"Thesen" über das Ref

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
stefanby
Beiträge: 1
Registriert: 06.10.2017, 19:22:34

"Thesen" über das Ref

Beitrag von stefanby »

Hallo zusammen,

bin seit September im Ref und habe leider kaum Positives zu berichten, sodass ich mir überlege, bald wieder aufzuhören.

Folgendes habe ich zum Referendariat zu sagen (meine Erfahrungen):

Es handelt sich hierbei um keine echte Berufsausbildung. Es ist vielmehr eine schlecht organisierte Lehreraushilfsstelle.

Die Seminare bestehen zu 80% aus heißer Luft, da nicht alltagstauglich und realitätsfern.

Einige Referendare werden in kürzester Zeit zu ekelhaften Schleimern und können nicht zusammenarbeiten.

Praktische Hilfe kann man von erfahrenen Lehrkräften nicht erwarten. Seminarlehrer sind Selbstdarsteller. Betreuungslehrer/Mentoren sehen ihre einzige Aufgabe darin, bei der Besprechung von Unterrichtsversuchen diese in alle Einzelteile zu zerlegen und Stunden zum Teil schlechtzureden. Dies hat nichts mehr mit konstruktiver Kritik zu tun, die Mentoren wollen sich vielmehr auf Kosten der Referendare profilieren.

Wie seht ihr das?

MarlboroMan84
Beiträge: 657
Registriert: 03.01.2015, 13:59:37

Re: "Thesen" über das Ref

Beitrag von MarlboroMan84 »

stefanby hat geschrieben: Wie seht ihr das?
Ziemlich gegenteilig.

lisamaus
Beiträge: 39
Registriert: 03.08.2008, 17:36:57

Re: "Thesen" über das Ref

Beitrag von lisamaus »

stefanby hat geschrieben:Hallo zusammen,

bin seit September im Ref und habe leider kaum Positives zu berichten, sodass ich mir überlege, bald wieder aufzuhören.

Folgendes habe ich zum Referendariat zu sagen (meine Erfahrungen):

Es handelt sich hierbei um keine echte Berufsausbildung. Es ist vielmehr eine schlecht organisierte Lehreraushilfsstelle.
In meinen Augen ist das Ref keine Berufsausbildung, da die Ausbildung bereits in der Universitätiät stattfindet. Stattdessen ist es eine Art Trainee-Programm, in der Personalersprache würde man es Training-on-the-job bezeichnen. Ich finde das trifft es ganz gut.
stefanby hat geschrieben:Die Seminare bestehen zu 80% aus heißer Luft, da nicht alltagstauglich und realitätsfern.
Das habe ich zum Teil auch erlebt. Oder eigentlich genauer: oft haben die Seminare ganz interessante Themen, aber sie helfen mir nicht bei meinen aktuellen Problemen.

Beispiel: Wir hatten Seminare zur pädagogischen Diagnostik , die waren echt gut gemacht, aber ich hätte aktuell eher Hilfe bei der sinnvollen Reihenplanung gebraucht. (Das Seminar ging übrigens nicht um Benotung, oder Testerstellung sondern mehr um Bewertung und Förderung von Sozialkompetenz.)
Oft habe ich bei den Seminaren gedacht: die hätte ich lieber in 1-2 Jahren, wenn mein Alltagsgeschäft gut läuft, dann habe ich vielleicht auch die Zeit um mich um allerlei zusätzlichen "Schnickschnack" zu kümmern
stefanby hat geschrieben: Einige Referendare werden in kürzester Zeit zu ekelhaften Schleimern und können nicht zusammenarbeiten.
Das habe ich zum Glück nur teilweise erlebt. Wir waren eine eingeschworene Truppe und haben gut zusammen gehalten. Da muss man aber selbst daran arbeiten, das kommt nicht von selbst.
stefanby hat geschrieben: Praktische Hilfe kann man von erfahrenen Lehrkräften nicht erwarten.
Die Leherer an meinen Schulen waren eigentlich immer hilfsbereit. Allerdings war mein meistgehörter Satz im Referendariat: "ich würde das so und so machen, aber in der Lehrprobe muss man das natürlich ganz anders machen".
stefanby hat geschrieben:Seminarlehrer sind Selbstdarsteller. Betreuungslehrer/Mentoren sehen ihre einzige Aufgabe darin, bei der Besprechung von Unterrichtsversuchen diese in alle Einzelteile zu zerlegen und Stunden zum Teil schlechtzureden. Dies hat nichts mehr mit konstruktiver Kritik zu tun, die Mentoren wollen sich vielmehr auf Kosten der Referendare profilieren.
Ich hatte eine ganz tolle Seminarlehrerin, die extrem hohe Ansprüche hatte, diese aber auch an sich selbst gestellt hat. Ich habe seit dem nie wieder so guten Unterricht gesehen, wie von dieser Lehrerin. Von dieser Seminarlehrerin habe ich viel gelernt, leider mussten wir nach 1/2 Jahr das Seminar wechseln. Ich wäre lieber dort geblieben.
Die zweite Seminarlehrerin war das absolute Gegenteil, eine echte Katastrophe. Dumm angeredet hat die auch keinen, aber sie hat sich nie irgendwie festgelegt und man konnte sich auf ihre Aussagen nicht verlassen. Es kam sogar soweit, dass sie nach Lehrproben Dinge kritisiert hat, die sie einem vorher so empfohlen hat.
Auch organisatorisch war sie ne echte Katastrophe. Da ging echt einiges schief und ich habe in diesem halben Jahr echt NICHTS von ihr gelernt. Zum Glück hatten wir noch unsere Referendarsgruppe, wir haben uns dann eben gegenseitig geholfen.
Im zweiten Jahr hatte ich eine tolle Betreuungslehrerin. Ich wüsste nicht, was sie hätte besser machen können. Sie war immer für mich da, wenn ich Hilfe gebraucht habe, hat mir aber auch den nötigen Freiraum gegeben, wenn ich ihn wollte.
stefanby hat geschrieben: Wie seht ihr das?
[/quote]
Ich habe mal meine Anmerkungen oben rein geschrieben. Ich habe positive und negative Erfahrungen gemacht. Die negativen Erfahrungen waren echt ätzend. Da ist viel schief gelaufen.

Wenn ich das Referendariat reformieren dürfte, dann hätte ich viele Punkte, die man meiner Meinung nach verbessern müsste. Aber eben nicht "es ist pauschal alles Mist", sondern es gibt Wege, wie es besser ginge.

Beispiele:
Bei uns wurden Seminare eingeführt, an denen die Seminarlehter teilnehmen sollten, damit überall gleiche Inhalte vermittelt werden und gleiche Kriterien gelten. Eigentlich ganz gut. ABER: die schlechte Seminarlehrerin vom 2. Halbjahr ist einfach nicht hin gegangen. Dann bringen die Seminare ja nichts, wenn sie nicht verpflichtend sind.

Wir hatten wöchentliche Seminare zu verschiedenen Themen (von Dozenten, nicht von unseren Seminarlehrern), die uns aktuell einfach nicht wirklich betroffen haben, weil sie zwar interessante Themen waren, wir aber gedanklich mit dem "Alltagsunterricht" voll ausgelastet waren.

Andererseits haben wir mit den Seminarlehrern in den Seminarsitzungen Themen behandelt, die alle schon an der Uni gelernt hatten (z.B. Pawlow - operantes Konditionieren usw.). Völlig unnötig.

Das was uns am meisten gebracht hat, nämlich über gute und schlechte Unterrichte zu sprechen, diese zu verbessern, verschiedene Möglichkeiten abzuwägen und dies dann möglichst auch wirklich im Unterricht auszuprobieren. Das haben wir viel zu selten gemacht. Bei der guten Seminarlehrerin ab und zu.
Ich finde das wäre aber das A und O der Lehrerausbildung.

Außerdem haben wir nicht gelernt mit vorhandenem (nicht selbst erstellten) Unterricht zu arbeiten, aber das ist eine Kompetenz, die einem im Berufsalltag wirklich weiterhilft. (Ich kann das zu Glück einigermaßen, weil ich vor dem Ref schon genau so unterrichtet habe, aber ich sehe derzeit wie schwer sich viele Kollegen damit tun.)

Und ich hätte viele Ideen, wie man den Prüfungsdruck abmildern könnte. Wir hatten z.B am Ende eine mündliche Prüfung zum Schulrecht. Jeder hatte unterschiedliche Fragen, manche Prüfer haben 1er vergeben für Wischiwaschi Antworten, manche wollten es ganz präzise wissen und haben dann schlechte Noten vergeben. Warum kann man nicht eine schriftliche Prüfung für einen ganzen Jahrgang durchführen, bei dem allen Referendaren die gleichen Fragen gestellt werden? Dann wäre wenigstens eine Vergleichbarkeit der Noten gegeben. Zusätzlich würde ich diese Prüfung relativ an den Anfang des Ref stellen, schließlich muss man all die Regeln ja während des Refs beachten und nicht erst am Schluss.

Leider gibt es aber kein Feedback nach dem Ref, es gab in unserer Ref-Gruppe viele wirklich sinnvolle Verbesserungsvorschläge. Aber keiner hat sie sich angehört.
Vier ist bestanden, bestanden ist gut und gut ist fast eine Eins!

Stark
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Re: "Thesen" über das Ref

Beitrag von Stark »

Erstmal: Du bist gerade mal einen Monat dabei. Vielleicht wartest du mal, wie sich das ganze entwickelt, bevor du es pauschal aburteilst. Interessant wird es v.a. nach den Herbstferien, wenn du selbst kontinuierlichen Unterricht erteilst.
stefanby hat geschrieben:Hallo zusammen,
Betreuungslehrer/Mentoren sehen ihre einzige Aufgabe darin, bei der Besprechung von Unterrichtsversuchen diese in alle Einzelteile zu zerlegen und Stunden zum Teil schlechtzureden. Dies hat nichts mehr mit konstruktiver Kritik zu tun, die Mentoren wollen sich vielmehr auf Kosten der Referendare profilieren.
Ich habe es nicht nötig, vor einem Ref, der vom Alltagsgeschäft zwangsläufig noch keine Ahnung haben kann, zu profilieren. Dazu habe ich gar keine Zeit. Ich weiß aber noch sehr gut, wie genau bei Prüfungslehrproben hingeschaut wird und wie sehr es da um Einzelheiten und Details geht. Ich würde meinen Job als Betreuungslehrer einfach nicht gut machen, wenn ich die Unterrichtsversuche nicht "in alle Einzelteile [...] zerlegen" würde. Denn, egal wie es in der Praxis läuft, in der Lehrprobe wirst du dich dafür rechtfertigen müssen, dass du die gelbe Kreide statt der blauen für die Überschrift genommen hast und dafür, dass du bei einer Aufzählung an der Tafel Sternchen statt Strichen gemacht hast. So ist das dann - und je früher der BL dich darauf vorbereitet, solche Details rechtfertigen zu können, desto besser macht er seinen Job.

Montecruz
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Re: "Thesen" über das Ref

Beitrag von Montecruz »

stefanby hat geschrieben:Hallo zusammen,

bin seit September im Ref und habe leider kaum Positives zu berichten, sodass ich mir überlege, bald wieder aufzuhören.
Hallo,
Das wäre schade - sofern du für den Job geeignet bist. Denn es ist ja im Lehrerberuf wie in den meisten anderen Berufen: Stress macht man sich immer selbst und oft steht man sich selbst im Weg. Konkret: Die meisten Referendare, die die Ausbildung nicht schaffen, hören von selber auf. Dass man die Prüfung nicht schafft oder der Schullleiter einen vorher vom Spielfeld nimmt, ist dagegen eher selten. Daher solltest du nicht leichtfertig aufgeben. Ich werde mal versuchen, möglichst differenziert zu antworten. Denn ich glaube, du könntest auch dein Verhalten noch optimieren.
stefanby hat geschrieben: Es handelt sich hierbei um keine echte Berufsausbildung. Es ist vielmehr eine schlecht organisierte Lehreraushilfsstelle.
Das ist in den meisten Bundesländern objektiv falsch. Als Referendar hatte ich in SH etwa zehn Stunden Unterricht, habe aber eine Menge Arbeitskraft der Schule gebunden. Finanziell war ich für den Staat nicht wesentlich billiger als meine Kollegin. Die war aber eine echte Vertretungslehrerin, die der Schule 18 Stunden Nettoentlastung gebracht hat. Übrigens ist eine Berufsausbildung auch nicht beabsichtigt. Es handelt sich um einen Vorbereitungsdienst.
stefanby hat geschrieben: Die Seminare bestehen zu 80% aus heißer Luft, da nicht alltagstauglich und realitätsfern. [...] Seminarlehrer sind Selbstdarsteller.
Das stimmt (oft). Ungeeignete Lehrer flüchten aus dem Unterricht in die Lehrerausbildung oder werden dorthin ausgesteuert. Es gibt aber auch gute Seminarleiter! Ansonsten im Seminar: Linkes Ohr rein, rechtes Ohr raus. Habe ich auch so gemacht.

Ein Problem hast du natürlich, wenn der Seminarleiter den Unterrichtsbesuch durchführt und die Stunde zerreißt. Von dem bist du ja abhängig. Tipp: Frage nach "drei Dingen, die Sie beim nächsten Mal anders sehen wollen", und arbeite das konsequent ab. Somit ist der Seminarleiter zufrieden, da du "lernfähig" bist (auch wenn das, was er will, in der Praxis außerhalb der Sondersituation "Unterrichtsbesuch" niemals funktionieren würde... oder nicht einmal da funktioniert).
stefanby hat geschrieben: Einige Referendare werden in kürzester Zeit zu ekelhaften Schleimern und können nicht zusammenarbeiten.
Mag stimmen, ist aber in jedem Beruf so. Ich habe es aber nicht so erlebt. Bei mir war die Kameradschaft echt gut! Ist auch nicht dein Hauptproblem.
stefanby hat geschrieben: Praktische Hilfe kann man von erfahrenen Lehrkräften nicht erwarten.
Das deutet auf einen schlechten Zusammenhalt im Kollegium hin und ist eine Ausnahme. Die meisten Referendare erleben das völlig anders. Übrigens: Wie man in das Lehrerzimmer hineinruft, so schallt es heraus. Das haben auch schon andere erfahren. Vielleicht kannst du dein Verhalten hier nochmal reflektieren. Gerade als neuer Kollege ist man ja mitunter unsicher und tritt auch mal in ein Fettnäpfchen.
stefanby hat geschrieben: Betreuungslehrer/Mentoren sehen ihre einzige Aufgabe darin, bei der Besprechung von Unterrichtsversuchen diese in alle Einzelteile zu zerlegen und Stunden zum Teil schlechtzureden. Dies hat nichts mehr mit konstruktiver Kritik zu tun, die Mentoren wollen sich vielmehr auf Kosten der Referendare profilieren.
Und hier hast du ein dickes Problem. Die wichtigsten Personen für die Ausbildung eines Referendars sind die Mentoren. Es macht wenig Sinn, wenn die Mentoren die Stunde in 60 Minuten Besprechung anhand von 25 Beispielen zerreißen. Da habt ihr ein Kommunikationsproblem. Auch hier gilt: Frage nach z.B. drei Dingen, die der Mentor beim nächsten Mal anders sehen will. Wenn es nicht besser wird, suche das Gespräch mit deinem Mentor, oder mit dem Ausbildungskoordinator der Schule. Wenn es gar nicht läuft, kann man die Mentoren auch wechseln (muss aber auch nicht immer ein gutes Zeichen sein).

Viel Glück!
LG
Monte

Montecruz
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Registriert: 22.02.2017, 21:08:51

Re: "Thesen" über das Ref

Beitrag von Montecruz »

PS: ein paar kleine Anmerkungen an meine Vorredner habe ich noch.

@MarlobroMan: Hast du auch Argumente oder eine hilfreiche Rückmeldung an den TE oder willst du nur flamen?
@lisa: Toller differenzierter Beitrag! Habe ich gerne gelesen.
@Stark: Ja, die Lehrproben / Unterrichsbesuche werden oft sehr kleinteilig besprochen. Aber: Eine solche Einzelkritik kann der Referendar nach vier Wochen noch nicht annehnen. Der Mentor sollte sich in dieser Phase m.E. auf grundsätzliche bzw. grundlegende Dinge beschränken (Lehrerpersönlichkeit, Grundzüge der Planung der Stunde, ggf. gravierende Fehler in der Lehrer-Schüler-Kommunikation).

Illi-Noize
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Re: "Thesen" über das Ref

Beitrag von Illi-Noize »

Der User stark ist wie ich ein Bayer... bei uns betreuen die Betreuungslehrer Referendare, die bereits aus dem Seminar (am Gymi vorrübergehend) raus sind und eigenverantwortlich unterrichten. Da sollten die Basics schon sitzen und wir können über Details sprechen. Ich habe diese Woche meine beiden Refs erstmalig im Unterricht besucht und werde die Stunden auch auseinandernehmen. Das Ziel dabei ist nicht, den Ref "fertig" zu machen, sondern gemeinsam z. B. über alternative Vorgehensweisen zu reden. Der eine Ref hat z. B. eine Stunde gehalten, die komplett genau total und vollkommen also echt total^^ von der anderen Seite aufgezogen worden ist als ich es bisher immer gemacht habe. Da können wir nun richtig schön die Vor- und Nachteile beider Vorgehensweisen besprechen... und da sind wir dann sicher sehr "kleinteilig" unterwegs.

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