so gut kennst. Falls sie es dir geben, dann würde ich mir denken, die geben dir sicher nicht ihr 0815 Zeug, sondern schon das Gute. Vielleicht haben sie auch Zusatzmaterial entdeckt, das du noch nicht entdeckt hast und das übernommen usw.

Auch ich sage: Gegen Buchunterricht ist NICHTS einzuwenden. Wozu 50 Kopien machen, mit der Technik rumfummeln, wenn eh alles im Buch ist, farbiges Foto (das genau passt), Aufgaben, Texte. Dazu ist das Buch ja da! Ich sehe daran nichts Verwerfliches.
Ich kann mich da "Stark" auch nur anschließen: Millionen von Methoden bringen wenig, wenn dann in der Prüfung von den Schülern z. B. eine Texterschließung verlangt wird. Das muss geübt werden und auch ich habe erlebt, dass Schüler in der Oberstufe sehr dankbar sind, wenn sie da eine Art "Rezept" an die Hand bekommen, wenn das gemeinsam mit dem Lehrer geübt wird, eigene Texte besprochen, usw. Ich habe sowas immer gemacht und es war die Methode Frontalunterricht, sonst nichts.

Auch im HInblick auf den Perfektionismus schließe ich mich "Stark" an: Kein Grübeln über Korrekturen, kein Stress wegen dem ein oder anderen übersehenen Fehler, auch wenn man die Prüfung mal ein wenig später zurückgibt, geht die Welt nicht unter. Ich bin da stets offen mit dem Thema umgegangen, habe den Schülern gesagt, warum es das Ding nun nicht zum Stichtag gibt, sondern erst nach dem Wochenende, usw. Es hat sich NIE jemand beschwert. Auch von den Eltern nicht.

Es geht drum, für sich einen Weg zu finden. Für die einen ist das Zusammenarbeit mit Kollegen, für andere die Vorbereitung in den Ferien oder der Arbeitsstop um 18 Uhr (Respekt!). Mein Weg war, dass ich möglichst wenig Arbeit mit nach Hause oder mit in die Ferien genommen habe. Ich habe versucht, fast alles in der Schule zu erledigen, am Nachmittag (bei uns gab es ruhige Räumlichkeiten, die kaum genutzt worden von anderen), auch am Abend. Vorsatz: Daheim wird dann nichts mehr gemacht, ich habe zum Teil auch meine Tasche in der SChule gelassen. Manchmal war ich bis 21.30 dort, manchmal konnte ich um 16.30 oder noch früher schon heimgehen und hatte Feierabend. Ich habe mich gezwungen, meinen Kram unter der Woche fertigzukriegen und nicht (wie in den ersten Jahren) alles aufs Wochenende oder die Ferien zu schieben. Insgesamt war ich dann so die letzten 2 Jahre wirklich zufrieden mit mir und meiner Arbeitsweise. Mal sehen, wie das dann nach der Elternzeit läuft.
Da muss jeder seinen Weg finden.

Zu den Zusatzaufgaben oder "Pöstchen": Zunächst solltest du dich nicht stressen, wenn du keine hast. Da du gute Noten hast, werden die über kurz oder lang schon kommen! ;-) Überlege dir halt, was dir Spaß machen würde und stresse dich jetzt nicht, weil du nicht weißt, wie du das schaffen sollst.
Es wurde schon gesagt: Mit den Jahren wird es besser!

Mein letzter Tipp: Achte auf dich! Niemand wird es dir danken, wenn du dich aufreibst! Wirklich niemand!
im Sommer 2008 Ref beendet

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