Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
illuminator
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von illuminator »

Das System ist insoweit krank, dass es offensichtlich Unfähige erst am Ende aussortiert, nach jahrelangem Studium. Ebenso krank ist, dass solche Unterrichtsdarsteller wie im obigen Beispiel durchkommen...Das kommt davon, wenn die Gesamtnote zum Großteil von Leerproben abhängig ist.

tiger
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von tiger »

Wie soll man die Unfähigen denn am Anfang aussortieren? Wie kann jemand seine Eignung für einen Beruf unter Beweis stellen, wenn er noch gar nicht ausgebildet wurde? Das funktioniert bei Lehrern nicht, und auch bei Tischlern, Anwälten und Ärzten funktioniert es nicht.

Deswegen hängt so viel von Prüfungen ab, die am Ende einer Ausbildung abgelegt werden. Und für die Einstellung ist nicht nur der Prüfungsunterricht relevant, sondern in vielen Bundesländern auch die Note aus dem 1. Staatsexamen, die Auswertung einer Unterrichtsreihe (Hausarbeit), die Noten der Ausbildungslehrer und der Schulleitung sowie die Noten der Fachleiter. Das ist schon einigermaßen aussagekräftig.

Der Grund, warum sich manche hier so heftig über das Referendariat beschweren, ist, dass die Noteninflation an den Universitäten auch die Mittelmäßigen daran gewöhnt hat, mühelos mit der Note Einskomma... abschließen zu können. Im Referendariat ist das anders, weil gute und ausgezeichnete Leistungen nun einmal viel seltener sind als befriedigende und ausreichende. Man bedenke: Jemand mit der ach so schlechten Note "befriedigend" hat eine Leistung erbracht, die den Anforderungen im Allgemeinen entspricht. Die besseren Noten stehen bereits für besondere Leistungen, die eben nicht jeder erbringt.

Rets
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von Rets »

@tiger

Da stimme ich dir nicht zu. Es mag durchaus stimmen, dass man zwar nicht zu Beginn des Studiums, wohl aber in der Frühphase des Refs "aussortieren" kann. Wenn da die ersten UBs sehr streng bewertet werden, kann schnell jemand auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.

Aber: "Aussortieren" muss man wirklich nur ganz ganz ganz wenige. Trotz meines Referendarseins (und damit noch fehlender Langzeiterfahrung) erscheint mir der Lehrerberuf durchaus als etwas _Erlernbares_. Da man mit Menschen zu tun hat, gibt es schon einige charakterliche No-Go´s, aber es wäre zynisch zu behaupten, jeder der durchfällt, sollte besser kein Lehrer sein. (Übrigens die Verwendung des Begriffs "Unfähige" ist mindestens kritisch anzusehen - man übertrage die Vokabel gedanklich nur mal in einen Examensentwurf zur Bezeichnung schwacher SuS und überlege, welche Note man dann wohl verdient hätte.)

Insbesondere würde ich sogar behaupten, dass Erfahrung, Reflexionsfähigkeit (um diese Erfahrungen auch nutzen zu können) und Fachkompetenz wichtiger sind, als alles, was heutzutage in Unterrichtsbesuchen so abgeprüft wird. Das Ref kann nur bei dem zweiten Punkt ansetzen, die Erfahrung kommt mit der Zeit und für die Fachkompetenz hat man nunmal studiert.

Ich würde das Beschweren nicht nur als Gejammer abtun. Mir fehlt noch der Examenstag (in 3 Wochen), aber ich laufe ungefähr auf 1,3 als Abschlussnote zu. Trotzdem empfinde ich das Referendariat als Institution fehl konstruiert und einer grundlegenden Reform bedürftig.

Schließlich zum "Gejammer": Es ist sehr leicht als verbeamteter Lehrer die Notenvergabe als gerechtfertigt anzusehen, dabei übersehen viele aber, dass es definitiv in den beiden Schulamtsbezirken, wo ich - geringfügigen - Einblick habe, vor wenigen Jahren viel leichter war, eine Stelle zu finden. Das mache ich daran fest, dass es bis vor ca. 4-5 Jahren an jeder Schule in meinem Umfeld immer mindestens 1-2 Referendare gab, die übernommen wurden. Seitdem aber ist dies nur noch die absolute Ausnahme.


Zuletzt noch ein Aspekt zu deinem Vergleich mit anderen Berufen. Ich glaube das "Lehrerhandwerk" ist in Prüfungssituationen durchaus etwas besonders, mithin nicht zu anderen Examina (bzw. Abschlussprüfungen) zu vergleichen. Das große Problem jeder (ggf. dann schlecht bewerteten) Lehrprobe ist doch, dass einerseits Unterricht so vielschichtig ist, dass man immer etwas kritisieren kann. Ein Chirurg hat einen Schnitt korrekt gesetzt oder nicht. Das merkt der sofort und es ist sofort klar, ob der was taugt oder nicht. Im Unterricht aber gibt es immer viele Dinge, die gut laufen und einige Dinge, die man kritisieren kann. Es bleibt immer Raum für Subjektivität, an welcher sich halt viele stören.
Schließlich: Durch die Prüfungsform der Lehrprobe verdichtet man den Lernprozess von SuS künstlich auf eine Stunde. Ich mag ein Stift sein, aber ich habe schnell gemerkt, dass echter Unterricht, echter Lern- und Kompetenzzuwachs immer noch ein "morgen" hat (und haben muss), man also folglich immer noch aus einer schlechten Stunde raus dafür aber klüger in die nächste gehen kann. Ja, diese Prüfungsform mag ein organisatorisches Desiderat sein, führt aber eben zu ungerechten und somit harten Bewertungen.

Kapartia
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von Kapartia »

tiger hat geschrieben:[...]

Der Grund, warum sich manche hier so heftig über das Referendariat beschweren, ist, dass die Noteninflation an den Universitäten auch die Mittelmäßigen daran gewöhnt hat, mühelos mit der Note Einskomma... abschließen zu können. Im Referendariat ist das anders, weil gute und ausgezeichnete Leistungen nun einmal viel seltener sind als befriedigende und ausreichende. Man bedenke: Jemand mit der ach so schlechten Note "befriedigend" hat eine Leistung erbracht, die den Anforderungen im Allgemeinen entspricht. Die besseren Noten stehen bereits für besondere Leistungen, die eben nicht jeder erbringt.
Empfinde ich tatsächlich als, mit Verlaub, dreist was du da behauptest:
Ich hab bereits an Unis gearbeitet und auch Noten vergeben und da lief nichts mit Inflationären Einsern ab. Mag an meiner recht kleinen Uni liegen, wo die Dozenten darauf geachtet hatten, das eben genau das nicht passiert in meinen Fachbereichen. Sah bei anderen Fachbereichen durchaus anders aus aber eben nicht flächendeckend wie du es hier darzustellen versuchst.
Was ist für dich Mittelmäßig? 2,5?
Das Problem im Berliner Ref war: So wirklich wissen was denn die Anforderungen im Allgemeinen sind, wussten weder wir Referendare bis zum Schluss noch die meisten Seminarleiter.
Zitat vom SL auf die Frage, ob man die sehr schwammigen "Anforderungen" konkretisieren könnte wie in einem Erwartungshorizont: "Öhm, also naja, das ist halt das was da steht." "JA und was heißt das nun konkret?" "Ja keine Ahnung, müssen sie sich halt an der Vorgabe da halten." "Die kann alles bedeuten." "Dann ist das halt so."

Stark
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von Stark »

Rets hat geschrieben:Es ist sehr leicht als verbeamteter Lehrer die Notenvergabe als gerechtfertigt anzusehen, dabei übersehen viele aber, dass es definitiv in den beiden Schulamtsbezirken, wo ich - geringfügigen - Einblick habe, vor wenigen Jahren viel leichter war, eine Stelle zu finden. Das mache ich daran fest, dass es bis vor ca. 4-5 Jahren an jeder Schule in meinem Umfeld immer mindestens 1-2 Referendare gab, die übernommen wurden. Seitdem aber ist dies nur noch die absolute Ausnahme.
Das ist aber ein klassischer Trugschluss. Es werden ja keine Lehrerstellen geschaffen, nur weil es mehr Referendare mit sehr gutem Abschluss gibt. Es gibt eben die Lehrerstellen, die es gibt, und auf die werden die besten des Jahrgangs gesetzt. Da macht es faktisch keinen Unterschied, ob sich diese Besten in der Spannweite von 1,0 bis 1,2 bewegen oder von 1,8 bis 2,0.
Gefühlt ist das natürlich anders.
Man könnte natürlich darüber reden, wie größere Vergleichbarkeit zwischen den Studienseminaren hergestellt werden kann. Wenn ein Studienseminar ständig Durchschnitte um 1,2 hat, während das Nachbarseminar ständig im Durchschnitt bei 2,0 liegt, ist das eher ein Problem für die Stellenvergabe.

phstudent
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von phstudent »

Stark hat geschrieben:Man könnte natürlich darüber reden, wie größere Vergleichbarkeit zwischen den Studienseminaren hergestellt werden kann. Wenn ein Studienseminar ständig Durchschnitte um 1,2 hat, während das Nachbarseminar ständig im Durchschnitt bei 2,0 liegt, ist das eher ein Problem für die Stellenvergabe.
Gibt es z.T. ja schon. In BW haben wir z.B. Seminar- und Jahrgangsbonus bzw. -malus.

Rets
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Re: Zweite Staatsexamenprüfung nicht bestanden! Was nun?

Beitrag von Rets »

Stark hat geschrieben:Das ist aber ein klassischer Trugschluss. Es werden ja keine Lehrerstellen geschaffen, nur weil es mehr Referendare mit sehr gutem Abschluss gibt. Es gibt eben die Lehrerstellen, die es gibt, und auf die werden die besten des Jahrgangs gesetzt.
Du verkennst anscheinend mein Argument. Selbstverständlich werden keine Lehrerstellen geschaffen, nur weil man hier einen tollen Bewerber hat. Aber nachdem die Lehrerschwemme der 70er ab 2000 in Pension gegangen ist, gab es hier extrem viele Stellen, die dann in den darauffolgenden 10-12 Jahren neu besetzt wurden. Und bei hohem Bedarf sinken natürlich auch die Ansprüche an die Abschlussnote. Die Konsequenz: An meinen Schulen erzählt man mir, dass 2005 der Altersschnitt im Kollegium sehr hoch war, mittlerweile ist er sehr niedrig.

M.a.W. Die viel wichtigere Kennzahl als die Abschlussnote, um die Chancen auf eine Stelle zu ermitteln, ist das Geburtsjahr.

Wenn ich mit meinen Fächern vor 10 Jahren das Ref gemacht hätte, wäre meine Abschlussnote beinahe egal und ich hätte mir eine Stelle aussuchen können. (Jedenfalls hat vor 4 Jahren mein Mentor mit einer ähnlichen Note wie meine [wohl werden wird] in meiner Region 6 Angebote gehabt, die jetzt aktuell niemand hier bekommen wird).

Jetzt mein Argument: Wenn ich mein Ref vor 10 Jahren unter obiger Perspektive gemacht hätte, also quasi mit der "Sicherheit", dass ich schon eine Stelle bekomme, dann könnte auch ich viel gelassener auf diese anstrengende Zeit blicken. Daher mein Appell an alle, die bereits Lehrer sind: Bitte beachtet doch auch die existentielle Dimension, welche die Staatsexamensnoten aktuell mehr haben, als es noch vor einigen Jahren der Fall war.



Zu dem Aspekt der Vergleichbarkeit durch Standardisierung: Den finde ich gut. Würde ich akzeptieren. Mit ist klar, dass diese Normierung nur synchron durchgesetzt werden kann.
Man könnte das aber auch weiter denken und im Sinne der Bestenauslese den Aspekt diachron einfordern. M.a.W. wenn sich ein Absolvent mit einer besseren Note als du auf deine Stelle bewirbt, musst du gehen und ersetzt werden. (Fordere ich nicht, geht nicht, Beamtenrecht, Erfahrung usw. Macht auch Sinn, dass es nicht geht, wäre eine furchtbare Welt. Dieses Gedankenexperiment kann aber helfen, diese "existentielle Dimension" von der ich sprach nachzuvollziehen.)

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