Einfach mal auskotzen

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
PaddelCore
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Registriert: 02.05.2017, 22:34:16

Einfach mal auskotzen

Beitrag von PaddelCore »

Hallo, ich bin derzeit noch im Praxissemester und werde dieses Jahr das Ref beginnen. Leider sind meine bisherigen Erfahrungen in dem PS eher als negativ zu bewerten. Zumindest habe ich persönlich festgestellt, Lehrer werden, wird für mich nicht ganz so einfach. Eigentlich kann ich gut reden und ich mache das auch viel und gerne. Und ich kann auch gut mit Menschen umgehen. Ich bin zwar innerlich sehr schüchtern, aber mir gelingt das meist gut. In der Uni kann ich mittlerweile endlose Vorträge halten. Wenn da keine 1 bei rauskommt, bin ich eintäuscht.
In der eigenen Reflexion, muss ich zugeben, war meine Vorstellung vlt. etwas zu naiv, dass das in der Schule auch so läuft. Dank etwas Glück, darf ich jede Woche unterrichten und nehme das auch mit. Ich hatte Anfangs echt Probleme dabei locker zu werden. Für mich war das recht überraschend und die erste Stunde war vernichtend SCHLECHT. Viel zu Lehrerzentriert, ich viel zu nervös. Dann aber habe ich versucht, die Tipps umzusetzen und lockerer zu werden. Die Kritiken waren jetzt nicht Hammer, aber die Lernkurve zeigte wohl steil nach oben. Nach einige Zeit wollte ich dann auch von den Fachleitern hören, wie die das sehen. Sprich, etwas bewertendes. "Sie werde das schaffen, aber sie werden sich verdammt anstrengen müssen!". Generell hatte ich auch nicht das Gefühl, dass die Lehrer mich jetzt so völlig daneben finden. Dass es nicht total super läuft, sehe ich selber. Ich habe mir diese Woche auch noch eine Rückmeldung eingeholt und da sagte der betreffende Lehrer:"Du bist noch zu verkrampft. Das merken die Schüler. Aber das wird viel besser!".
Dann hatte ich gestern mit dem stellvertretenden Rektor ein Gespräch, indem die Worte "Alternative" und "Das wird nichts" fielen. Keine Präsenz, keine Motivation. Man hätte nicht das Gefühl, ich wolle wirklich Lehrer werden. Der Mann hat insgesamt 30 Minuten Unterricht von mir gesehen. Leider nicht den besten. Gebe ich offen zu. Ich habe ihm dann erklärt, dass ich nebenbei derzeit noch arbeiten muss. Ich habe sonst leider kein Geld mehr. Daraufhin antwortete er "Dann musst du das im Ref ja auch machen". Ich habe dann erklärt, dass ich das anders sehe, da ich da auch Geld bekomme. Eigentlich hat er versucht, es mir auszureden.

Ich fühle mich persönlich einfach unfair behandelt, muss ich zugeben. Ich reise mir wirklich den Hintern auf, um alles derzeit zu meistern und ich beschwere mich auch nicht darüber. Aber mir dann von so weit weg zu sagen, dass das nichts wird, empfinde ich einfach als hart. Ja, es lief nicht alles gut. Ich habe einiges gelernt und ich muss noch vieles lernen. Und ich dachte auch, es würde leichter werden. Ich bin bereit mich und mein Verhalten zu hinterfragen, aber nicht meine Entscheidung Lehrer zu werden! Ich fühle mich auch deutlich wohler vorne mittlerweile. Er hat mir sogar angeboten, sich noch einmal eine Stunde von mir anzuschauen.

Ich muss zugeben, es ärgert und beschäftigt mich. Vlt. habt ihr ja 1 2 Tipps, wie ich eurer Meinung nach am besten mit dieser Situation umgehen kann.
LG

Max_Cohen
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Re: Einfach mal auskotzen

Beitrag von Max_Cohen »

Hi,

zunächst einmal zu den Allgemeinplätzen:
- Ich behaupte, dass sich jeder anstrengen muss, um zu lernen, wie man lernwirksamen Unterricht gestaltet.
- Lehrerzentriertheit per se ist kein Qualitätskriterium für Unterricht, es muss weitere, tiefliegendere Schwierigkeiten geben.
- Den Rückschluss auf mangelhafte Motivation für den Beruf aufgrund eines kurzen Einblicks halte ich für unprofessionell.

Aus meiner Sicht ist es ein langer Text, der nur einen - so lese ich es zumindest - oberflächlichen Teil deines Verhaltens anschneidet. Der wesentliche Aspekt von Schule, nämlich, dass die Kinder etwas lernen sollen ("Kompetenzen erwerben") kommt gar nicht zur Sprache. Wenn das nicht gelingt, dann ist dies aber unabhängig von deinem Engagement ("Hintern aufreißen") ein zentraler Grund für sachliche Kritik, die du in diesem Fall nicht als unfair einschätzen solltest.

Wenn du weitermachen willst, würde ich als Tipp geben, dich mit deinem Betreuungslehrer zusammenzusetzen, gemeinsam Stunden oder auch nur Phasen zu planen, diese durchzuführen und dann wieder gemeinsam auszuwerten. Nebenbei würde ich mich mit einschlägiger Literatur zur Unterrichtsqualität (z.B. Gold: Guter Unterricht - Was wir wirklich darüber wissen oder Helmke: Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität) auseinandersetzen und auch auf dieser Grundlage Kritik einfordern, denn was du schreibst, ist wirklich sehr schwammig und lässt keinen Rückschluss darauf zu, woran es eigentlich liegt. Es kann gut sein, dass du mit zunehmendem Lernerfolg der Schüler auch selbstsicherer wirst.

kecks
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Re: Einfach mal auskotzen

Beitrag von kecks »

ach, wird schon. willst du lehrerin werden? falls ja - zieh das ref durch. falls nein - lass es sein. offenbar bist du kein selbstläufer, aber das sind einige nicht. davon gibt es in jedem seminar ein paar. du willst lernen, du versuchst, die kritik umzusetzen - dann wird das auch.

dass kritik "hart" ist - ja, ist so. musst du durch. man kann "mimimimi" sagen, oder heulen gehen, sich dann zusammenreißen und weiterarbeiten. ich könnte jetzt noch mehr doofe, aber wahre sprüche schreiben, a la "leben ist kein ponyhof", "nur die harten kommen in den garten" blablubb. diese sprüche stimmen, auch im ref. unterrichtenlernen ist hart. ist so. haben viele vor dir geschafft, und auch du wirst das schaffen, wenn du weiterhin dranbleibst. kopf hoch und weiter!

BW-Refi
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Re: Einfach mal auskotzen

Beitrag von BW-Refi »

Du bist im Praxissemester. Bis zum Ref ist es noch eine Weile. Nimm dir das nicht so zu Herzen.
Das Praxissmester ist viel zu früh und oft doof terminiert. Ich musste auch arbeiten und für Uni-Prüfungen lernen.

Die Kritik des Schulleiters scheint mir etwas doof. Er hatte einen Studenten vor sich, keinen Referendar. Mir scheint, dass er das nicht beachtet hat. Manche Schulen suchen sich auch im Praxissemester spätere Referendare. Leute bei denen sich kein besonderes Talent zeigt oder deren Fächerkombination nicht passt, werden dann mit harter Kritik abgeschreckt.

Wirklich unterrichten lernt man erst, wenn man viel übt. Im Praxissemster ist oft keine Zeit, gerade in kurzen Modulen. man sollte auch nicht unterschätzen dass man sich in den Jahren bis zum Examen persönlich entwickelt.
Wenn du denkst der Beruf passt und du willst das, wenn es sich richtig anfühlt, dann mach es.
Sollte vor der Klasse stehen ein Horror gewesen sein, würde ich es lassen. Haben bei mir im Praxissemester-Kurs auch drei Leute getan.

GS83
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Registriert: 07.06.2017, 22:07:16

Re: Einfach mal auskotzen

Beitrag von GS83 »

Du durftest nur einmal die Woche unterrichten und dann nach sechs Monaten wie ein erfahrener Lehrer vor der Klasse stehen? Unmöglich! Die Erfahrung kommt doch durch das Unterrichten und die Rückmeldungen des Mentors. Natürlich gibt es in den ersten Monaten (bei 14 Std Unterricht die Woche) auch viel negative Kritik.

Lass den Kopf nicht hängen. Manche Menschen (wie dieser SL) fühlen sich über alles und jeden erhaben und wollen dir das auch mitteilen!

Parsifal
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Re: Einfach mal auskotzen

Beitrag von Parsifal »

Hallo PaddleCore,
ich finde es gut, dass du dich mit der Kritik, die du erhalten hast, auseinandersetzt. Und noch viel besser, dass du sie nicht einfach als Schwachsinn, unbegründet o.ä. abtust, sondern dich durchaus hinterfragst und auch annimmst, dass bei dir an verschiedenen Stellen noch Verbessungspotential liegt. Das ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten Eigenschaften, die man als angehender Lehrer mitbringen muss - gerade, wenn man kein Selbstläufer ist, bei dem von Anfang an alles mehr oder weniger glatt läuft. Da du dich kritisch hinterfragst, Lernangebote nutzt und auch Entwicklungen wahrnimmst, habe ich durchaus Hoffnung, dass du das Referendariat meistern kannst.

Andererseits finde ich es wichtig zu erwähnen, dass der Schulleiter dieses Gespräch vermutlich nicht nur von den 30 Minuten Unterricht ausgehend geführt hat, sondern vermutlich auch nach Rücksprache mit an deiner Ausbildung beteiligten Personen (betreuende Lehrer, AKO). Und ich finde es tatsächlich richtig, dass er wenn Anlass zur Sorge besteht was den Erfolg im Referendariat angeht, diese auch ausdrückt. Das Referendariat kann hart sein, _gerade_ wenn die sagenumwobene Lehrerpersönlichkeit Kern der Kritik ist. Denn solche Kritik ist immer besonders hart anzunehmen und besonders schwer umzusetzen. Wenn es hier schwer hapert, dann kann daran das Referendariat scheitern, denn die Lehrerpersönlichkeit kann sich zwar entwickeln, aber sie tut es für gewöhnlich wesentlich langsamer als du z.B. deinen Methodenpool erweitern und an der Strukturierung der Unterrichtsstunden arbeiten kannst. Gerade diesen Kritikpunkt nicht zu erwähnen und ggf. Alternativen ins Spiel zu bringen, fände ich daher fahrlässig und unfair dem angehenden Reffi gegenüber.

Nun musst du (vllt. nach Rücksprache mit einer oder mehrerer Vertrauenspersonen an der Schule) entscheiden, wie gravierend deine Probleme sind und ob die Lernkurve steil genug ist, damit du das Referendariat meistern kannst. Eventuell wäre es für dich ja auch hilfreich, vor diesem erstmal weitere Erfahrungen mittels einer Vertretungsstelle an einer Schule zu sammeln, um mehr Sicherheit zu gewinnen und an deinen Problemen arbeiten zu können!? Aus der Ferne kann ich hier keine fundierte Diagnose treffen, daher würde ich dir wie gesagt zum Gespräch mit schulischen Vertretern raten, einer ehrlichsen Selbsteinschätzung (wobei du das meines Erachtens wie gesagt durchaus schon gut machst!) und dann weiterplanen.

Und wenn der Schulleiter es schon anbietet, dann lade ihn wirklich nochmal ein! Wenn die 30 Minuten, die er bisher gesehen hat, Mist waren, kann es ja quasi nur besser werden, du erhältst also eine weitere Chance dich zu beweisen und in jedem Fall nochmal ein zusätzliches Feedback von jemandem, der (soweit man das auf Basis deines Posts sagen kann) erfahren und ziemlich ehrlich zu sein scheint.

Max_Cohen
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Registriert: 01.06.2017, 21:37:07
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Re: Einfach mal auskotzen

Beitrag von Max_Cohen »

Parsifal hat geschrieben: Das Referendariat kann hart sein, _gerade_ wenn die sagenumwobene Lehrerpersönlichkeit Kern der Kritik ist. Denn solche Kritik ist immer besonders hart anzunehmen und besonders schwer umzusetzen. Wenn es hier schwer hapert, dann kann daran das Referendariat scheitern, denn die Lehrerpersönlichkeit kann sich zwar entwickeln [...]
Das Wort "Lehrerpersönlichkeit" ist gewissermaßen ein Synonym für den fundamentalen Attributionsfehler. Wenn man von extrem negativen Ausprägungen der Faktoren Extraversion, Offenheit oder Gewissenhaftigkeit absieht, gibt es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Berufserfolg und -zufriedenheit (eine Liste von Originalliteratur findet man am Ende von Kapitel 1 in Wisniewski - Psychologie für die Lehrerbildung).
Es kommt auf das Lehrerhandeln an, und das kann man erlernen. Dafür sollte man sich aber auch geeignete Kritiker suchen, die einem nicht nur diffus erzählen, dass der Unterricht nicht gut sei oder die Persönlichkeit nicht passe (bequem, weil man die nicht wesentlich ändern kann), sondern konkret aufzeigen, was warum schlecht war und wie man es verbessern kann.

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