Ratlosigkeit

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Mazon
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Ratlosigkeit

Beitrag von Mazon »

Hallo Leute,

Ich weiß, dass bezüglich dieser Thematik schon hunderte Themen/Posts/Threads erstellt wurden und dass ich euch wahrscheinlich schon damit langweile, aber ich muss gestehen, dass ich schon sehr viel Zeit mit dem Lesen der teils widersprüchlichen Posts verbracht habe. Deswegen dachte ich ich schildere meine individuelle Situation, in der Hoffnung, dass ich auch individuelle Antworten bekomme. Ich weiß, dass das nicht leicht ist, aber ich muss es versuchen.

Es ist so, dass ich erst vor kurzem mein Referendariat angefangen habe, aber einfach meine Zweifel, Ängste und Sorgen nicht aus dem Kopf bekomme. Ich habe schon so viele Horrorgeschichten gehört, gelesen und erzählt bekommen und muss gestehen, dass sich nun bei mir der Eindruck aufdrängt, dass da doch ein wahrer Hintergrund vorhanden sein muss. Ich habe die geschilderten Phänomene noch nicht selbst erlebt, aber ich befinde mich im Moment in einer fruchtbaren Kriese. Die Aussicht auf 70 Stunden-Wochen ohne Freizeit, Sport und Wochenende bereiten mir große Sorge. Ich bin durchaus bereit viel zu arbeiten, aber das ist doch zu viel verlangt. Ich dachte immer, dass sei "nur" während des Referendariat so, aber ich habe persönlich 2 Junglehrer als Betreuer im Zuge eines Praktikum gehabt, die auch unglaublich gestresst und traurig waren. Die unsicheren Jobaussichten, die überall propagiert werden, helfen auch nicht gerade. Ich könnte noch 1000 weitere Ängste, Sorgen und Bedenken aufzählen, aber ich glaube das bringt keinen weiter.

Ob dieser Perspektiven möchte man eigentlich erst gar nicht anfangen, diesen Weg zu gehen. Nun habe ich aber schon ein bisschen Erfahrung mit Unterrichten und habe bisher nur positives Feedback erhalten. Dennoch fiel es mir sehr schwer, Stunden vorzubereiten und das hat schon im begrenzten Rahmen unglaublich viel Zeit erfordert, sodass die Bedenken immer größer werden. Ich fühle mich aber unglaublich unter Druck, weil das Studium angeblich für keine andere Branche zu gebrauchen ist. Ich habe Englisch und Sport auf Gymnasiallehramt studiert und mit einem 1er Schnitt abgeschlossen. Auch im Ausland habe ich bereits gearbeitet und an einem Fremdsprachenassistenzkräfteprogramm teilgenommen (auch mit großem Lob). Aus diesem Grund und weil die Arbeit mit den meisten SuS auch toll ist, möchte ich noch nicht hinwerfen. Dafür ist man den Weg viel zu lange gegangen und ich habe immer noch die Hoffnung, dass mir im Zuge des Referendariats Tipps und Tricks gezeigt werden, die die Berufsausübung effizienter gestalten. Aber nochmal zusammenfassend was mir große Sorge bereitet: für die nächsten 10-15 Jahre kein Feierabend und keine Wochenenden, schlechte Jobaussichten für schlechtere Abschlüsse als 1,0 und mangelnde Vorbereitung durchs Studium. (alles ein bisschen überspitzt, aber im Kern treffend)

Demgegenüber sehe ich viele Freunde, die andere Bereiche studiert haben und einen Master-Abschluss haben. (1. Staatsexamen entspricht doch von der Dauer und des Charakters der Prüfungen einem Master) Diese sind genau wie ich, Mitte 20 und haben gute Perspektiven und eine geregelte Arbeitswoche (mit allerlei Überstunden und Stress, aber alles im geregelten Rahmen) Bitte stempelt mich nicht als Faulenzer ab. Ich bin ehrlich bereit, viel zu arbeiten, aber ich möchte doch bitte mein großes Hobby Sport einigermaßen beibehalten können und am Wochenende mal etwas mit meiner Freundin/Freunden unternehmen können.

Deswegen meine große Frage. Gibt es tatsächlich andere Bereiche, in die man einsteigen könnte, ohne nochmal Bachelor und Master machen zu müssen, oder ohne das vorraussichtliche Gehalt für immer zu halbieren bzw. ohne nochmal komplett von vorne anfangen zu müssen. Ich könnte mir absolut etwas im BWL Bereich vorstellen, oder Sportjournalismus oder oder oder. Ich lasse mich gerne inspirieren. Es gibt viele Posts, die dieser Problematik durchaus positiv gegenüberstanden mit dem Hinweis, dass die betroffenen Personen trotz Referendariatsabbruch noch eine Stelle auf ähnlichem Level in einem Unternehmen ergattern konnten. Mich würde mal interessieren, in welchem Bereich und wie sich die entsprechenden Personen genau beworben und weiter qualifiziert haben.

Wisst ihr, vielleicht ist es utopisch, aber ich sehne mich so sehr danach, den Lehrerberuf im Zuge des Referendariats mal einigermaßen entspannt ausprobieren zu können, ohne das Gefühl zu haben, dass mit 26/27 die Zeit wegrennt und ich eigentlich sofort wissen müsste, ob ich für immer Lehrer sein will oder nicht. Auch wenn ich nicht mehr das Gefühl hätte, im Falle eines Abbruchs vor dem absoluten Nichts zu stehen, wäre mir unheimlich geholfen. Ich danke bereits im Voraus für eure Anstrengungen und zukünftige Antworten. Ich habe nur ein Leben und im Moment steht es ob dieser Problematik still.

kecks
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Re: Ratlosigkeit

Beitrag von kecks »

wenn's dich beruhigt: außer in den letzten drei monaten meines refs (der prüfungsphase, wo es um die endnote ging und ich sehr gebissen habe/auch wirklich die tage gezählt habe) habe ich währenddessen leistungssport auf nationaler ebene gemacht (zeitaufwand zwischen zehn und zwanzig stunden die woche) und das war machbar. sicherlich stressig, aber diszipliniertes arbeiten bist du als sportler ja eh schon gewohnt. insofern: das wird schon. stell dich der herausforderung, abbrechen kannst du doch immer noch.

Illi-Noize
Moderator
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Re: Ratlosigkeit

Beitrag von Illi-Noize »

Man hat immer so viel Zeit, wie man sie sich selber nimmt.

Ich habe mir das Studium durch parallele Selbstständigkeit im Sportbereich finanziert, und diese Selbstständigkeit habe ich auch während des Referendariats beibehalten (im Rahmen des Erlaubten ;-)). Wurde dann zwar kein 1er-Abschluss, aber immerhin fast.

Man hat immer so viel Zeit, wie man sie sich selber nimmt.

Zu den beiden gestressten Junglehrern: Du weißt nie, an wenn Du da geraten bist. Entweder total chaotische Leute, oder Frau und Herr Wichtig, die bei jeder Sache "Hier! Ich! Das übernehme ich gerne!" rufen. Das solltest Du auf keinen Fall verallgemeinern. Meine erste Stelle war zuerst auch anstrengend, 24 statt 17 Stunden plus Klassenleitung sind erstmal Neuland ... aber man gewöhnt sich schnell dran!

Man hat immer so viel Zeit, wie man sie sich selber nimmt.

lisamaus
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Re: Ratlosigkeit

Beitrag von lisamaus »

Ich fand mein Referendariat jetzt auch nicht sooo super toll. Einige der negativen Erfahrungen, die hier geschildert werden, habe ich leider auch machen müssen. Und sicherlich gibt es Wochen, in denen man 60 Stunden arbeitet. Aber ich habe es fast durchgehend geschafft mir Auszeiten für mein Hobby zu nehmen. Meistens hatte ich mir 2x in der Woche Zeit genommen für mein Hobby. Im ersten Jahr habe ich es sogar noch geschafft zusätzlich noch 2x/Woche ins Fitness zu gehen. Im 2. Jahr wurde es etwas mehr und ich bin nicht mehr ganz so regelmäßig zum Sport gekommen, das lag aber auch daran, dass meine Sportbegleitung schwanger war ;-)

Jetzt mit voller Planstelle hab ich auch allerhand zu tun, aber ich schaffe es zumindest meistens 2x/Wo ins Fitness und 1x zum Hobby. Auch in den Ferien nehme ich mir größtenteils frei, aber dafür arbeite ich unter der Woche sicher etwas mehr.

Mein Unterricht genügt wahrscheinlich nicht immer den großen Ansprüchen aus dem Seminar, aber wenn ich so mit anderen Lehrern vergleiche passt das schon. Ich habe das Glück, dass ich schon immer viel Unterricht getauscht und gesammelt habe. Dadurch muss ich momentan nicht immer das Rad neu erfinden, sondern muss nur den passenden Unterricht auf meiner Festplatte finden und für mich anpassen. Das würde ich auch jedem raten, es erleichtert das Leben als Lehrer unglaublich.
Vier ist bestanden, bestanden ist gut und gut ist fast eine Eins!

Mazon
Beiträge: 6
Registriert: 09.02.2017, 21:18:31

Re: Ratlosigkeit

Beitrag von Mazon »

Vielen Dank für eure ermutigenden Informationen. Das hört sich schon so an, als ob man auch als Lehrer noch ein Privatleben hätte, wenn man sich effizient und diszipliniert organisiert. So beruhigend das auch ist, würde mich dennoch interessieren, ob es mit dem 1. bzw. mit dem 2. Staatsexamen auch noch andere Möglichkeiten gibt, einen lohnenswerten Job zu finden. Vielleicht ist die harte Realität ja auch, dass das unmöglich ist. Das würde natürlich unglaublichen Druck aufbauen, aber wenn es so ist, möchte ich es auch gerne wissen. Schließlich geht es hier um die berufliche Zukunft, sodass es prinzipiell normal ist, sich Gedanken zu machen, obwohl ich es sicherlich wahnsinnig übertreibe im Moment. Danke im Voraus

chilipaprika
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Re: Ratlosigkeit

Beitrag von chilipaprika »

Überlese ich das? Was für ein Lehramt (Schulform) und Fächer?
Hast du außerschulische Praxiserfahrungen? Jobs oder Praktika?

Mazon
Beiträge: 6
Registriert: 09.02.2017, 21:18:31

Re: Ratlosigkeit

Beitrag von Mazon »

Achja sorry habe ich in meiner Panik ganz vergessen. Ich habe Englisch und Sport auf Gymnasiallehramt studiert mit erflogreichem 1. Staatsexamen und abgesehen von der Teilnahme am Fremdsprachenassistenzprogramm, was nicht wirklich außerschulisch war, und einem Kurzeinsatz als "Trainer" in einem Fitnessstudio (ging mehr um die Aufsicht als um den eigentlichen Beruf) habe ich nichts zu bieten.
Habe schon oft etwas über die Möglichkeit gelesen, durch den Hochschulabschluss, einen Master in einem anderen Fachbereich nachholen zu können, aber das kann ich mir gar nicht vorstellen...es fehlen doch die Grundlagen des Bachelors. Vielen Dank für deine Hilfe.

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