Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Kapartia
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von Kapartia »

Die geschilderten Fälle + mein eigener: Berlin. Solche Sachen gibt es aber auch aus anderen Bundesländern, da bin ich halt noch mit nem Kollegen am sammeln.

Das Schwierige dabei ist, wie du selbst schriebst: Die berechtigten Zweifler von den "Mähhhhhh alle schuld außer mir" zu unterscheiden.
Bei mir z.B. war ich auch selber dran schuld, ich hätts Mäulchen nicht aufreißen sollen als es darum ging, einige Ungerechtigkeiten und Willkürlichkeiten an das Hauptseminar zu melden. Aber wer denkt schon, dass das ungute Gefühl, das die zusammen halten egal wie berechtigt die Kritik ist, tatsächlich zutrifft :D

kecks
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von kecks »

gibt es sicher immer wieder. ich bilde mir ein, dass es hier (bayern) eher umgekehrt ist, zumindest am gym: fachliche qualifikation ist hier ab und an ein freifahrtschein (man glaubt an noten; hast du gute noten, musst du auch ein guter pädagoge sein) für die fachlich exzellenten, auch wenn da methodisch/didaktisch/pädagogisch manchmal einiges im argen ist. (hängt sehr von der seminarschule ab.) noten sind wichtig.

alles in allem funktioniert aber die bewertung einigermaßen. hier hat man aber auch keine prüfung vor völlig unbekannten kommissionen, keinen alles entscheidenden prüfungstag, und hier zählt das erste (fachliche, studium zusammen mit fachwissenschaftler, keine pädagogischen hochschulen) examen (zentral gestellt) fünfzig prozent (jetzt zusammen mit studienleistungen wegen bachelorsystem) in die endnote, und einstellung erfolgt ausschließlich nach endnote. ich kenne halt keinen, der hier aus nicht nachvollziehbaren gründen durchgefallen ist, auch wenn man um einzelnoten sicher immer streiten kann, bei einer so komplexen prüfungsleistung wie einer lehrprobe (ich hatte z.b. zwei prüfer, die extrem entgegengesetzte vorstellungen von "gutem unterricht" hatten und verfeindet waren. toll - wenn ich den einen glücklich gemacht hätte, hätte der andere die eins nicht vergeben und umgekehrt. war dann auch nur eine zwei. ja mei. nicht fair, aber was soll man sich aufregen...).

hell, selbst die besagten drei teils katastrophalen leute aus unserem seminar haben es alle geschafft. nicht gut oder befriedigend, aber geschafft.

Drops
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von Drops »

Die Schilderungen sind wirklich ungeheuerlich. Wenn man so etwas liest, wird einem doch etwas mulmig.

Ich bin mittlerweile in einem Seminarsbereich gelandet, in dem wirklich jeder durchgewinkt wird, egal wie inkompetent, dumm, schwierig oder pädagogisch fragwürdig sich der Referendar zeigt; er schafft sein 2. Stex auf jeden Fall.
Wir anleitenden Fachlehrer sind oftmals regelrecht am Verzweifeln, insbesondere weil wir keinen dieser o.g. Referendare guten Gewissens auf (andere) Kollegien loslassen können, wenn sie dann das 2. Stex in der Tasche haben und denken, sie seien die Größten (was sie während des Refs ja auch schon denken).

Da werden für die Vorführstunden wochenlang vorher Stunden ausgetüftelt, aber im angeleiteten Fachunterricht erscheint der Referendar ohne Absage nicht, schludert irgendwelche Stunden hin (wenn er mal anwesend ist), die mit dem Fachlehrer nicht abgesprochen wurden, weint vor den Schülern wegen "Überforderung", motzt die Schüler bei Fragen an, fragt den anleitenden Fachlehrer während des laufenden Unterrichts etwas, weil "das hab ich nicht nachgeguckt", aber vor dem Fachleiter wird eine Stunde rausgehauen, die ihresgleichen sucht und letztendlich sieht der FL ja nun mal nur diese eine Stunde und sonst keine, was dem Ref natürlich auch klar ist.

Wenn man den Ref dann zur Rede stellt, kommt meistens ein: "Ja, wie hätte ich denn die anderen Stunden noch vorbereiten/halten sollen, ich hatte halt die Lehrprobe und nächste Woche hab ich die Lehrprobe im anderen Fach." Da fällt einem nichts mehr ein.

Das geht nun so weit, dass unser eigentlich sehr freundliches und offenes Kollegium dicht macht und sich weigert, die Referendare weiter auszubilden, was wir aber natürlich nicht dürfen. Dienstpflicht und so. Also hagelt es miese Gutachten, die jedoch für die Staatsexamensnote nicht groß von Belang sind. Das ist auch frustrierend, um einfach mal auch die andere Seite darzustellen.

Jula13
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von Jula13 »

Was Du erlebst, ist im Wesentlichen eine (logische) Anpassung an das herrschende System.
Wer es anders macht, hat eine schlechtere Langzeitbewertung von den Fachleitungen und ergo eine schlechtere Ordnungskennzahl => keinen Job.
Was Du erlebst, ist im Wesentlichen eine - aus Sicht der Betroffenen - vernünftige Anpassung an das herrschende System. (Wenn auch die Geschickteren eher am BDU und leider auf Kosten ihrer Schüler sparen als auf Kosten der Stunden, die von Kollegen beobachtbar sind.)

illuminator
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von illuminator »

Es ist richtig, diese Missstände zu publizieren!
Einige Systemmitläufer werden dies wieder als "Einzelfälle" abtun, so viele "Einzelfälle" können aber kein Zufall mehr sein, sondern sprechen vielmehr für ein krankes, faschistoides System.

qchn
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von qchn »

die Einzelfälle sind sicherlich nicht Zufall, sondern Ergebnis von Handlungen einzelner Personen, die sich über die Funktionsweise des Systems hinwegsetzen; das würd ich jetzt nicht dem System selbst anlasten. Wenn jemand bei Rot über die Ampel geht, lastest Du das auch nicht dem faschistioden Ampelsystem an. Da Menschen aber fehlbar sind und je nach Menschenbild sogar egoistisch und narzistisch, wird es bei Bewertungen durch Menschen immer zu Fehlern kommen. Problematisch scheint mir daher an dem System, dass anscheinend die Bewertungskriterien nicht klar genug sind und es keine Accountability gibt, so dass es zu solch beschriebenen Fällen kommt.

Meiner Erfahrung nach haben wir fast alle im Umgang mit dem Referendariat ein gesundes Fähigkeitsselbstkonzept: Wenn wir gut durchgekommen sind, schieben wir das auf unsere Fähigkeiten und natürlich finden wir das System gut, das unsere Genialität erkannt hat. Wenn wir schlecht oder garnicht durchgekommen sind, suchen wir die Schuld bei Anderen.

ps: dann auch mal ne Anekdote von mir: fachlich unfähiger Referendar schafft das Referendariat in NW Fächern, obwohl er zB regelmäßig falsche Tafelanschriebe macht, Stunden nicht plant oder kurzfristig absagt, Unterrichtsentwürfe von anderen abschreibt, schon Elternbeschwerden noch und nöcher eingeheimst hat und 3 Tage vor der UPP noch nicht wusste, wovon seine Stunden handeln sollen. Sein Geheimnis: MitreferendarInnen entwarfen seine Arbeitsblätter für die Prüfung teils noch am Prüfungstag selbst und ein Kollege zeigte den SchülerInnen - ebenfalls noch am Prüfungstag - wie diese mit dem Bunsenbrenner umzugehen haben.

Kapartia
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von Kapartia »

qchn: Ja das kenn ich auch von Mitrefis aus Berlin, die haben sich fleißig bei anderen Referendaren bedient und waren komplett beratungsresistent.

Das Problem ist tatsächlich, das es nicht leicht ist, solche Fälle von den wirklich ungerechten Fällen zu unterscheiden. Bei der Recherche bin ich auch auf viele gestoßen, die meinten: MÄHHHH pöhses pöhses System ist allein an allem schuld.

Auch wenn ich vor Gericht recht bekommen habe und klar festgestellt wurde, das in meinem Fall nicht professionell entschieden wurde sondern nach Nase: Ich würde niemals sagen "Das System war alleine schuld", denn ich wusste von vornerein worauf ich mich da einlasse und das ich evtl voll auf die Nase mit meinem Einsatz für mehr Gerechtigkeit lang lege. Ist auch so gekommen, dem war ich mir vorher bewusst. Niedergeschlagen, dass das dann auch so zutrifft wie ausgemalt war ich schon, jugendliche Hoffnung ins System und so.
Das System selbst krankt aber dahingehend, das solche Leute ihren Weg in dieses System finden, weil fähigere selten bereit sind da mitzumischen. Das müsste man für die guten Ausbildungslehrer etc attraktiver machen. Oder halt ein psychologischer Test a la "Wenn du denkst, du bist der Geilste....lass es lieber sein". :)

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