Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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Piccola
Beiträge: 1661
Registriert: 08.01.2006, 22:34:10
Wohnort: Baden-Württemberg (Gym)

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von Piccola »

Phaon hat geschrieben:"Wann man aufhören muss/Will, muss man ja schlussendlich selber entscheiden. Bei mir gab es einen ganz bestimmten Punkt- Ich stand in meinem Zimmer, habe gesehen, was ich noch machen muss, hatte da absolut keine Lust drauf, habe den Ordner zugemacht, mich pennen gelegt und mich am nächsten Tag krankgeschrieben. Und dann direkt Antrag auf Entlassung. Also ziemliche Kurzschlussreaktion- bin ich inzwischen froh drum."

Mein eigener Abbruch war sehr ähnlich. Ich stand nachmittags in meinem Zimmer, musste für den nächsten Tag einen Unterrichtsbesuch vorbereiten, habe am gleichen Tag aber auch den Bescheid für die zweite Lehrprobe bekommen, noch nicht korrigierte Klassenarbeiten stapelten sich, die Herbstferien waren nicht erholsam, Unterricht wurde seit Wochen nur noch improvisiert, eine Grippe bahnte sich an... also schrieb ich kurz der Schulleitung und dem Fachleiter, dass ich am nächsten Tag nicht kommen können würde. Ich setzte mich in mein Auto und fuhr ca. 1,5 Stunden durch die Landschaft in eine unbekannte Stadt, bestellte mir in einem Fast-Food-Restaurant spontan ein Menü und fühlte mich plötzlich, als ich da so saß und meinen Burger verspachtelte, im Bewusstsein, heute nichts mehr tun zu müssen, frei. Dieses Gefühl kannte ich seit dem Beginn des Referendariats nicht mehr, was mir in diesem Moment schmerzlich bewusst wurde. Zuhause legte ich mich ins Bett und schlief erst einmal bis zum nächsten Morgen durch. Ich ignorierte die Anrufe der Schule und ging erst einmal in den verschneiten Wäldern spazieren. Dort fasste ich den Entschluss, jetzt sofort zum Seminar zu fahren und meine Entlassung einzureichen. Es ging dann alles ganz schnell. Das war vor drei Wochen.

Zu den Gründen für meinen Abbruch lässt sich nur folgendes sagen: ich wusste von Anfang an, dass ich niemals Lehrer werden will und war daher mit allem unzufrieden und eigentlich immer unmotiviert. Ich habe allerdings noch versucht, irgendwie mein 2. Staatsexamen zu erlangen, auch wenn ich nicht wusste, was mir dieses Dokument für meinen weiteren beruflichen Werdegang bringen würde. Ich wollte dann auch einfach nicht weiter Beamter und privat versichert sein, wollte nicht mehr, dass sich alle Unterrichtsmaterialien und Arbeitshefte in meiner winzigen Wohnung stapeln, wollte mich nicht mehr um den größtenteils ungezogenen Nachwuchs anderer Leute, die teilweise sogar meinen Beruf verachten, kümmern. Und vor allem hatte ich plötzlich das Bedürfnis nach einer festen Struktur in meinem Arbeitsleben, nach einem Feierabend, nach einem Wochenende und einem Ende der ganzen Nachtschichten und 60-Stunden-Wochen.

Ich denke mir mittlerweile: ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende.
WOW! Deine Geschichte ist total ermutigend und wahnsinnig gut geschrieben! So etwas sollte man mal veröffentlichen, gerade für Leute, die denken, im Lehrerberuf hätte man ständig Freizeit.

Hut ab davor, dass Du Deinen Weg gegangen bist!

Liebe Grüße

Piccola
Mens sana in corpore sano :-)

martinr
Beiträge: 1
Registriert: 03.05.2017, 16:51:12

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von martinr »

Hallo L0rence,

wie geht es dir mittlerweile? Ich kann deine Situation sehr gut nachfühlen und stehe im Moment an einem ähnlichen Punkt.... weiter durchziehen oder auf mein Herz hören und einfach hinschmeißen. Die zermürbenden Gedanken (Abbrechen wäre total naiv und realitätsfern, in anderen Jobs würde es mir wahrsch. ähnlich ergehen, sich fühlen wie ein "großes Baby", das allen nur zur Last fällt...) sind für mich genauso die Hölle und verunsichern mich total.

Würde mich über ein Update freuen und hoffe, dir geht es gut.

LG

Martin

Zeltan
Beiträge: 56
Registriert: 30.04.2016, 10:52:23

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von Zeltan »

Ich bin heute durch eine weitere Lehrprobe gefallen und fühle mich sehr niedergeschlagen. Im Moment sehne ich mich nach der Zeit, als ich nicht tagtäglich arbeiten musste und noch 2 ganze Tage Wochenende hatte. Nach der Zeit, als ich Abends heimfuhr und Feierabend hatte.
Ich werde zwar noch weiterhin versuchen durchzuhalten und Lehrer zu werden, aber langsam vergeht mir der Spaß und die Motivation, was in diesem Beruf ein NoGo ist...
Es ist so mies...

tiger
Beiträge: 424
Registriert: 12.02.2017, 2:21:44

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von tiger »

Zeltan hat geschrieben:Im Moment sehne ich mich nach der Zeit, als ich nicht tagtäglich arbeiten musste und noch 2 ganze Tage Wochenende hatte.
Das ist eine komfortable Situation während des Studiums, die es im Erwachsenenleben so nicht gibt. Bedenke: Nicht nur Referendare, auch Lehrer arbeiten an fast jedem Wochenende und mit Ausnahme der Sommerferien auch während der Ferien. Dazu kommt in der Regel eine Partnerschaft und Kinder, was erheblich viel Zeit in Anspruch nimmt.

Mogli89
Beiträge: 53
Registriert: 24.07.2016, 19:25:28

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von Mogli89 »

Zeltan hat geschrieben:Ich bin heute durch eine weitere Lehrprobe gefallen und fühle mich sehr niedergeschlagen. Im Moment sehne ich mich nach der Zeit, als ich nicht tagtäglich arbeiten musste und noch 2 ganze Tage Wochenende hatte. Nach der Zeit, als ich Abends heimfuhr und Feierabend hatte.
Ich werde zwar noch weiterhin versuchen durchzuhalten und Lehrer zu werden, aber langsam vergeht mir der Spaß und die Motivation, was in diesem Beruf ein NoGo ist...
Es ist so mies...
Oh nein, das tut mir leid. In welchem Bundesland bist du? Da ich in NRW bin, kann man hier von Durchfallen (noch) nicht direkt sprechen. Wir werden erst ab dem jeweils dritten Besuch benotet. Die Zeit am Schreibtisch ist allerdings völlig normal, das ist bei mir nicht anders. Ich empfinde das allerdings nicht als störend. Das gehört dazu, und naja ... wenn alles vorbereitet ist, fühle ich mich sehr gut und freue mich auf die neue Woche. Das du dich schlecht fühlst und nicht mehr motiviert bist, ist absolut zu verstehen. Ich kenne dieses Gefühl und hatte in der letzten zeit immer wieder Tiefpunkte und naja irgendwie bin ich da dann auch wieder herausgekommen, da meine Ausbildungsschule mich sehr motiviert, auch meine Ausbildungslehrer. Ich habe auch immer richtig Angst vor den lehrproben. Ich habe am Freitag meine nächste Lehrprobe und das Gefühl es nicht gut zu machen schwingt immer mit. Wir müssen einfach durchalten, auch wenn es nicht immer einfach ist. Denke daran, dass du danach Lehrer bist und dann nicht mehr in dieser ständigen Kontrollfunktion verharrst. Und versuche an den Dingen die Ursache dafür waren, dass du durchgefallen bist zu arbeiten.

Skeet1414
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Registriert: 11.10.2010, 16:21:03
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Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von Skeet1414 »

tiger hat geschrieben:
Zeltan hat geschrieben:Im Moment sehne ich mich nach der Zeit, als ich nicht tagtäglich arbeiten musste und noch 2 ganze Tage Wochenende hatte.
Das ist eine komfortable Situation während des Studiums, die es im Erwachsenenleben so nicht gibt. Bedenke: Nicht nur Referendare, auch Lehrer arbeiten an fast jedem Wochenende und mit Ausnahme der Sommerferien auch während der Ferien. Dazu kommt in der Regel eine Partnerschaft und Kinder, was erheblich viel Zeit in Anspruch nimmt.
Sprich für dich selbst. Ich habe nach drei Jahren seit dem Ref soviel Routine, dass ich die Wochenenden i.d.R. frei habe. Das Tagesgeschäft erledige ich in der Woche, was aber auch nicht mehr übermäßig viel Zeit in Anspruch nimmt.

tiger
Beiträge: 424
Registriert: 12.02.2017, 2:21:44

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von tiger »

Das hängt mit den Ansprüchen an den eigenen Unterricht zusammen. Wenn ich Kollegen sagen höre, dass sie nach ein paar Jahren im Dienst den Unterricht "im Griff" hätten und die einzelnen Unterrichtsstunden einfach aus der Ablage hervorholen könnten, wird mir übel.

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