Arbeitsbelastung und Engagement

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Some Might Say
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Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von Some Might Say »

Hallo,

ich bin seit einigen Jahren mit dem Referendariat fertig, unterrichte mit drei Fächern an einem Gymnasium und bin eigentlich soweit ganz zufrieden. Auf den ersten Blick läuft auch alles ganz gut: Meine Noten im Studium und Referendariat waren sehr gut und auch sonst wurde ich noch von keiner Seite kritisiert und meine Arbeit wurde positiv gesehen. Inzwischen habe ich auch mein erstes Abitur hinter mir, was auch gut lief. Insgesamt bin ich (zu?) sehr gewissenhaft und akribisch und, wenn es um Termine geht, überpünktlich. Ich war auch noch keinen einzigen Tag krank.

Soweit, so gut. Mein Problem ist allerdings, dass ich mich gefühlt von der Arbeitsbelastung und vom Stress her immer am Limit bewege. Ich bin immer schon früh morgens in der Schule und arbeite meistens bis in den Abend. Dieses Problem kennen sicherlich viele. Was es bei mir allerdings noch belastender macht, ist mein Eindruck, dass fast alle Kollegen noch sehr viel mehr arbeiten, zum Beispiel was Zusatzaufgaben, eigene Materialien und Engagement in der Schulentwicklung und im Schulleben betrifft. Ich mache diesbezüglich momentan wenig bis nichts und bin froh, wenn ich mit meinen normalen Vorbereitungen und Korrekturen über die Runden komme. Schon damit bewege ich mich wie gesagt ziemlich am Limit und habe oft Kopfweh und kann kaum abschalten. So wie ich es mitbekomme, arbeiten die meisten Kollegen aber deutlich mehr: sie erstellen viel mehr eigene und wahrscheinlich auch bessere Materialien, sind sehr viel über den reinen Unterricht hinaus engagiert und sofort dabei, wenn es Zusatzaufgaben gibt. Das gilt sowohl für ältere Kollegen als auch für jüngere und ich habe das an fast allen meiner bisherigen Schulen mehr oder weniger so erlebt.

Nun ist es ja so, dass die Kollegen das gleiche Tagesgeschäft mit Vorbereitungen, Unterricht und Korrekturen zu bewältigen haben und darüber hinaus noch so engagiert sind. Mir ist es ein absolutes Rätsel, wie das gehen soll. Ich kann mir aus meiner Position auch überhaupt nicht vorstellen, wie dieser Beruf mit einer Familie oder auch nur einem aufwendigeren Hobby zu verbinden sein soll. Auch sehr aufwendige interne Aufgaben wie Oberstufenbetreuer lassen mich darüber rätseln, ob der Tag mancher Leute 48 Stunden hat. Meine einzige Erklärung ist, dass manche Kollegen einen großen Materialpool für alle Klassen und Prüfungen schon haben und dann jedes Jahr genau das gleiche unterrichten, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich so ist, vor allem bei den jüngeren Kollegen, die wie ich ja noch kaum Material aus den Vorjahren haben.

Inzwischen zieht mich das Ganze ziemlich runter, weil ich eigentlich schon ganz gerne gut und auch viel arbeite, aber ich kann da einfach nicht mithalten und komme mir oft so vor, als wäre ich dadurch ein schlechterer Lehrer, würde insgesamt einen schlechteren Job machen und mich vor manchen Aufgaben drücken. Wie gesagt, bisher wurde ich diesbezüglich nie kritisiert, aber das ist einfach mein persönliches Empfinden und es belastet mich zusätzlich zu dem normalen Arbeitsstress, wenn ich wieder sehe, wie viel die Kollegen machen und wenig ich mache oder machen kann. Deshalb wollte ich hier einfach nur mal fragen, ob sonst jemand dieses Gefühl kennt und wie ihr damit umgeht.

Illi-Noize
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von Illi-Noize »

Kommt vielleicht auch darauf an, ob Du "was werden" willst oder nicht. Hast Du schon eine reguläre Beurteilung erhalten? Standardlehrer am Anfang bekommen da in der Regel die "5" - und wenn Du Dich besonders reinhängst, dann kann das auch mal eine "4" oder besser sein (zumindest an der Realschule).

Thema Zusatzaufgaben: Ich habe direkt am Anfang eine bekommen, die ist allerdings ein kleines Spezialgebiet und Hobby von mir, so dass ich das gerne und zeitsparend ohne Anrechnungsstunde machen kann. Kostet mich pro Woche im Schnitt 60 Minuten - ist aber "Home Office", ich kann das auch nebenbei von daheim aus machen. Weitere Zusatzaufgaben wie Fachbetreuer und Einsatzrefbetreuung kamen dann erst ein paar Jahre später dazu. Die Folge war dann in der Beurteilung, dass das Engagement am Anfang nicht besonders hervorgehoben worden ist, aber vollkommen zufriedenstellend war. Die nächste Beurteilung Ende 2018 müsste da schon besser ausfallen, da eben nach und nach weitere Aufgaben dazugekommen sind. Vielleicht kannst du ja auch die eine oder andere Aufgabe finden, die Dir ein wenig Spaß macht. Sobald in der Liste "wer macht was" bei Dir irgendwas steht, ist die "Gefahr" wohl geringer, dass man diekt noch etwas (unbeliebtes) auf's Auge gedrückt bekommt ;-)

Thema Unterricht: Wenn Du mal alle Klassen "durch" hast, dann wird es angenehmer, denn dann kannst Du vieles einfach rausziehen und nur punktuell Stunden neu planen. Ich habe z. B. aktuell eine 6., im bereits 5. Durchlauf. Da werde ich gar nichts ändern, da der Lehrplan+ nächstes Jahr in der 6. gilt und ich dann alles wegen dem Lehrplan und neuem Buch komplett neu machen werde. Sind im Prinzip schon mal 5 "geschenkte" Stunden ohne Vorbereitung. Dann habe ich dieses Jahr noch ein paar Stunden Nebenfächer, in denen ich mich sehr zurücknehmen kann. Stichwort Referate, Gruppenpräsentationen, Gruppenarbeiten usw. Sind solche - ich nenne sie - "Projekte" einmal vorbereitet, kann man darauf immer wieder zurückgreifen. Ich mache inzwischen teilweise sogar Gruppenarbeiten ohne Material für die Schüler. Ich schalte das WLAN an, die zücken ihre Handys und legen los mit der Recherche. Da komme ich mit genau einem Blatt Papier in den Unterricht, auf dem mögliche Ideallösungen der Recherche stehen.
Du kannst nicht 6 oder mehr Stunden pro Tag vorne stehen und durchgehend "Vollgas" geben. Das mache ich bei Abschlussklassen ... aber nicht bei Nebenfächern ;-)
ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich so ist, vor allem bei den jüngeren Kollegen, die wie ich ja noch kaum Material aus den Vorjahren haben.
Habe gerade mal geschaut, alles incl. Ref:
Hauptfach 1 war nach 4 Schuljahren komplett durch (5. - 10., natürlich kürzer als bei Euch)
Hauptfach 2 war nach 3 Schuljahren im Prinzip durch, einzig zwei Klassen hat ein Teil gefehlt, Sitchwort verschiedene Zweige
Mit den Nebenfächern war ich nach 4 Jahren durch.

Im Prinzip also genau die Zeit, in der ich nur 1 Nebenaufgabe hatte. Hat eigentlich perfekt gepasst :-)

Für die kommenden Sommerferien habe ich mir vorgenommen, die 5. und 6. auf den neuen Lehrplan umzubauen ... falls ich dann so eine Klasse bekomme, dann könnte ich im Prinzip direkt wieder mit dem "Rausziehen" anfangen ;-)

PS
Beim Durchlesen fällt mir auf, dass ich im Prinzip sehr gerne "im Prinzip" schreibe. Sorry an den fleißigen Deutschlehrer, der hier alle Postings genau untersucht und jeden Fehler im Prinzip sehr genau und direkt sehr freundlich erwähnt. Dieser Fehler ist mir prinzipiell selber bereits bekannt.

kecks
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Registriert: 01.04.2009, 6:09:18

Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von kecks »

es wird besser. wirklich. es dauert zwar ein paar jahre, aber es wird besser, wenn man sich drum bemüht, dass es besser wird. mir persönlich hat die kooperation mit kollegen, die auf derselben wellenlänge sind, sehr geholfen - motto: zusammen vorbereiten, und wenn man sich ein bisschen kennt, kann man von bestimmten leuten auch material unbesehen verwenden. oder "du bereitest die 8 vor, ich die 5" und dann einfach tauschen. außerdem material immer teilen, kein horten als einzelkämpfer.

zudem: klappern gehört bei vielen zum geschäft. nur weil du den eindruck hast, alle machten das besser und toller, ist das noch lange nicht der fall ;).

und: ruhig hemmungslos dinge, die gut liefen, genauso wieder verwenden, vielleicht aktualisieren, aber ruhig nochmal nutzen, wenn es dich nicht selbst langweilt. man muss nicht jedesmal alles neu erfinden.

tiger
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von tiger »

Ein paar Aspekte sind schon genannt worden:

1. Wenn du alle Fächer und Klassenstufen einmal unterrichtet hast, wird es besser. Natürlich kann man nicht jahrelang mit identischer Unterrichtsvorbereitung durch den Beruf kommen, aber manches muss man eben doch nur einmal machen, nämlich die Sachstruktur durchdringen und ein paar grundlegende didaktische Entscheidungen treffen.

2. Wenn deine Kollegen sich so viele Zusatzaufgaben aufbürden, wie sieht denn dann deren Unterricht aus? Ich stimme Illi-Noize zu, dass man in manchen Lerngruppen (z. B. Leistungskurs) alles geben sollte, um aus dem Angebot, das man den Schülern macht, auch noch die letzten paar Prozent an Qualität herauszuholen. Wenn ich aber ein Nebenfach in Klasse 6 unterrichte, dann mache ich das nicht, das ist mit > 25 Wochenstunden einfach nicht möglich, selbst dann nicht, wenn ich rund um die Uhr arbeiten würde.

3. Beherzige das Pareto-Prinzip: 80 % der Ergebnisse werden in 20 % der Arbeitszeit erzielt. Ich habe auch mit Perfektionismus zu kämpfen, aber man muss sich auch Folgendes klarmachen: Ob die Arbeitsblätter perfekt gelayoutet und die letzten paar Tippfehler ausgemerzt sind, merken die Schüler sowieso nicht. Und selbst wenn: Die Qualität meines Arbeitsmaterials ist auch dann noch hundertmal besser, als die Schüler es jemals hinbekommen würden, wenn ich es nur schnell zusammenpfusche.

4. Zusatzaufgaben sind unterschiedlich zeitaufwendig. Wenn jemand die IT-Betreuung macht, ist das eine Aufgabe, in die man praktisch beliebig viel Zeit investieren kann und das auch jeden Tag tun muss, weil es immer irgendwo klemmt. Übernimmt jemand das Verkehrserziehungskonzept, hat er damit nicht annähernd so viel Arbeit. Dass das von den Vorgesetzten und auch von den Kollegen nicht immer realistisch eingeschätzt wird, steht auf einem anderen Blatt.

Some Might Say
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von Some Might Say »

Danke für bisherigen Hinweise.

Das mit dem Material, das man über die Jahre ansammelt, stimmt so bestimmt, nur bisher habe ich da kaum etwas. Im aktuellen Jahr ist es zum Beispiel so, dass ich komplett alles neu vorbereiten muss und nur gelegentlich mal ein einzelnes Arbeitsblatt verwenden kann. Dazu kommt ja, dass es wieder einen neuen Lehrplan gibt und bei den Fremdsprachen ist es so, dass man dann gerade in Unter- und Mittelstufe das komplette alte Material eigentlich vergessen kann. Aber naja, es wird schon irgendwie besser werden.

Was die Unterrichtsqualität der Kollegen betrifft, kann ich konkret nichts sagen, weil wir bisher nicht hospitiert ist, aber von dem, was ich mitbekomme, sei es durch Aussagen der Kollegen oder auch zufällig, ist deren Qualität in vielen Bereichen deutlich höher als meine. Während ich sehr oft Buchunterricht mache und eher klassische Methoden wähle, haben die Kollegen sehr viel mehr eigenes Material, innovativere Methoden, einen Überblick über alle Zusatzmaterialien, die sie dann auch häufig verwenden, Projekte und so weiter. Das finde ich schon belastend und auch das ist mir wieder ein Rätsel.

Bei den älteren Kollegen könnte ich mir das ja noch einigermaßen erklären, weil die sicherlich einen großen Fundus an allen möglichen Materialien haben, aber es gibt auch junge Kollegen mit teilweise weniger Erfahrung als ich, die sehr viel engagierter sind. Manche davon nehmen ohne Übertreibung einfach jede Zusatzaufgabe an, die sich irgendwie anbietet und haben auch bessere Materialien. Ich bin dabei immer sehr gestresst und wirke wohl auch so, einem früheren Schulleiter ist das zum Beispiel mal aufgefallen. Auf mich wirkt ansonsten niemand so gestresst.

Wie gesagt eigentlich arbeite ich gerne und viel, aber der Beruf bringt mich jetzt schon ans Limit, obwohl ich anscheinend das Minimalprogramm fahre. Deswegen habe ich innerlich auch irgendwie schon mit jeglichen Karriereambitionen abgeschlossen (obwohl ich auf dem Papier sehr gute Qualifikationen habe, was die Noten und Beurteilungen betrifft, aber auch Auslandsaufenthalte, Zusatzqualifikationen, Stipendium...) und überlege mittelfristig auch, mein Stundenkontingent zu reduzieren.

carotanic
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von carotanic »

Ich glaube wir haben die gleichen Fächer oder zumindest habe ich auch zwei Sprachen und bin im ersten vollen Berufsjahr, aber habe das Ref schon an der Schule gemacht und kenne daher die Abläufe, Schüler und Kollegen. Ganz ehrlich: ich mache derzeit fast nur Buchunterricht bzw suche mir höchstens etwas aus anderen Büchern, wenn mir da etwas besser gefällt. Das heißt doch aber nicht, dass es schlechter ist als eigene Materialien zu erstellen. Ich versuche einen guten Einstieg zu finden und dann ist die Arbeitsgrundlage Buch und Arbeitsheft. Methodisch habe ich 2-3 Methoden, die ich oft benutze und dann kommen selten aufwendigere dazu. Damit fahre ich gut und habe eigentlich eine gute Balance, aber manchmal finde ich selbst das schon viel...

kecks
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Re: Arbeitsbelastung und Engagement

Beitrag von kecks »

ad lehrplanwechsel bayern gym:
zumindest in meinen fächern ist das eher eine erleichterung: vieles ist jetzt konkreter gefasst, material wird direkt dazu angeboten, die neuen bücher greifen das direkt auf. ich denke nicht, dass das heißt, dass man alles "neu machen muss". der aktuell in 6-12 gültige lehrplan ist ja bereits konsequent kompetenzorientiert. das prinzip wird fortgeführt, nicht neu eingeführt.

insofern muss man manches anpassen, aber das muss man ja eh von jahr zu jahr immer (zuminndest in meinen fächern, da die klassen heterogen sind und zudem aktualität/ bezug auf gegenwart sehr wichtig ist). das ist aber halb so anstrengend wie eine erstmalige neuvorbereitung eines themengebiets und vor allem halb bis viertel so zeitaufwändig. wir haben z.b. in ethik nur einen komplett neuen themenbereich (medienethik), sonst ist alles noch da. teils in der jahrgangsstufe verschoben, aber mal ehrlich, ob ich etwas in 8 oder 10 einführe entscheidet nur über den abstraktionsgrad und das anschauungsmaterial (lebensweltnähe des zugangs), aber das thema habe ich verstanden, die knackpunkte kenne ich (wo steigen häufig schüler aus, was ist besonders wichtig für die progression), welche methoden passen meienr meinung nach am besten dazu. mir dazu einen abstrakteren einstieg auszudenken ist die kleinste mühe/notfalls geht es im alltag dann auch mal ohne/mit was langweiligem (thema: gerechtigkeit - einstieg: definiere: gerechtigkeit ist... oder ein paar schlagzeilen dazu googeln, ins pp hauen, fertig, oder blitzlicht dazu, oder, oder oder... vorbereitsungszeit zwischen null und zehn minuten (inklusive laptop starten für pp-erstellung). stirbt keiner dran.

und sonst nochmal wirklich der hinweis auf die kollegen. zusammen ist vieles sehr viel leichter. in jedem kollegium gibt es doch irgendwem, mit dem du gut kannst...

und noch was: bei den käuflichen materialien mal schauen, welcher verlag dir zusagt, und dann von dem ruhig auch mal unbesehen kaufen und nutzen. bei mir ist da bei manchen reihen die trefferquote an brauchbarem/fast direkt verwertbarem extrem hoch (für mich: raabe, cornelsen einfach deutsch).

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